Duisburg. Die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann nutzen die Corona-Absatzkrise für Reparaturen im Hochofen A. Ein Seltener Einblick in die riesige Anlage.

Die Geschichte wiederholt sich bei der Hüttenwerken Krupp-Mannesmann (HKM): Während der Finanzkrise vor zwölf Jahren nutzte die Hütte im Duisburger Süden die Flaute um den Hochofen A neu zuzustellen, nun ist es die Absatzkrise wegen der Corona-Pandemie, die dem vor 48 Jahren gebauten Aggregat eine sechsmonatige Reparaturpause beschert. Derzeit laufen die Arbeiten auf Hochtouren – im Oktober sollen hier täglich wieder bis zu 7500 Tonnen Roheisen aus den Abstichlöchern fließen.

Mit schwerem Gerät wird die rund 270 Tonnen schwere „Ofensau“ auf dem Boden der Anlage zerkleinert und abgetragen.
Mit schwerem Gerät wird die rund 270 Tonnen schwere „Ofensau“ auf dem Boden der Anlage zerkleinert und abgetragen. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Der Feind, dem die Männer seit Wochen mit Schneidbrennern und schwerem Gerät zu Leibe rücken, ist die „Ofensau“. So nennen die Hochöfner Eisenreste, die sich auf dem Boden verfestigen, weil sie im Heißbetrieb nicht abfließen. Elf Meter beträgt der Durchmesser des Ofengestells, bis auf 1,20 Meter war der gefürchtete Bodenbelag angewachsen. „Eine böse Überraschung, aber das muss raus. Ansonsten können sich die Rückstände ausdehnen, wenn sie erhitzt werden, und die Ausmauerung beschädigen“, erklärt Dr. Herbert Eichelkraut, technischer Geschäftsführer der HKM.

Mit Schneidbrennern und schweren Meißeln ist ein Trupp nun seit Wochen dabei, die Ofensau zu zerkleinern und abzutragen. Die Knochenarbeit muss unter Corona-Bedingungen erfolgen – die Männer sind um ihre Aufgabe nicht zu beneiden.

Sepp Tauchert, Produktionsleiterleiter Hochöfen bei HKM, begutachtet eine Stelle, wo eine Stelle in der Ausmauerung, wo die Abnutzung besonders deutlich zu sehen ist.
Sepp Tauchert, Produktionsleiterleiter Hochöfen bei HKM, begutachtet eine Stelle, wo eine Stelle in der Ausmauerung, wo die Abnutzung besonders deutlich zu sehen ist. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Hochofen von HKM: Ausmauerung schneller verschlissen als geplant

Gebildet hatte sich der rund 270 Tonnen schwere Roheisen-Block, weil rund um eines der Abstichlöcher die Kohlenstoff-Steine der Ausmauerung schneller verschlissen waren als geplant. Die Strömungen im flüssigen Roheisen hatten die ursprünglich 50 Zentimeter breiten Steinen dort auf 30 Zentimeter reduziert. Thermo-Elemente die in den Steinen eingebaut sind, erlauben Temperatur-Messungen fast bis auf das Grad genau. „So lassen sich die Restwandstärken kalkulieren, wir fahren nicht blind“, erklärt Eichelkraut.

Wegen des Schadens lief die Anlage schon seit einiger Zeit im reduzierten Betrieb. Ohne Corona hätte die so genannte „Reise“ des Hochofens vielleicht erst zur planmäßigen Neuzustellung 2025/26 geendet, sagt der Geschäftsführer, „aber so ist es wesentlich effizienter“. Die HKM investiert nun einen einstelligen Millionenbetrag in die Reparatur.

Der schadhafte Bereich rund um ein Abstichloch ist bereits freigeräumt und für die Reparatur vorbereitet.
Der schadhafte Bereich rund um ein Abstichloch ist bereits freigeräumt und für die Reparatur vorbereitet. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Ersatzsteine stammen aus Reparatur bei Thyssenkrupp Steel in Beeckerwerth

Nun sind auch die Reparaturen der beschädigten Bereiche angelaufen. Vor dem Ofen stapeln sich bereits die schwarzen Kohlenstoffblöcke für die Ausmauerung – sie schützen die Außenhülle vor den Temperaturen von bis zu 1500 Grad. An den Schadstellen ist die isolierende Schicht bereits entfernt, bald werden die Ersatzsteine, die aus Überschüssen aus der Neuzustellung eines Hochofens in Beeckerwerth stammen, von Spezialisten eingesetzt, die weltweit bei der Reparatur von Hochöfen eingesetzt werden. Maßarbeit, denn die Fugen sind maximal einen Millimeter breit – unter der Hitze schließt sich dann auch dieser Spalt.

Fünf bis sechs weitere Jahre soll der Hochofen A ab dem Herbst noch laufen, ehe eine Neuzustellung ansteht. Rund 100 Millionen Euro kostet die Vorbereitung für seine dann sechste und vielleicht letzte Reise, die bis in die 2040er Jahre dauern könnte. Wenn bis dahin die „Dekarbonisierung“ der Stahlindustrie Fortschritte gemacht hat, Koks durch Wasserstoff als Reduktionsmittel ersetzt wird, müssten völlig neue Anlagen entstehen. „Das wäre das Ende dieser Hochofen-Technologie“, sagt Herbert Eichelkraut.

Die fünfte Reise seit Inbetriebnahme vor 48 Jahren

Der Hochofen A wurde 1972 in Betrieb genommen. Die Leistung ist mit jeder der bisher vier „Reisen“ gestiegen. Das ist auf hochwertigere Einsatzstoffe und Fortschritte in der Steuerungs- und Messtechnik zurückzuführen.

Die erste Neuzustellung erfolgte 1979, da hatte die Anlage 8,5 Millionen Tonnen Roheisen produziert. Die zweite folgte 1989 (15,6 Mio Tonnen), dann 1999 (16,3 Mio) und 2008 (22,3 Mio). Bis zum planmäßigen Ende der aktuellen Reise in 2025/26 plante das Unternehmen mit einer Produktion von 33,4 Millionen Tonnen.