Duisburg. Erst Umsatzeinbußen und nun Aufträge bis in den Juli hinein: Ein Duisburger Fahrradhändler durchläuft in der Coronazeit Wechselbad der Gefühle.
Als Deutschland das letzte Mal dem Radsportfieber verfiel, gewann Jan Ullrich die Tour de France. Das war 1997. 23 Jahre später fällt die Frankreich-Rundfahrt aus, schuld ist die Corona-Pandemie. Doch paradoxerweise ist es das Virus, das die Menschen in die Fahrradläden treibt. Duisburger Händler verkaufen zur Zeit ein Rad nach dem anderen und kommen mit Reparaturaufträgen kaum hinterher.
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Holger Bünsch ist Mitinhaber des Geschäfts Cycle Culture Company. Ihn wundert der Ansturm nicht: „Radfahren war neben Spazierengehen und Joggen die einzige sportliche Betätigung, die man machen durfte. Und wer nicht laufen möchte, steigt eben aufs Rad“, sagt er. Am 18. März musste er seinen Laden am nördlichen Ende des Sternbuschwegs schließen. „Wir haben dann nur die Werkstatt offen gehalten und Beratungsgespräche per E-Mail, Skype und WhatsApp-Video geführt. Bestellungen haben wir per Post verschickt, obwohl wir keinen Online-Shop haben. Das wurde insgesamt gut angenommen“, erläutert Bünsch.
Duisburg: 40 Prozent Umsatzeinbußen, jetzt Aufträge bis Anfang Juli
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Dennoch habe das Geschäft während der Schließung im Vergleich zum Vorjahr rund 40 Prozent Verlust gemacht. „Das Frühjahr ist normalerweise der Start in die Saison. Normalerweise liegt der Durchschnittspreis eines verkauften Rads bei 1800 Euro. Einen Schlauch zu wechseln kostet 15 Euro, da können Sie ja mal rechnen“, sagt er.
Hochbetrieb herrscht in der Werkstatt. „Wir wollten anfangs eigentlich jeden Mitarbeiter an einem Tag in der Woche nach Hause schicken und Mails aus dem Homeoffice beantworten – das war aber schlichtweg nicht möglich, es war so viel zu tun“, sagt Bünsch. Die Werkstatt ist bis Anfang Juli ausgebucht.
Fahrradladen seit 20. April wieder geöffnet
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Seit dem 20. April ist das CCC wieder geöffnet – und die Mitarbeiter können sich vor Kunden kaum retten. „Der Urlaub fällt bei vielen Leuten flach, da kaufen die sich von dem Geld lieber ein gutes Rad“, sagt Bünsch. Er zeigt auf ein gelbes Kinderrad einer österreichischen Marke. „Das Klopapier unter den Kinderrädern.“ Nicht etwa der Qualität wegen, sondern weil es ein Verkaufsschlager in der Corona-Krise ist. „Die Leute rufen an, wollen dieses Rad in blau. Ich sage, ich hätte es gerade nur in grün oder gelb da, die nehmen auch das“, berichtet Bünsch verwundert.
Die Nachfrage ist bei allen Arten von Fahrrädern gleich hoch: „Ob Trekkingräder, Mountainbikes, E-Bikes, Kinderräder oder sogar Ersatzteile, das geht alles gut weg. Es kommen auch alle Altersgruppen, nicht etwa nur die Rentner, die sich ein E-Bike kaufen wollen“, sagt der Mechaniker.
Ungewissheit über weitere Verluste bleibt
Direkt morgens um 10 Uhr stehen die ersten Kunden vor der Tür, nehmen zum Teil Wartezeiten von bis zu einer Stunde geduldig in Kauf, denn Bünsch lässt immer nur drei Personen zur gleichen Zeit in den Laden. In der kommenden Woche will er die Öffnungszeiten reduzieren. Seinen Verlust hat er noch nicht wieder drin. „Dazu müsste der Ansturm das ganze Jahr anhalten. Aber niemand weiß, ob es nicht zu einer zweiten Pandemie-Welle kommt“, sagt er und fügt hinzu: „Im Gegensatz zu anderen Branchen jammern wir aber auf hohem Niveau, wir haben nur positiven Stress.“
ADFC-Infoladen hat wieder geöffnet
Auch der Infoladen des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) an der Mülheimer Straße 91 ist wieder geöffnet. Dienstags und donnerstags von 17.30 bis 19 Uhr und samstags von 10 bis 12 Uhr gibt es bei den Ehrenamtlichen kostenlose Karte für tolle Radtouren im Ruhrgebiet. Samstag können Radfreunde dort ihre Räder codieren lassen – als Diebstahlschutz.
Vorher sollte ein Termin vereinbart werden unter 0203/774211 oder unter info@adfc-duisburg.de. Außerdem unterstützt der ADFC das Projekt „Fahrradfreundlicher Einzelhandel“: Bis Ende August können Radfreunde dem Verein mitteilen, bei welchen Geschäft sie gerne ihr Rad abstellen, weil das Rad dort einfach und sicher abzustellen ist. Vorschläge an fahrradfreundlich@adfc-duisburg.de oder per Post an den ADFC Duisburg, Mülheimer Straße 91, 47058 Duisburg.