Duisburg/Lippstadt/Paderborn. Es war ein Blutbad mit 34 Messerstichen: Bahar K. starb durch 34 Messerstiche in Lippstadt. Angeklagt ist Familienvater Lokman Ö. aus Duisburg.

Der Anklagesatz der Staatsanwaltschaft ist für eine Bluttat in dieser Größenordnung vergleichsweise kurz. Lokman Ö. (37) aus Duisburg soll am 21. Juli 2019 Bahar K., die 33 Jahre alte Mutter von zwei Kindern, in ihrem Haus in Lippstadt-Eickelborn nachts um 3 Uhr abgepasst haben. Gleich nach dem Betreten soll er der Frau, mit der er zu Jahresbeginn eine Affäre hatte, im Hausflur 34 Mal auf Kopf und Oberkörper eingestochen haben. Bahar K. verblutete.

Mit diesen Vorwürfen habe er nichts zu tun, lässt Lokman Ö. seine beiden Verteidiger Andre Miegel und Christian Lödden am Dienstag erklären. „Ich bin der Falsche.“

Totschlagsprozess in Paderborn: Lokman Ö. aus Duisburg soll Bahar K. getötet haben

Wer der Richtige ist, das wird die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Paderborn als Schwurgericht in einem aufwendigen Indizienprozess herausfinden müssen. Eine Kostprobe auf das harte Geschäft, das der Kammer bevorsteht, gab es gleich zum Prozessauftakt. Die Verteidiger beantragten die Abberufung des Anklagevertreters: Oberstaatsanwalt Ralf Meyer habe nicht objektiv ermittelt, erwecke gar durch Mitteilungen an die Presse während der Ermittlungen den Eindruck, sich auf Lokman Ö. als Täter vorab festgelegt zu haben.

Das Schwurgericht um Richter Eric Schülke kam dem Antrag zwar nicht nach, musste aber schon nach knapp zwei Stunden vertagen: Die Verteidiger hatten nicht alle Prozessakten erhalten. Ursprünglich waren Prozesstermine bis Ende Oktober angesetzt. Jetzt ist die Rede von Mitte Dezember.

30 verschiedene DNA am Tatort und an der Leiche

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Diese Akten sind denkbar umfangreich, denn darin spielen Funkzellenauswertungen von Lokman Ö. und anderen Personen, DNA-Spuren, aufgezeichnete Telefongespräche und vieles mehr eine Rolle. Das Verfahren ist verzwickt. Es sollen insgesamt mehr als 30 verschiedene DNA am Tatort und an der Leiche gefunden worden sein.

Und es gibt aus Sicht der Verteidiger zwei weitere „Personen“, die als Täter in Frage kämen, die sie zwar nicht namentlich benennen, aber über deren Identität sie zwischen den Zeilen keine Zweifel lassen. Einer ist der Ehemann von Bahar K., von dem sie sich Ende 2018 getrennt hatte.

Ex-Ehemann des Opfers saß mehrer Wochen in Untersuchungshaft

Der 40-Jährige hatte am Morgen nach der Tat das Haus aufgesucht, die Leiche durch ein Fenster entdeckt und den Rettungsdienst alarmiert. Er geriet in Verdacht, weil die Trennung wohl mit erheblichem Streit verbunden war – und saß zunächst für mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Er wurde im September 2019 entlassen, weil kein dringender Tatverdacht mehr bestand.

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Die andere „Person“ soll ein türkischstämmiger „Wanderarbeiter“ sein, mit dem Bahar K. in der Tatnacht unmittelbar vor ihrem Tod noch elektronisch kommuniziert haben soll – der Mann sei am Tag danach in die Türkei geflogen, obwohl ihm dort eine Verhaftung wegen Fahnenflucht gedroht habe. Er gilt als letzter „Liebhaber“ der Getöteten, die schwanger gewesen sei.

Diese Spur habe die Polizei bei ihren Ermittlungen nur rudimentär untersucht, habe sich damit zufrieden gegeben, dass der Mann telefonisch angegeben habe, er könne keine DNA-Probe ermöglichen, weil er bis Mitte 2020 in der Türkei bleiben müsse.

Was aus Sicht der Staatsanwaltschaft für Lokman Ö. als Täter spricht

Lokman Ö. indessen, so betonen seine Verteidiger, habe stets mit den Ermittlern kooperiert, habe DNA zur Verfügung gestellt, sein Handy entsperrt und dessen Daten auslesen lassen.

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In einer zweiten Verteidigererklärung heißt es, Ö. habe gar nicht wissen können, dass Bahar K. in jener Nacht von einer Familienfeier gegen 3 Uhr zurückkehren werde in ihr Haus, und dass anders als sonst ihre Mutter und ihre Kinder nicht im Haus seien.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hingegen spricht einiges für Lokman Ö. als Täter. Er habe kein Alibi, aber ein Motiv, hatte der Oberstaatsanwalt bereits vor Wochen durchblicken lassen – was ihm nun die Rüge der Verteidigung einbrachte. Familienvater Ö. soll nach dem Ende der nur kurzen Liaison Bahar K. bedroht haben.