Duisburg. Comedian Abdelkarim spricht über die neue „Endlich Klartext“-Staffel auf RTLZWEI, Politiker wie den Duisburger Banaszak und einen Lieblingskiosk.
Abdelkarim ist als Stand-up-Comedian einem breiten Fernsehpublikum bekannt. Der 38-jährige Sohn marokkanischer Einwanderer, der seit 2011 in Duisburg lebt, hat vor zweieinhalb Jahren aber auch mit der Reihe „Endlich Klartext“ auf RTLZWEI für Furore gesorgt. Dabei bringt Abdelkarim Politiker mit Menschen zusammen, die Tag für Tag sämtliche Auswirkungen der politischen Entscheidungen spüren. 2018 gab’s dafür sogar den Deutschen Fernsehpreis in der Sparte Information. Die zweite Staffel startet am Dienstag, 18. Februar, um 22.15 Uhr.
Gleich in der ersten Folge kommt auch der Duisburger Felix Banaszak, Chef der Grünen in NRW, auf den Prüfstand. Ein Gespräch mit Abdelkarim über den Politiker-Check, Comedy, Kabarett – und seinen Lieblingskiosk in Neudorf.
Mal ganz ehrlich: Was haben Sie gedacht, als die Anfrage für ein politisches Format auf RTLZWEI kam?
Ich hab gedacht: Eine Politsendung auf RTLZWEI und dann noch ein Marokkaner als Moderator – das muss Verzweiflung sein. Freunde haben mir unabhängig voneinander davon abgeraten, weil RTLZWEI bei vielen in einer Schublade steckt. Ich hatte ja selber am Anfang die Befürchtung, dass es Scripted Reality ist, eine Fake-Doku werden soll. Aber schon nach dem ersten Gespräch mit dem Produktionsteam und dem Sender war klar, dass es ganz anders laufen wird. Alle Beteiligten hatten Bock auf eine entspannte, aber gleichzeitig seriöse Sendung.
Was ist für Sie das Reizvolle an „Endlich Klartext“?
Ich finde es richtig super, dass es eine Sendung ist, die man eben nicht auf RTLZWEI erwarten würde, aber auch nicht bei anderen Sendern. Außerdem ist die Sendung auch für Menschen verständlich, die nicht jeden Tag die FAZ, den Spiegel oder die Süddeutsche lesen. Das ist eine sehr große Gruppe in Deutschland, zu der ich auch gehöre. Und ich find es spannend, dass Politiker kein Heimspiel haben, sondern sich im Alltag stellen müssen. Die Menschen, mit denen sie konfrontiert werden, lassen nicht locker und drängen auf die Lösung ihrer Probleme. Die Politiker müssen sich dann auch mal eingestehen, dass die eine oder andere Regelung am wahren Leben vorbeiläuft.
Wie würden Sie ihre Rolle beschreiben?
Ich versuche, an den richtigen Stellen einzugreifen, nachzuhaken, aber das Gespräch auch mal laufen zu lassen. Am Anfang war es schon schwierig, da die goldene Mitte zu finden. Ich bin zwar politisch interessiert, aber kein Polit-Profi. Ich vertrete den durchschnittlichen Zuschauer, der nicht jeden Tag mit Politik zu tun hat. Einige Zusammenhänge und Fachwörter sind mir nicht sofort klar. Und da stelle ich zwischendurch eben auch mal ne Frage, wenn ich irgendwas nicht verstanden habe.
Waren Sie überrascht, dass hochkarätige Politiker wie Jens Spahn von der CDU oder Sahra Wagenknecht von den Linken gleich bei der ersten Staffel mitgemacht haben?
Wir hatten 2017 den Vorteil, dass wir kurz vor der Bundestagswahl standen. Es ging um Stimmen. Die Politiker waren also im Panikmodus. Sie wollten fast jede Chance nutzen, um sich zu präsentieren. Nachher haben sich aber alle gefreut, dass es bei „Endlich Klartext“ um die Sache geht und eben niemand bloßgestellt wird. Bei allen Meinungsverschiedenheiten, die es in der Sendung gibt, geht es nicht um Bürger vorführen oder Politikerbashing, sondern um die Sache.
