Duisburg. Josua Wechsler fährt auf dem Rhein mit einem Stand-Up-Board von der Schweiz bis nach Holland. In Duisburg legt er einen überraschenden Stopp ein.
Auf einem Campingplatz in Kehl am Rhein haben die zwei Walsumer Brüder Walter und Hans, die ihren Nachnamen lieber für sich behalten wollen, vor knapp zwei Wochen einen jungen Künstler kennengelernt. „Wir waren fasziniert von seinem freundlichen, offenen Wesen und von seiner abenteuerlichen Reise“, erzählt Walter.
Sie boten Josua Wechsler eine Übernachtung bei sich zuhause an, falls er es tatsächlich bis Duisburg schaffen sollte. Sicher schien ihnen das nicht, denn Wechsler fährt ganz allein mit Gepäck auf einem 3,60 Meter langen und 90 Zentimeter breiten, selbstgebauten Stand-Up-Paddelboard den Rhein hinunter – von der Schweiz bis zur Nordsee.
Am Rhein in Duisburg: Warten auf den Übernachtungsgast
Inzwischen ist klar, bis Duisburg hat er es geschafft! Die Brüder sind nach ihrer 700 Kilometer Fahrradtour schon etliche Tage wieder zuhause und hatten Handykontakt mit ihm. Sie sitzen seit Stunden in der Sonne unterhalb eines Schifffahrtzeichens auf den dicken Steinen vor dem Walsumer Fähranleger nach Orsoy und warten. Die Fähre kommt und geht. „Der Westwind drückt ihn bestimmt ganz schön, da kommt er schlecht vorwärts“, vermuten sie. Dann plötzlich beginnen sie zu winken und „hier, hier“ zu rufen. Ihr Übernachtungsgast kommt in Sicht.
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Der schmächtige, braungebrannte Mann mit der riesigen Dreadlock-Krone auf dem Kopf treibt sein Board mit dem Stechpaddel voran. Er winkt lachend rüber und hält auf die ruhige Kiesbucht hinter dem belebten Fähranleger zu. Dort öffnet er seine Sicherheitsleine, springt ins knietiefe Wasser und löst die empfindliche Finne vom Board. Dann watet er an Land und die drei neuen Freunde begrüßen sich so herzlich wie es unter Corona-Regeln nur geht. Seinem Board mit der Außenhaut aus hellem Lärchenholz und dem Innenleben aus Triplexkunststoff bekommt schnell kleine Rollen unter das Heck montiert, dann ist es zu Land mobil.
Josua Wechsler kommt im Rheinseitenkanal beinahe ans Ende seiner Kräfte
Im französischen Rheinseitenkanal kam Wechsler, wie er erzählt, beinahe ans Ende seiner Kräfte. Weil er bei jeder Staustufe aus dem Wasser musste und sein 25 Kiloboard plus rund 25 Kilo Gepäck keine Kleinigkeit sind. Und weil im Kanal ohne Strömung sein ganzes Fortkommen im eigenen Stechpaddel liegt. Das war ihm schon in Basel gebrochen und das Blatt im Strom versunken. „Ich sollte ein Ersatzpaddel haben, aber wegen der Gepäckmenge sind alle Ersatzsachen gestrichen“, sagt er und lächelt schuldbewusst.
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Schweizer Kanuten waren zum Glück in der Nähe und halfen ihm ans Ufer. Zeitdruck hat er nicht, wenn er nicht mehr kann, zieht er sein Board an Land und schlägt auf dem Brett ein kleines Zelt auf. Der Vegetarier isst, was seine wasserdichte Gepäcktonne gerade hergibt. Er lebt spartanisch und so sieht er auch aus.
Startpunkt bei Luzern, Ziel in den Niederlanden
Aber seine Perspektive ist der pure Luxus. „Ich wollte die Strecke zwischen meinem Geburtsort St. Gallen in der Schweiz und meinem Wohnort in Breda in den Niederlanden einmal langsam bereisen und mir die Zeit nehmen, im Rhythmus der Natur unterwegs zu sein“, sagt er. In Gisikon bei Luzern setzte er am vierten August sein Board aufs Wasser der Reuss, fuhr von dort über die Aarebis in den Rhein. Im Strom treibt es ihn mit durchschnittlich fünf Stundenkilometern voran. Er muss die ganze Zeit die talfahrenden Schiffe hinter sich im Auge behalten und auf Einmündungen achten. „Ich bin der stille Vorbeiziehende“, sagt er. Er verliert manchmal beim Navigieren mit der Kartenapp auf dem Smartphone das Gleichgewicht und fällt r(h)ein.
Inzwischen tun ihm keine Muskeln mehr weh. Er findet, dass die Bewegungen, die er zum Ausgleich der Wellen macht, organisch sind. Aus Höflichkeit sagt er, dass das Mittelrheintal ihm besonders gefallen hat, aber eigentlich geht es ihm nicht um einzelne Orte. Er lebt unterwegs ein Leben, das direkter und weniger abgesichert funktioniert, als andere. Und er erschafft Skulpturen, die davon erzählen. Auf seiner Internetseite steht er auf einem Foto viele Meter vom Boden entfernt hoch auf einer von ihm geschaffenen Stahlkonstruktion namens Cloud und blickt in die Landschaft.
>>KÜNSTLER STUDIERT AN KUNST-UND-DESIGN-AKADEMIE
- Wenn dieses Portrait erscheint ist Josua Wechsler schon wieder auf dem Wasser, unterwegs Richtung Breda, wo er lebt und an der Kunst-und Design-Akademie seinen Bachelor of fine Arts gemacht hat
- Auf seiner Internetseite www.josuawechsler.com kann man seine Werke anschauen und Filme und Fotos seiner Reisen sehen.