Duisburg. Weil ihr Gehalt zum Leben nicht reicht, haben über 10.000 Duisburger einen Zweitjob – besonders oft in der Gastronomie. Sorgen bei Gewerkschaft.
Immer mehr Menschen in Duisburg sind auf einen Zweitjob angewiesen: Nach Angaben der Agentur für Arbeit haben 10.900 Duisburger neben ihrer regulären Stelle noch einen Minijob, um über die Runden zu kommen. Besonders verbreitet ist die Arbeit neben einer „normalen“ Stelle im Gastro- und Hotelbereich. Die Gewerkschaft schlägt auch mit Blick auf die Alterssicherung Alarm.
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Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat die Zahlen der Arbeitsagentur analysiert: In der Branche gab es im Juni 2019 knapp 1.400 Zweitjobber – das sind 57 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. „Wer auf einen Zweitjob angewiesen ist, der arbeitet meist am Limit – auf Kosten von Familie, Freunden und Freizeit“, sagt der NGG-Vorsitzende für den Bereich Nordrhein Hans-Jürgen Hufer. Das sieht zumeist so aus: Der Arbeitnehmer arbeitet von Montag bis Freitag in seinem Hauptjob. An den Abenden und am Wochenende kommt dann kellnern in der Kneipe oder im Restaurant, der Job im Hotel oder auch die Arbeit in der Systemgastronomie dazu.
Duisburg: Gastronomie fehlt der Nachwuchs, Zweitjobber werden eingesetzt
Und dort sind die Aushilfskräfte gerngesehen, denn: Der Branche fehlt der Nachwuchs. Viele Stellen sind unbesetzt. „Die Arbeit ist hart, die Zeiten nicht familienfreundlich und der Lohn gering“, berichtet Gewerkschaftssekretär Andreas Singendonk. Was kann die Lösung für das Problem sein? „Eigentlich nur eine bessere Bezahlung“, so Singendonk. Fachkräfte gewinne man nur mit ordentlichen Löhnen – „so hoch, dass die Beschäftigten keinen Zweitjob mehr brauchen“, ergänzt Hans-Jürgen Hufer. Eine Lehre im Gastgewerbe komme für die Schulabgänger nur infrage, wenn der Lohn und die Ausbildungsbedingungen stimmen würden..
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Derzeit verhandelt die Gewerkschaft mit Systemgastronomen wie McDonalds, Vapiano und Nordsee über eine Lohnerhöhung. Die Forderung der Gewerkschaft: Statt dem Mindestlohn von 9,35 Euro sollen die Beschäftigten in der Branche künftig mindestens zwölf Euro pro Stunde bekommen. Sie nennt das „armutsfeste Löhne“.
Zum Hintergrund: Die Branche beschäftigt bundesweit rund 120.000 Menschen in 3.000 Restaurants und Cafés. Bei den großen Fast-Food-Ketten arbeiten neben Studenten und Zweitjobbern auch Hauptberufler. „Wie sollen die sich etwas für die Altersvorsorge zurücklegen. Im Gegensatz zum Kellner im Restaurant gibt es hier auch kein Trinkgeld“, erklärt Singendonk. Die Folge: Die Beschäftigen seien im Alter dann auf staatliche Hilfe angewiesen.
Zweitjob-Misere: Gewerkschaft sieht Politik am Zug
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sieht beim Weg aus der Zweitjob-Misere nun die Politik am Zug: Die Zunahme der Zweitjobs sei auch das Ergebnis einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik der Nullerjahre. Nun müsse eine Reform her: Der Gewerkschaftsvorsitzende Hufer schlägt vor: „Mit einer Reform könnte die Bundesregierung Minijobs voll in die Sozialversicherung einbeziehen. Allerdings sollten die Arbeitgeber den größten Teil der Beiträge zahlen. Das macht reguläre Stellenattraktiver und verschafft den Minijobbern heute eine bessere Absicherung.“
Deutlicher Anstieg seit 2017
Kritik an der wachsenden Zahl von Minijobs in der Gastronomie ist bereits in den vergangenen Jahren laut geworden. Bereits 2017 wies die NGG-Nordrhein auf einen „alarmierenden Trend“ hin.
Damals war in Duisburg jeder 17. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ein Nebenjob. Im Gastgewerbe wurden seinerzeit 1020 geringfügig Beschäftigte registriert. Diese Zahl ist in den vergangenen beiden Jahren in der Stadt nun noch einmal um 37 Prozent gestiegen.