Neudorf/Hochfeld. Der Duisburger Streetart-Künstler Piranha malt seine Bilder auf Packpapier und kleistert sie an Mauern. Uns hat er erzählt, was ihn antreibt.
Piranhas haben nicht den besten Ruf. Sie gelten als aggressiv und räuberisch, werden von Blutstropfen im Wasser angezogen und machen sich hinterrücks über ihre Beute her. Als Alexander von Humboldt 1821 von einer Entdeckungsreise durch Südamerika zurückkehrte, war er von den Tieren ebenso beeindruckt wie der ehemalige amerikanische Präsident Theodore Roosevelt, der rund 100 Jahre später im brasilianischen Regenwald beobachtete, wie Piranhas ihr Futter verschlangen. So gesehen ist es eher ein überschaubares Abenteuer, die farbenfrohen Piranhas des gleichnamigen Duisburger Straßenkünstlers im Stadtdschungel zu entdecken. Seine Fische schwimmen beispielsweise durch den Rheinpark und sind an Mauern rund um den Hauptbahnhof im Bereich des Goerdeler Park zu finden. Sympathischer als die lebendigen Gesellen blicken die Kunst-Tiere ohnehin drein.
Duisburger Künstler stiftet seine Fische für den guten Zweck
Piranha ist ein so genannter Paste-Up-Künstler, das heißt, er malt im Atelier seine Bilder auf Packpapier und kleistert sie anschließend an Wände. Anders als bei Graffiti wird die Kunst so vergänglich, ist verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt, gestaltet aber gleichzeitig den öffentlichen Raum. Orte, die sich in der Nähe von Wasser befinden oder für Verfall und Umbrüche stehen, interessieren ihn ganz besonders. Davon hat Duisburg eine Menge zu bieten – und auch noch genügend Platz. „Ich habe mich schon früh mit Zeichnen und Malen beschäftigt – in der Jugend hauptsächlich durch Graffiti motiviert. Hierbei ist auch die Liebe zur Kunst im öffentlichen Raum entstanden und bis heute geblieben.“
Die Streetart-Szene sei überschaubar. „Duisburg ist eine Stadt, in der noch viel möglich ist und die sich im Wandel befindet.“ Ganz legal ist sein Hobby freilich nicht, deshalb möchte der Wahl-Duisburger auch namenlos bleiben. Über sich verrät er nur so viel: Er stammt aus NRW, hat viele Jahre in Norddeutschland verbracht, sei „um die 40“ und ist in Bremen das erste Mal auf Plakat-Künstler aufmerksam geworden. „Armsrock“ hat Passanten auf Wände gebracht. Nach 20 Jahren im Norden zog „Piranha“ schließlich mit der Familie ins Ruhrgebiet.
Den Raubfisch hat er sich bewusst ausgesucht: „Er symbolisiert die Vergänglichkeit, Piranhas werden mit Leben und Tod assoziiert. Aber die Zeit der Fische ist begrenzt und in einem ständigen Veränderungsprozess. Etwas Schönes geben und nicht daran festhalten, das gefällt mir.“ Mittlerweile ist ein Schwarm von rund 100 Tieren entstanden, die durch Duisburg „schwimmen“. Einige sind aber wieder abgetaucht, weil sie zerstört oder weggewaschen wurden.
Orte entdeckt er beim Spaziergang
Bei Spaziergängen entdeckt er die passenden Orte für seine Motive, die er zu Hause mit Sprüh- und Acrylfarben vorbereitet. Dann geht’s darum, die Kunst auf die Straße zu bringen. Das ist gar nicht so einfach. Auch wenn alles vorbereitet ist, muss er die großformatigen Bilder, Kleister und manchmal auch eine Leiter mitschleppen. „Den Kick brauch’ ich nicht mehr.“ Manchmal macht er sich den Spaß und beobachtet unerkannt die Reaktionen der Passanten. Einmal habe ihn sogar jemand auf die Kunst hingewiesen. Er ließ sich nichts anmerken und schaute sich interessiert um.
