Duisburg. Die Duisburger Kinder- und Jugendbuchexpertin Imma Wick gibt Buchtipps für die Sommerferien. Ob im Freibad oder auf dem Sofa: Lesen geht immer.

Seit März ist alles anders. Auch die Sommerferien stehen wegen Corona unter ganz anderen Vorzeichen. Fährt die Familie in Urlaub? Und wenn ja: wohin? Wie geht es nach den Ferien weiter? Viele Fragezeichen drehen sich um den neuen Alltag. Aber eins ist so sicher wie der Punkt am Satzende: Lesen geht immer. Kinder- und Jugendbuchexpertin Imma Wick hat wieder Bücher zum Anschauen, Vorlesen und Selberlesen ausgewählt, die lustig und lehrreich sind, aber auch nachdenklich machen.

Ein Bilderbuch für Sandwich-Kinder

Micha Friemel, Jacky Gleich: Lulu in der Mitte, Hanser, 14 Euro, ab drei Jahren

„Lulu in der Mitte“ von Micha Friemel und Jacky Gleich.
„Lulu in der Mitte“ von Micha Friemel und Jacky Gleich. © Hanser-Verlag

Lulus großer Bruder Kaspar baut Helikopter und Melkmaschinen. Für seine Erfindungen bekommt er bestimmt mal den Nobelpreis, sagt Oma. Und von der kleinen Leo sind immer alle entzückt, ganz egal, was sie macht, sogar wenn sie heult. Und Lulu? Erfindet nichts, plärrt nicht mehr so süß. Will den Tisch decken, aber das hat schon Papa gemacht. Will beim Kochen helfen, aber da steht das Essen schon auf dem Tisch. Was ist sie denn dann? Die goldene Mitte der Familie - ist doch klar!

Der Fremde mit der Teetasse

Chris Naylor-Ballesteros: Der Koffer, Sauerländer, 14,99 Euro, ab vier Jahren

Der Fremde ist müde und hat nur einen Koffer bei sich. Was will er hier? Woher ist er gekommen? Was ist in seinem Koffer? Darin seien eine Teetasse, ein Tisch, eine Stuhl und eine Holzhütte, gar ein Berghang mit Bäumen, behauptet er. Mit dem Typen stimmt was nicht, da sind sich Hahn, Hase und Fuchs einig. Der britische Bilderbuchkünstler erzählt eine Fluchtgeschichte für die ganz Kleinen, mit der er bei seinen Lesern Menschlichkeit und Mitgefühl wecken möchte. Denn ein Foto und eine Tasse sind alles, was dem müden Fremden von seinem Zuhause geblieben sind.

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Der gruselige Oskarsson

Ulf Stark: Als ich die Pflaumen des Riesen klaute, Urachhaus, 16 Euro, ab sechs Jahren

Die Geschichte von Ulf Stark wurde von Regina Kehn illustriert..
Die Geschichte von Ulf Stark wurde von Regina Kehn illustriert.. © dpa

Ulf Stark ist einer der ganz großen schwedischen Kinderbuchautoren. Er starb 2017. Dass die deutsche Übersetzung dieses kleinen „Riesen-Buchs“ nun erscheint, gleicht einem späten Abschiedsgruß. Nicht weit von Ulfs Haus wohnt ein Riese namens Oskarsson: riesengroß, laut und gefährlich. Ulfs Freund Bernt weiß eine Menge über Riesen, und die beiden gruseln sich gewaltig. Aber Oskarsson wird immer sanft, wenn Ulfs Mama Klavier spielt. Als Ulf durch einen dummen Fehler Bernts Freundschaft verliert, muss er im Garten des Riesen die köstlichen Victoria-Pflaumen klauen. Und erkennt: Oskarsson ist einfach ein sehr groß gewachsener und sehr einsamer Mann.

Inas besonderer Urlaub

Marianne Kaurin: Irgendwo ist immer Süden, Woow-Books, 15 Euro, ab elf Jahren

„Irgendwo ist immer Süden von Marianne Kaurin.
„Irgendwo ist immer Süden von Marianne Kaurin. © Woow Books

In diesem Jugendroman geht es um die zwölfjährige Ina, in deren Klasse sich Anerkennung nach finanziellen Kriterien richtet, bei denen sie nicht mithalten kann. Als vor den Sommerferien alle von ihren geplanten Urlauben erzählen, hört sie sich vor der Klasse sagen, sie würde in den Süden fahren. Dabei hat ihr Mutter gar kein Geld für einen Urlaub. Damit die Lüge nicht auffliegt, bleibt Ina ab dem ersten Ferientag in ihrem Zimmer. Bis der Neue aus ihrer Klasse Ina am Fenster entdeckt und einen verrückten Vorschlag macht.

Eine unerwartete Verbundenheit

Julia C. Werner: Um 180 Grad, Urachhaus, 18 Euro, ab 13 Jahren

Lennart würde sich am liebsten in Luft auflösen. Weil er beim Graffiti-Sprühen erwischt wurde, muss er nun bei der schrulligen Frau Silberstein im Heim ein Jahr lang Lesepate spielen. Doch dann erfährt er vom Schicksal der alten Dame, die die Hölle von Auschwitz überlebt hat. Langsam entwickelt sich eine Verbundenheit zwischen Frau Silberstein und Lennart. Dankbar hört sie zu, wenn er ihr aus „Tschick“ vorliest, und mit der Zeit erzählt Frau Silberstein immer mehr von ihren schrecklichen Erfahrungen. Lennart wird klar: Wenn er ihr nicht zuhört, tut es niemand mehr.

Das Undenkbare passiert

Jane Michael Belanger: 254 Tage mit Jane Doe, Carlsen, 17 Euro, ab 14 Jahren

Hobby-Historiker Ray weiß alles über sein Heimatstädtchen Burgerville und kann selbst die Erscheinung grüner Kühe erklären. Doch dann kommt ein neues Mädchen in die Klasse und macht die Gegenwart für ihn spannender als die Vergangenheit. Jane ist cool und undurchschaubar, und Ray beschließt, jedes Kapitel ihrer Geschichte zu ergründen. Je näher sie sich kommen, desto mehr Geheimnisse glaubt er zu kennen. Doch dann passiert das Undenkbare. Ray muss sich eingestehen, dass es auf die Frage nach dem Warum nicht immer eine Antwort gibt; seine zerbrochene Welt muss er Stück für Stück wieder zusammensetzen. Ein Buch über Depressionen, geschrieben mit einer ordentlichen Portion Humor.