Duisburg. Desinfektionsmittel sind ausverkauft, Mehlregale leer: In Duisburg fürchten Kunden die Folgen des Coronavirus. Viele Händler verstehen das nicht.

Aus Angst vor den Folgen des Coronavirus haben Bürger in Duisburg voriges Wochenende besonders viel eingekauft: In vielen Supermärkten und Discountern waren am Montag Nudeln, Mehl, H-Milch und Seife knapp. Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken waren vielerorts ausverkauft. Auch die Duisburger befürchten, dass sie in den Supermärkten bald nichts mehr bekommen und ihre Wohnung nicht mehr verlassen dürfen. Die Mitarbeiter der Läden verstehen das nicht – und warten entspannt auf die nächste Warenlieferung.

Bei Rewe in Duissern bunkerten die Menschen vor allem günstige haltbare Nahrungsmittel. „Vom Billigen das Billigste“, sagt die Filialleiterin von Rewe, als sie vor dem halbleeren Nudelregal steht. Auch Konserven mit Gemüse kauften die Kunden hier viel. Fleisch eher weniger.

„Freitag haben wir die Regale vollgeknallt, heute ist fast alles leer“, sagt sie. Schon den ganzen Montagvormittag haben Kunden die Filialleiterin angerufen, um zu fragen, welche Lebensmittel noch da sind. Etwa 30 Flaschen mit Desinfektionsmittel wurden der Filiale am Freitag geliefert. Ein paar Stunden später waren sie ausverkauft. Schlimm sei das vor allem für Kranke, die auf das Desinfektionsmittel wirklich angewiesen seien, sagt sie.

Hamsterkäufe wegen Coronavirus in Duisburg: viele Supermarkt-Regale leer

Die Reaktionen der Kunden findet die Einzelhändlerin übertrieben. „Niemand hat gesagt, dass alle in der Wohnung bleiben sollen oder dass Essen knapp wird.“ Sie hat gehört, dass Menschen für wenig Geld Desinfektionsmittel kauften und bei „Ebay für 100 Euro“ verkauften.

Dass Duisburg abgeriegelt wird, wie es mit Städten in China oder Italien passierte, kann sie sich nicht vorstellen. „In Deutschland geht das nicht – wir müssen ja arbeiten“, sagt sie und lacht.

Kunden aus allen Gesellschaftsschichten und in jedem Alter neigten zu Hamsterkäufen bei Rewe in Duissern. „Alt, jung, Männer, Frauen, arm, reich“, sagt die Filialleiterin.

„Die Leute haben uns regelrecht geplündert.“

Eine Mitarbeiterin bei Edeka in Neudorf, die für die Gemüseabteilung zuständig ist, kommt zu einem ähnlichen Urteil. Die Kunden fragten besonders haltbare Lebensmittel nach, aber auch etwas mehr Gemüse. Auf die Frage, wer besonders viel einkauft, sagt sie: „Quer durch den Garten.“ Niemand bestimmtes.

Ein anderer Mitarbeiter im selben Supermarkt erzählt: „Die Leute haben uns regelrecht geplündert.“ Er kann das nicht nachvollziehen. „Das ist Angstmacherei. Corona ist ja behandelbar“, sagt er. Und eine andere sagt über die Hamsterkäufer: „Wie die Irren, geistesgestört!“

Eine ähnliche Erfahrung haben auch Mitarbeiter bei Rossmann in der Duisburger Innenstadt gemacht. Eine Mitarbeiterin sagt: „Wir haben Freitag eine Lieferung mit Desinfektionsmitteln bekommen, nach zwei Stunden war alles weg.“ Für sie war das Ausdruck einer „Massenpanik: Die Kunden haben teilweise kein Verständnis dafür, dass wir nicht mehr Desinfektionsmittel haben.“ Die Klagen hört sie sich nicht mehr an: „Das geht hier rein und da raus“, sagt sie gestikulierend.

Einzelhandel: „Es drohen keine Engpässe“

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Unterdessen betont der Einzelhandel, dass keine Engpässe drohen: Lieferstrukturen seien „effizient“. Die Versorgung der Bevölkerung sei gewährleistet, sagte ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland der Deutschen Presse Agentur (dpa).

„In meinen Augen ist das verrückt“, sagt im Netto in der Innenstadt Filialleiter Kani. Auch dort haben Kunden „unnormal viel“ eingekauft, besonders: Gemüse in Konserven, Mehl, Zucker und Nudeln. Freitag waren dort innerhalb kurzer Zeit alle Desinfektionsmittel ausverkauft.

„Ich bin ein Kriegskind“, sagt Kani. Er ist 1988 im Irak geboren. Seine Eltern führten ein Computergeschäft. Weil er und seine Familie Christen sind, zerstörten radikale Islamisten das Geschäft, in dem auch Kani arbeitete. Dann ist er 2009 nach Deutschland geflüchtet: „Wenn man so ein Leid gesehen hat, ist die Panik um Corona lächerlich.“

Biomarkt Neudorf: „50 Prozent mehr verkauft“

Gegenüber vom Duisburger Hauptbahnhof leitet Herr Lam einen Asia-Supermarkt, den er von seinen Eltern übernommen hat. Für ihn waren die letzten Tage „wie das Weihnachtsgeschäft“. Er deutet auf die leeren Regale. Es fehlen vor allem Reis, Nudeln und Konserven. Er bewertet das zwiegespalten. Auf der einen Seite steigere es den Umsatz, auf der anderen sieht er es als „Panikmache“.

Im Supermarkt Pro Biomarkt in Neudorf steht am Montag noch ein einziges Hygiene-Spray im Regal. 250 Milliliter für 6,79 Euro. Eine Verkäuferin berichtet: „Wir haben hier 50 Prozent mehr verkauft, nicht nur haltbare Lebensmittel und Hygienesachen, auch frische Ware.“

Bei Kodi in der Innenstadt – ein ähnliches Bild, Desinfektionstücher sind ausverkauft. Die Frau an der Kasse findet das „Wahnsinn“. Sie glaubt nicht, dass das Coronavirus bis in ihren Laden kommt: „Und wenn, dann ist das halt so.“ Sie selbst ist lungenkrank: COPD und Asthma. Trotz der Aufregung um das Virus bleibt sie gelassen: „Wenn’s danach geht, darfst du ja gar nichts mehr machen.“