Vanessa Weßbecher ist schon länger Fan von den Werken und folgte Piranha auf Instagram. Die Nachbarin vom Ludgeriplatz engagiert sich in der Initiative „We love Ludgeriplatz“. Gemeinsam hatten sie die Idee, wieder mehr Leute in den Kiez und die vielen kleinen Geschäfte zu holen – und gleichzeitig etwas fürs Gemeinwohl zu organisieren. „Ich hab ihn angeschrieben und er hat sofort zugesagt, Fische zu spenden“, erklärt Vanessa Weßbecher. Und Piranha freute sich, die kreativen Geschäftsleute zu unterstützen, obwohl seine Fische eigentlich nicht ins Wohnzimmer gehören. „Ich möchte selbst darauf achten, mehr lokal einzukaufen. Und natürlich ist es toll, dass bedürftige Menschen von der Aktion profitieren.“ Die Übergabe der Kunstwerke lief übrigens anonym ab. „Er hat die Piranhas in die Bücherzelle gelegt und mir eine Nachricht geschrieben“, beschreibt Vanessa Weßbecher.
So funktioniert die Auktion
Britta Hauch, die am Ludgeri-Platz das Lerninstitut „Micks“ betreibt, hat beobachtet, dass der eine oder andere Passant unterwegs ist, um sich die Fische im Schaufenster anzuschauen. Sieben gibt es aktuell und die Organisatoren haben dazu aufgerufen, für einen guten Zweck zu spenden. Empfohlen wird zum Beispiel der Limonadenbaum oder der Mobile Waschbus. Auch die Tafel Duisburg oder die ehrenamtlichen Einkäufer der Katholischen Jugend St. Ludger würden sich über eine Finanzspritze freuen. „Wir sind auch schon gefragt worden, ob eine Spende an den Zoo möglich wäre. Hauptsache, dass Geld bleibt in Duisburg“, betont Silke van Os. Die Spender sollen den Überweisungsbeleg an die Initiative schicken und sich einen Fisch aussuchen. Jeden Sonntag wird im Internet der aktuelle Stand veröffentlicht. Zeit ist bis zum 17. Juni. Der Meistbietende bekommt das Kunstwerk. Wer verliert, solle sich nicht grämen – er habe schließlich etwas für die Gemeinschaft in Duisburg getan. Die Piranhas am Ludgeri-Platz haben übrigens spanische Namen. Sie heißen etwa „Glück“ oder „Freundschaft“.
Graffiti gelten als Sachbeschädigung: 300 Anzeigen bei der Polizei Duisburg
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Graffiti und Streetart-Bilder auf Wänden gelten laut Gesetz als Sachbeschädigung und sind damit eine Straftat. Ein Blick in die Kriminalitätsstatistik zeigt: Im Jahr 2019 gab’s in Duisburg rund 300 Graffiti-Fälle, die angezeigt worden sind. Das Strafmaß bemisst sich dabei etwa nach der Größe, mit welcher Farbe gearbeitet wurde und somit auch wie schwer es zu entfernen ist. Sowohl Geldbußen als auch Freiheitsstrafen können verhängt werden.
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Die Stadt Duisburg hat allerdings an verschiedenen Stellen auch Flächen geschaffen, die von Sprayern im Rahmen von künstlerischen oder sozialen Projekten besprüht werden durften. Dazu gehören zum Beispiel die Mauern im Rheinpark, eine Fläche im Landschaftspark, am Grünen Pfad und ein Fußgängertunnel am Ende der Unterführungsstraße in Meiderich. Auf Nachfrage unserer Zeitung betont Stadtsprecher Malte Werning: „Auch diese Sprayerflächen werden nicht für wilde Schmierereien freigegeben.
Wer ein Graffiti-Projekt plant, muss sich natürlich vorab mit der Eigentümerdienststelle in Verbindung setzen und deren Einverständnis einholen.“ Sollte eine Erlaubnis vorliegen, müsse die Stelle zuvor gründlich gereinigt und grundiert werden, außerdem müssten Beleuchtungen, Kunststoff- oder Gummibauteilen vor den Sprayfarben geschützt werden. „Leider kommt es immer wieder vor, dass legal und mit viel Aufwand entstandene Graffiti schon nach kurzer Zeit wieder verunstaltet werden. Dies ist vor allem im Rheinpark sehr schade, wo mit großem Aufwand farbenprächtige und fantasievolle Motive geschaffen wurden, die heute kaum noch unter Schmierereien zu erkennen sind“, bedauert Werning.