Duisburg. Der Verein Lebenshilfe Duisburg betreut weiterhin Menschen mit Behinderung. Für die Betreuer und die Klienten ist es eine komplizierte Situation.

Am meisten fehlen ihr die Umarmungen. Gabi Eisenbach wohnt allein. Die 60-Jährige ist geistig behindert. Dreimal die Woche kommt eine Betreuerin der Lebenshilfe Duisburg zu ihr nach Hause, um mit ihr zu einzukaufen, den Arzt zu besuchen oder einfach nur zum Reden. Seit der Coronakrise ist der Alltag ein anderer – sowohl für die Betreuer als auch für Gabi Eisenbach.

„Es ist so langweilig!“, urteilt die Duisburgerin. Normalerweise arbeitet Gabi Eisenbach in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Seit der Einstellung des Betriebes versucht sich die Frau zuhause abzulenken: „Ich habe sämtliche Möbel schon abgestaubt, ich hab‘ nicht mehr viel zu tun“, berichtet Eisenbach. Langsam falle ihr die Decke auf den Kopf. Da sie keine Familie hat und Besuche bei Freunden und Kollegen Tabu sind, trifft sie die Ausgangsbeschränkung hart.

Duisburg: Schwieriger Kontakt in Coronazeiten

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Einzig ihre Betreuerin Tatjana sieht sie wenigstens noch regelmäßig. „Es ist so traurig, dass wir uns nicht mehr in den Arm nehmen können oder Händchen halten“, findet Eisenbach. Auch bei den Mitarbeitern der Lebenshilfe Duisburg gilt: Abstand halten und wenn möglich, die Wohnungen nicht betreten. „Wir versuchen mit den Leuten viel Spazieren zu gehen“, sagt Julia Bautz. Sie betreut und unterstützt Menschen mit Handicap. „Arztbesuche, Spiele und Gruppentreffen – das fällt alles weg.“

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Zudem sei es schwer Menschen mit geistiger Behinderung zu erklären, weshalb Abstand geboten ist, man sich nicht mehr berühren darf und was Corona überhaupt ist. Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, die nur wenige Vertrauenspersonen überhaupt in ihr Leben ließen, gestalte sich der Kontakt kompliziert. „Manche lassen gar keinen mehr an sich ran. Das ist gefährlich“, meint Julia Bautz.

Corona-Alltag: Anrufe über das Smartphone

Die 46-Jährige versucht zusammen mit ihrem Team eine Tagesstruktur für ihre Klienten herzustellen. Wichtigstes Hilfsmittel zurzeit: Das Smartphone. „Wir rufen mehrmals am Tag an, fragen ob sie schon aufgestanden sind, ob sie schon gegessen haben oder noch etwas brauchen.“

Auf persönliche Besuche lässt sich indes nicht ganz verzichten. Manche der Betreuten brauchen Hilfe im Haushalt und Gespräche sind unabdingbar für die psychische Verfassung. „Wir sind gut ausgestattet mit Handschuhen, Mundschutz und Desinfektionsmitteln“, sagt die Betreuerin.

„Endlich wieder Leute sehen“

Da ein Ende der Vorsichtsmaßnahmen vorerst nicht in Sicht ist, überlegt Bautz gemeinsam mit der Geschäftsfeldleitung der Lebenshilfe, Ellen Gohsen, wie man zukünftig mit der Situation umgeht. „Wir wollen bei so vielen Klienten wie möglich eine App installieren und sie erklären, damit wir Video-Chats als Gruppe oder in Einzelgesprächen anbieten können“, erklärt Ellen Gohsen. Gabi Eisenbach findet die Idee großartig und hofft, dass es schnellstmöglich realisiert wird: „Das wär‘ richtig cool. Endlich wieder Leute sehen“, freut sich Eisenbach schon jetzt auf die App.

Michael Reichelt, Geschäftsführer Lebenshilfe Duisburg,fordert Hilfe für soziale Vereine.
Michael Reichelt, Geschäftsführer Lebenshilfe Duisburg,fordert Hilfe für soziale Vereine. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die ambulante Betreuung der Lebenshilfe Duisburg kümmert sich mit neun Betreuern um 40 Klienten. Doch die meisten der Angebote sind durch Corona zum Erliegen gekommen. „Unsere Kitas bieten nur noch eine Notbetreuung an, sämtliche therapeutischen Einrichtungen sind zu. Außerdem mussten wir unsere rund 150 Mitarbeiter in der Schulinklusion in Kurzarbeit mit null Stunden schicken – die Schulen sind ja zu“, berichtet Michael Reichelt, Geschäftsführer der Lebenshilfe Duisburg. „Unsere Einnahmen sind weggebrochen, die Kosten für Miete laufen ja weiterhin – wir haben jetzt bereits Umsatzeinbrüche im sechsstelligen Bereich“, sagt Reichelt. Er hoffe endlich auf finanzielle Hilfen vom Land: „Für soziale Vereine muss jetzt endlich Hilfe kommen“, fordert der Geschäftsführer.

Lebenshilfe betreibt sechs Kitas

Der Verein Lebenshilfe betreibt in Duisburg sechs Kitas und Familienzentren. Außerdem eine Logopädie-Praxis und ein Autismus-Therapie-Zentrum. Hinzu kommen das ambulant betreute Wohnen, heilpädagogische Frühförderung, Beratungsstellen sowie Freizeit- und Bildungsangebote für Menschen mit geistigen, körperlichen oder seelischen Behinderungen.

Insgesamt arbeiten fast 400 Mitarbeiter für die Lebenshilfe. Mehr Informationen zu dem Verein gibt’s auf www.lebenshilfe-duisburg.de.