Duisburg/Paderborn. Ein Schwurgericht in Paderborn hat einen Duisburger Familienvater freigesprochen: Er soll seine Ex-Geliebte nicht umgebracht haben.
„Sie haben den Falschen.“ Das betonten die Verteidiger immer wieder beim Prozessauftakt. Und dass Lokman Ö. der Richtige gewesen wäre, der seine Ex-Geliebte Bahar K. in Lippstadt mit 34 Messerstichen getötet hat, wollte das Schwurgericht in Paderborn nicht feststellen. Am Mittwoch, 16. September, wurde der Duisburger freigesprochen.
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Tag fünf des Totschlagsprozesses ist der Tag der großen Abrechnung. Nicht mit Lokman Ö., denn dass die Indizien nicht für eine Täterschaft des 37-Jährigen sprechen, zeichnete sich schon am vierten Verhandlungstag ab. Es ist Zeit für den Blick auf die Ermittlungen – und die Verteidiger André Miegel und Christian Lödden lassen in ihren Plädoyers daran kaum ein gutes Haar.
Verteidiger des Duisburgers machen den Ermittlern schwere Vorwürfe
Die Polizei habe letztlich aus einer einzigen DNA-Spur einen dringenden Tatverdacht gegen Lokman Ö. hergeleitet, deren Herkunft zunächst nicht weiter überprüft worden sei. Tatsächlich, und dieser Sichtweise schließt sich das Schwurgericht später mit seinem Urteil an, hätten die Gutachter folgendes festgestellt: Eine Spur von Lokman Ö.s DNA an der Stirn der Getöteten könne von Bahar K. selbst dorthin übertragen worden sein – nachdem sie ein als Schminktäschen genutztes Portemonee angefasst hatte.
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Auf diesem, sichergestellt am Tatort in der Handtasche von Bahar K., fand sich reichlich DNA des Angeklagten, und diese könne dort über einen längeren Zeitraum „frisch“ geblieben sein. Was Lokman Ö. zusätzlich in Verdacht brachte: Ein Anruf auf seinem Handy, von einem Freund aus Duisburg, nachts um 3.09 Uhr – exakt zur selben Zeit hatte Bahar K. ihre letzte Nachricht abgesetzt, an einen weiteren Mann, den man in diesem Prozess „Bauarbeiter“ nennt.
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Die Ermittler hätten die „Arbeitshypothese“ erstellt, der Anrufer habe beabsichtigt, Lokman Ö. ein Alibi zu verschaffen, sagt die Verteidigung. Der Mann selbst berichtet am letzten Prozesstag im Zeugenstand, wie im April die Polizei bei ihm „einmarschiert“ sei, um ihn zu einer Zeugenvernehmung abzuholen – man habe ihm unterstellt, er hätte vor dem Haus von Bahar K. „Schmiere gestanden“.
Duisburger: „Ich war noch nie in Lippstadt“
„Ich war noch nie in Lippstadt“, sagt der 34-Jährige. Noch weitere Aspekte führt die Verteidigung auf, die man bei den Ermittlungen nicht richtig oder nur einseitig durchleuchtet habe. Anwalt Lödden fasst es in einem Satz zusammen, bezogen auf Lokman Ö.: „Seine DNA kommt ins Spiel, und dann hört alle Logik auf.“
Dass dann noch fünf Monate Untersuchungshaft auf den 37-Jährigen warten, hätte nicht sein müssen: Er habe bereits zur Verkündung des Haftbefehls den Beweisantrag gestellt, eine Sekundärübertragung der DNA seines Mandanten zu prüfen, sagt Miegel, „das ist aber nicht weiter thematisiert worden.“
Verteidigung wie S taatsanwaltschaft plädieren auf Freispruch. „Die Tat konnte nicht geklärt werden“, sagt Oberstaatsanwalt Ralf Meyer, der jedoch auch sein Vorgehen verteidigt: Der mögliche Sekundärtransfer der DNA-Spur an die Stirn von Bahar K. sei erst im Zuge des Prozesses durch die Aussagen der Gutachter offenbar geworden.
Richter: „Wir haben keine belastbaren Indizien“
„Wir haben keine belastbaren Indizien für eine Täterschaft“, stellt Vorsitzender Richter Eric Schülke in der Begründung des Freispruchs für Lokman Ö. fest. Es gebe zahlreiche Szenarien für eine DNA-Übertragung, auch von Spuren anderer Personen, an der Leiche wie am Tatort selbst. Lokman Ö. habe kein Motiv, habe ein Alibi, und eine Anwesenheit in der Nähe des Tatortes sei auch durch Funkzellenauswertung seines Handys nicht festzustellen. „Aus unserer Sicht war er es nicht“, betont der Richter.
Wer es war, bleibt ungeklärt: Es gibt den in die Türkei verschwundenen „Bauarbeiter“, und es gibt den Ex-Mann von Bahar K., der vor Gericht die Aussage verweigert, weil er selbst noch unter Verdacht steht. Für die Familie im Gerichtssaal ist klar, wer es war. „Das ist er“, ruft ein Bruder der Getöteten, als der Ex-Mann den Saal verlassen will.