Duisburg. Die junge Dirigentin leitet die Duisburg-Premiere der Gounod-Oper „Romeo et Juliette“ am 1. Februar. Sie wäre fast Tennisspielerin geworden.

Ihre Bewegungen sind groß und raumgreifend, ihr Mund formt Worte, ohne sie auszusprechen: Marie Jacquot steht vor den Duisburger Philharmonikern und führt auf der Bühne den Chor der Rheinoper. Probe zu Charles Gounods Romeo-und-Julia-Oper, die am Samstag, 1. Februar, um 19.30 Uhr Premiere im Stadttheater hat.

Die Akkorde sitzen präzis, Stimmen und Orchester sind im Einklang. Nachher im Gespräch schwärmt die junge Dirigentin von „Roméo et Juliette“, mit der Gounod zehn Jahre nach dem Welterfolg „Faust“ seine musikalische Sprache „meisterhaft umgesetzt“ hat. Marie Jacquot, die Französin, in der Nähe von Chartres aufgewachsen, in Paris und vor allem in Wien ausgebildet, sieht diese Version des unsterblichen Romeo-und-Julia-Stoffes nahe an der deutschen Romantik.

Als erste Frau ist Marie Jacquot Erster Kapellmeister an der Rheinoper

Sie singt ein paar Töne vor. Und tatsächlich: Die Melodie über dem Tremolo des Orchesters erinnert stark an Wagners „Fliegenden Holländer“. An anderer Stelle ist der „Freischütz“ zu entdecken. Aber alles leicht und elegant: „Den Charme, den Duft, den muss man in die Musik bringen, sonst wird das Stück sehr pathetisch“, ist die noch nicht 30 Jahre alte Dirigentin überzeugt.

Marie Jacquot ist seit Herbst 2019 die erste Frau, die den Posten des Ersten Kapellmeisters an der Deutschen Oper am Rhein bekleidet. Ein Weg, der ihr nicht vorgezeichnet war. Als Kind hat sie sich zwar für die Posaune begeistert, ihr Schwerpunkt lag aber im Sport: Mit 15 war sie einer der besten Nachwuchs-Tennisspielerinnen in Frankreich. Aber der rücksichtslose Konkurrenzkampf schreckte sie ab.

Fürs Dirigieren musste sie auf die Posaune verzichten

Zum Dirigieren kam sie über ihren musikalischen Mentor: „Das war ein toller Mensch, der mich begeistert hat.“ Dann kamen der große Schritt nach Wien und das Dirigierstudium, für das sie auf die Posaune verzichten musste. „Schade, denn heute vermisse ich es, das Instrument zu spielen“, bekennt Marie Jacquot. Es folgte eine Station in Weimar, dazu Meisterkurse bei Größen wie Sir Simon Rattle oder Zubin Mehta. Eine tolle Chance ergab sich für die junge Dirigentin, als sie Ende 2015 als Assistentin von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoperdie neue Oper „South Pole“ von Miroslav Srnka einstudieren konnte. Hans Neuenfels war der Regisseur.

In der Inszenierung von Philipp Westerbarkei sangen in Düsseldorf Ovidiu Purcel den Roméo und Luiza Fatyol Juliette.
In der Inszenierung von Philipp Westerbarkei sangen in Düsseldorf Ovidiu Purcel den Roméo und Luiza Fatyol Juliette. © Hans Jörg Michel l

Marie Jacquot schätzt die Zusammenarbeit mit Regisseuren. Sie ist keine der Pultstars, die sich nur um die Bühne kümmern, wenn sie etwas dort oben stört. „Von Anfang an hat mich das Szenische extrem interessiert. Die Musik drückt doch so viel aus, was der Text nicht sagen kann. Ich möchte den Sängern helfen, mit der Regie umzugehen, und ich suche den Austausch.“

Am Mainfrankentheater in Würzburg dirigierte sie sich durchs Repertoire

An ihrem neuen Haus, der Rheinoper, schätzt sie, dass die Kommunikation gelingt: „Ich bin höchst glücklich über die Wertschätzung hier. Man achtet darauf, dass alle gehört werden.“ Eine Erfahrung, die sie nicht überall machen konnte. Operndirigentin ist Marie Jacquot mit Leib und Seele. „In die Oper bringe ich als Dirigentin Impulse und Begeisterung, ich führe eine ganze Gruppe von Menschen über sich selbst hinaus.“ Wenn sie das sagt, leuchten ihre Augen. „Es ist der Sinn unseres Berufs, Oper zu dirigieren“, spitzt sie zu. Und die Flexibilität, Sänger zu begleiten, sei „das Schwierigste überhaupt“.

In ihrem ersten Engagement als Erste Kapellmeisterin am Mainfrankentheater Würzburg hatte sie dazu reichlich Gelegenheit: Von Verdis „Nabucco“ über Meyerbeers „Les Huguenots“ bis zur Offenbach-Operette „Die schöne Helena“ dirigierte sie sich durchs Repertoire. Diese drei Jahre waren entscheidend für sie, bevor sie den Sprung an ein großes Haus wagen wollte: „In Würzburg durfte ich alle Fehler machen, die ich mir in Düsseldorf nicht leisten könnte. Junge Dirigenten sollten nicht zu früh an ein großes Haus kommen. Erfahrungen sind sehr wichtig auf dem Weg zur Oper.“

Optionen für die Zukunft? Marie Jacquot hat zunächst einen Vertrag bis Sommer 2021. „Ich sehe die Gegenwart, bin glücklich, dass ich hier angekommen bin. In Würzburg konnte ich meine Leidenschaft zum Beruf machen. Alles Weitere ist ein Geschenk.“ Ihr Wunsch: „Weiterhin Freude am Musizieren“.