In der zweiten Staffel sind Spahn und Wagenknecht sogar noch mal dabei und auch der Duisburger Felix Banaszak von den Grünen. Sie wohnen in derselben Stadt. Kannten Sie sich eigentlich vorher?
Nein, ich habe alle Politiker und Bürger erst im Rahmen der Sendung kennengelernt.
Banaszak bekommt unter anderem die Aufgabe, mit 4,77 Euro, dem Hartz-IV-Tagessatz für Lebensmittel, regionale Produkte auf einem Stuttgarter Wochenmarkt zu kaufen. Welchen Eindruck hat er bei Ihnen hinterlassen?
Er wirkte auf mich sehr reflektiert, nachdenklich und motiviert. Er konnte sich gut in die Lage der Betroffenen hineinversetzen und hat auch Dinge angesprochen, die bei den Grünen nach seiner Meinung falsch laufen. Mehr möchte ich jetzt nicht verraten, aber ich fand das schon beeindruckend.
Hat sich ihr Bild von Politikern durch dieses TV-Format verändert?
Gute Frage. Es ist erst einmal cool, dass bisher so viele Politiker mitgemacht haben. Fast alle fand ich im Rahmen der Dreharbeiten sympathisch – bis auf Leif-Erik Holm von der AfD aus der ersten Staffel. Er war zwar gesprächsbereit, was ja erst einmal schön ist. Aber ich fand’s sehr komisch, dass er einfach zu keiner einzigen Aussage seiner Partei gestanden hat. Ich hab übrigens schon immer geahnt, dass PolitikerIn kein einfacher Beruf ist, aber dieser Eindruck hat sich durch die Gespräche mit den anderen Politikern weiter verstärkt. Demokratie ist nicht einfach. Es ist ein ständiges Abwägen und Argumentieren. Und nur so hat man eine Chance auf gute Lösungen.
Apropos AfD. Die Partei ist nicht nur durch die Ereignisse rund um die Thüringen-Wahl im Aufwind. Glauben Sie, dass die AfD die sogenannte politische Mitte weiter nach rechts verschiebt?
Ich hoffe nicht. Und ich gehe davon aus, dass die meisten AfD-Wähler keine Rassisten sind, aber ich gebe zu, dass mir langsam die Argumente ausgehen. AfD-Wähler können wir nur mit Argumenten wieder für die Demokratie zurückgewinnen. Das braucht Zeit und ist nicht leicht, weil die AfD auf einfache Parolen setzt und einfache Lösungen verspricht. Aber wer in einem Land mit über 80 Millionen Einwohnern immer einfache Lösungen verspricht, der ist an Lösungen nicht interessiert.
Sie sind Duisburger, haben einen marokkanischen Pass: Wie wirken sich solche politischen Entwicklungen konkret auf ihren Alltag aus?
Vorurteile sind schon stärker zu spüren. Das hat aber weniger mit dem Pass zu tun, sondern vor allem mit meinem Aussehen. Ich bin ja Deutscher mit Einwanderungsoptik. Im Zug hat mal eine ältere Dame, als sie mich gesehen hat, die Trageriemen ihrer Handtasche acht Mal um ihr Handgelenk gewickelt. Ich fand ihr Tempo sehr beeindruckend. Polizeikontrollen, verdachtsunabhängige, stichprobenartige Ausländerkontrollen gehören zum Standard – vor allem, wenn ich in Bayern bin. Da sind Polizeikontrollen schon eine Art Begrüßungskomitee. Aber da sind auch lustige Geschichten dabei. Ich erinnere mich an einen Polizisten am Münchener Hauptbahnhof. Der musterte mich lange. Irgendwann kam er auf mich zu und sagte: „Ich war mir jetzt unsicher: Kenn’ ich Sie aus dem Fernsehen oder hatten wir beruflich schon mal miteinander zu tun?“ Es gibt im Alltag schon eine gewisse angespannte Grundstimmung und im Internet ist gefühlt der vierte Weltkrieg ausgebrochen. Bei einigen Leuten habe ich den Eindruck, dass sie sich aus Prinzip streiten wollen. Versteh ich nicht.
