Duisburg. Mitarbeiter des Ordnungsamtes verfolgen und überwältigen einen Mann. Er habe zu laut Musik gehört. Beide Seiten erheben nun Vorwürfe.
Die am Freitag gegen 20 Uhr in der Fußgängerzone gefilmten Szenen wirken dramatisch: Ein Streifenwagen rauscht zügig mit Blaulicht an Passanten auf der Königstraße vorbei, dann verfolgen Uniformierte des Ordnungsamtes einen schmächtigen schwarzen Mann. Ein Ordnungshüter erwischt den halbherzig Flüchtenden aggressiv, nimmt ihn in den Unterarmwürgegriff und drückt ihn zu Boden. Mehrere städtische Ordnungshüterinnen und Polizistinnen eilen hinzu. Nach Polizeiangaben wurde der derart öffentlich festgenommene 36-Jährige verletzt. Was ihm vorgeworfen wird? Er soll zu laut Musik gehört, aber auch Widerstand gegen einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes (47) geleistet, diesen verletzt haben. Der Betroffene selbst erhebt seinerseits schwere Vorwürfe.
Ordnungsamt: SAD-Mitarbeiter verfolgen und stellen Fahrradfahrer in der City
Ein Handyvideo zeigt Teile des SAD- und Polizeieinsatzes auf Königstraße und Averdunkplatz. SAD steht für „Städtischer Außendienst“. Dessen Mitarbeiter des Ordnungsamtes sollen als Ansprechpartner der Bürger und „Auge der Verwaltung“ auf den Straßen unterwegs sein, sollen Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern ahnden und über die öffentliche Ordnung wachen.
Den eine Minute und 38 Sekunden langen Clip hat ein Nutzer am Freitagabend in der Facebook-Gruppe „Duisburg ~Stadt- und Bürgerpolitik“ veröffentlicht. „Was passiert hier?“, lautet sein Kommentar zum Video-Posting. Die Aufnahme zeigt, wie der Streifenwagen vorfährt. Man hört einen Beobachter über die SAD-Kräfte sagen: „Guck mal: Die sehen die … [Polizisten, d. Red.] kommen, dann gehen die direkt auf den los.“ – „Der Arme.“
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Man sieht weiter, wie ein größerer SAD-Mitarbeiter den mutmaßlichen Störenfried erwischt, auch weil dieser im Lauf über den Averdunkplatz anscheinend versucht, mit seinem Verfolger zu sprechen. Dieser drückt den schwarzen Mann jedoch mit Gewalt zu Boden. Ein Baum steht in der Folge zwischen dem Filmenden und dem Ort der Festnahme.
Die kommentierenden Beobachter kritisieren den Einsatz als überzogen. Sie kennen den Betroffenen offenbar vom Sehen – er ist ihnen als Radfahrer bekannt, der mit Beatmusik durch die Stadt radele. Er sei „eigentlich harmlos“. Am Ende der Aufnahme sind auch Schaulustige zu sehen.
So schildert die Polizei Duisburg den Einsatz
Die Polizei hat gegen den 36-Jährigen Anzeige wegen Widerstandes geschrieben. Aber der Mann erstattete ebenfalls eine Anzeige gegen den Mitarbeiter des Ordnungsamtes. Der Vorwurf darin: Bei der Auseinandersetzung sei sein Handy zu Bruch gegangen, der SAD-Mitarbeiter haben ihn außerdem verletzt und ihm auch noch einen 500-Euro-Schein gestohlen, behauptet er. Auf der Polizeiwache habe der verletzte 36-Jährige angegeben, selbst einen Arzt aufsuchen zu wollen, berichtet die Polizei.
Ihre bisherigen Erkenntnisse fassen die Ermittler so zusammen: Die Ordnungsamtsmitarbeiter hätten den Mann verfolgt, weil er sich geweigert habe, seine Musikbox leiser zu drehen. Der 36-Jährige soll zunächst mit dem Fahrrad geflüchtet sein. Als der 47-Jährige ihn am Sattel festhielt, soll der Festgehaltene diesen von sich gestoßen haben und zu Fuß geflüchtet sein. Mit Unterstützung der Polizei habe man den 36-Jährigen dann überwältigt.
Ordnungsamt Duisburg wirf 36-Jährigem „tätlichen Angriff“ vor
Für das Ordnungsamt argumentiert Stadtsprecher Peter Hilbrands, das Video gebe „nur einen Teil des Sachverhaltes wieder“. Nicht zu sehen sei, wie der 36-Jährige einen Mitarbeiter des SAD zuvor bei „einem tätlichen Angriff“ verletzt habe.
Bei ihrer „Präsenzstreife“ hätten zwei Mitarbeiter ihn angesprochen, „weil er deutlich zu laut Musik gehört“ habe. Damit habe er gegen Paragraph 10 des Landesimmissionsschutzgesetzes zur „Benutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, im öffentlichen Verkehrsraum“ verstoßen.
Der Radfahrer sei „freundlich auf eine von ihm begangene Ordnungswidrigkeit aufmerksam gemacht“ worden, sagt Hilbrands. Dennoch habe der 36-Jährige versucht, sich der „weiteren ordnungsbehördlichen Maßnahme“ zu entziehen, der Identitätsfeststellung für die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens.
Die weitere Darstellung der Stadt: „Als ein Mitarbeiter des SAD ihn daran hinderte, wurde der Betroffene aggressiv, griff die Einsatzkräfte an und versuchte zu flüchten.“ Nach dem „tätlichen Angriff“ hätten die beiden Mitarbeiter Verstärkung aus der nahen City-Wache angefordert. Nachdem die Identität des Fahrradfahrers festgestellt worden sei, so Hilbrands, „konnte der Betroffene sich wieder frei in der Stadt bewegen“.
Ordnungsamt beruft sich auf Ordnungswidrigkeitengesetz und Strafprozessordnung
Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Reaktion beantwortet das Ordnungsamt nicht. Es verweist jedoch auf die rechtliche Grundlage der handelnden SAD-Mitarbeiter: Zur „notwendigen Identitätsfeststellung zur Ahndung einer vorliegenden Ordnungswidrigkeit bzw. der im Nachgang begangenen Straftat (Angriff auf Vollstreckungsbeamte) durfte der Betroffene nach Paragraph 46, Abs. 1 und 2 Ordnungswidrigkeitengesetz in Verbindung mit Paragraph 163 b Strafprozessordnung vorübergehend auch gegen seinen Willen festgehalten werden“. Die SAD-Mitarbeiter haben den 36-Jährigen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte angezeigt.