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Bekommen Sie Hassmails oder Drohungen?
Drohmails bekomme ich zum Glück nicht. Es gibt immer mal wieder negative Kommentare in den Sozialen Medien, aber das lese ich nicht, könnte einen unnötig runterziehen. Über schöne Kommentare freue ich mich, aber da besteht dann die Gefahr, dass man irgendwann durchdreht und glaubt, man ist der Geilste. Ich mag vor allem das direkte Feedback der Zuschauer, wenn ich auf der Bühne stehe.
Sie sind seit 2017 mit ihrem Programm „Staatsfreund Nr. 1“ auf Tour. Bauen Sie da aktuelle Themen ein?
Ja, ich lerne mein Programm nie auswendig und es wird ständig durch aktuelle Themen und Erlebnisse erweitert. Oft merke ich erst Wochen später, dass ich eine Passage gar nicht mehr mache, weil sie schleichend von einer neuen Nummer verdrängt wurde. Aber aktuell wird das Programm nicht mehr erweitert, weil ich alle neuen Sachen in mein neues Programm bringe. Das kommt im Herbst. Es gibt noch keinen Titel. Es wird um die lustigen, interessanten und absurden Geschichten aus meinem Alltag gehen. Da ist dann von Klamauk bis Kabarett alles dabei.
Fühlen Sie sich eher als Comedian oder als Kabarettist?
Ich bin beides. Wenn ich gefragt werde, sage ich aber Comedian. Das war schon mein Traumjob als Kind. Da war ich immer der Klassenclown. Jura wollte ich studieren. Das Studium habe ich dann aber für die Comedy abgebrochen. Fußballprofi war auch ein Traum. Spätestens ab der ersten Klasse war mir allerdings klar, dass das nix wird. Fußballfan bin ich aber immer noch. Man darf ja nie ganz loslassen.
Sie sind in Bielefeld geboren, leben seit einigen Jahren in Duisburg. Also: Arminia oder MSV?
Ich drücke der Armina die Daumen, finde den MSV auch cool, war aber leider noch nicht im Stadion.
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Warum hat es Sie überhaupt nach Duisburg gezogen?
Da gibt es eine familiäre Verbundenheit. Ich war schon als Kind oft hier. Mein Cousin kommt aus Meiderich. Ich selber wohne in Neudorf, weil ich viel mit dem Zug unterwegs bin. Neudorf ist nicht weit vom Hauptbahnhof, passt also.
Was sind die größten Unterschiede zwischen Bielefeld und Duisburg?
In Bielefeld muss man sich eine Woche kennen, um überhaupt erst mal den Namen herauszufinden. In Duisburg sind die Menschen viel direkter und offener. Da bekommt man gleich am Anfang sämtliche Arztdiagnosen mitgeteilt. Duisburg ist mehr multikulti und hat auf jeden Fall mehr Trinkhallen. Ich hab einen Stammkiosk in Neudorf.
Und da sind Sie häufiger?
Ja, zum Beispiel, wenn ich nachts von Auftritten nach Hause komme. Dann kann ich eh nicht sofort schlafen. Der Kiosk hat lange geöffnet. Dort habe ich neulich frühmorgens auch auf den ganz großen Sturm gewartet – erst zusammen mit mehreren Kunden. Am Ende stand ich mit einem Mann in einer Unterführung, den ich gar nicht kannte. Wir waren beide irgendwie ein wenig vom Sturm enttäuscht, haben uns aber nett unterhalten.