Duisburg. Der Leiter des Filmforums am Duisburger Dellplatz geht in den Ruhestand. Kai Gottlob spricht im Interview auch von einem Huhn, das ein Ei legte.
Nach 35 Jahren geht Kai Gottlob (63) als Leiter des Filmforums in den Ruhestand. Das erste Kommunale Kino in Deutschland war 1970 gegründet worden, nachdem 1969 der damalige Kulturausschussvorsitzende Josef Krings in einer Ratssitzung das aktuelle Kinoprogramm aus der Tageszeitung vorgelesen hatte; es reichte vom „Schulmädchenreport“ bis zum „Lümmel aus der ersten Reihe“. Gründungsleiter des Filmforum-Vorläufers „Studio M“ in der Mercatorhalle war Horst Schäfer (bis 1977), auf ihn folgten Angela Haardt und Claus Strobel. 1981 wurde das Filmforum am Dellplatz eröffnet. Kai Gottlob blickt im Gespräch zurück auf eine Erfolgsgeschichte.
Herr Gottlob, Sie sind in Duisburg „Mister Filmforum“. Was haben Sie im Leben davor gemacht?
Ich war mal Schüler im Clauberg-Gymnasium in Hamborn, habe von da aus ein Praktikum bei Thyssen unter anderem in der Werksfotografie gemacht. Ich war dem Film schon in der Kindheit verbunden, weil mein Vater Amateurfilmer war und ich auch mal die Kamera haben durfte. Ich hatte im Keller ein Kino mit vier Sitzplätzen und habe Vorführungen für meinen Spielkameraden gemacht – eigentlich mit Eintritt, aber niemand hatte Geld.
Es gab also eine frühe Zuneigung zum bewegten Bild?
Das Medium war mir schon immer nahe. Ich habe Design studiert. An der Folkwang-Uni stand einer der ersten Videorekorder. Ich habe für meine Examensarbeit viel mit dem Medium Film gearbeitet. Dann habe ich noch zwei Semester Trickfilm angehängt. Und parallel immer Musik gemacht, war mit meiner Band viel unterwegs. Nach dem Studium habe ich freiberuflich als Designer gearbeitet und auch für die Stadt Entwürfe gemacht. Ich lernte Konrad Schilling kennen, der fragte, ob ich nicht den Ratskeller Hamborn leiten wollte.
Sie wollten?
Ja, das fiel mir leicht. Ich kannte aus dem Studium Künstler für Ausstellungen und die ganze Musikszene in Duisburg. Später habe ich angefangen, Videos zu zeigen und ein kleines Kino eingerichtet und Kinderkino gezeigt. Das habe ich drei Jahre gemacht und lief gut. Und dann rief mich der damalige VHS-Direktor Hans-Walter Schuster an und fragte, ob ich das Kommunale Kino übernehmen kann.
Das war dann schon nicht mehr in der Mercatorhalle, sondern am Dellplatz.
Ja, ich kannte das Studio M, das schon ‘73/’74 besuchte habe. Ich habe mir das Programm angeschaut und gesagt: Okay, kann man machen. Ich kannte mich aber im Verleihgeschäft nicht aus, da hat mir Angela Haardt sehr geholfen und mir das kleine Einmaleins beigebracht. Als sie nach New York tanzen ging, musste ich ins kalte Wasser, konnte aber schon schwimmen.
Wie war die Situation damals am Dellplatz, was wurde als erstes anders?
Zuerst haben wir die Programmstruktur verändert. Als ich anfing, gab es noch eine große Kinolandschaft in Duisburg: Gloria, Europaplast, Residenz mit jeweils mehreren Sälen, dazu das Programmkino im Averdunk-Zentrum, insofern musste man seinen Platz finden. Ich wollte Programm für eine breite Öffentlichkeit machen. Es sollten aber schon Filme sein, die tiefer in die Gedankenwelt eindringen. Und man sollte über die Filme reden können. Eine der ersten Maßnahmen war, das Café als Treffpunkt einzurichten. Es sah von außen noch alles ziemlich armselig aus, der letzte Kinobetreiber war Beate Uhse. Man musste viele Klinken putzen, weil es von der Stadt erstmal kein Geld gab. Die Stühle, die wir rausgestellt haben, hat das Ordnungsamt verboten.
Und innerhalb des Saals?
Der Ton war ganz schrecklich. Tontechniker, die ich kannte, haben erstmal neue Boxen und Verstärker reingehängt. Anfangs gab es Holzsitze, Ende der 80er Jahre hat die Stadt dann neue Stühle spendiert, damit man weich sitzen konnte. So haben wir uns immer vorgearbeitet. Wir hatten in den 90er Jahren einen sehr engagierten Vorführer, der auf dem Gebrauchtmarkt zugeschlagen und so nach und nach die ganze Technik erneuert hat.
Und wie wurde die Programmstruktur verändert?
Anfangs gab es sechs Vorstellungen die Woche, heute sind des 36 plus Vormittagsvorstellungen für Schulklassen. Der große Schnitt war, als das erste Multiplex nach Duisburg kam. Die großen Kinos schlossen, leider auch das Programmkino, und die Verleiher suchten neue Kooperationspartner. Wir haben die Sparte Arthouse-Kino aufgegriffen. Es gab dann ein Landesprogramm, wie die Innenstädte attraktiver zu gestalten wären und Duisburg bekam Geld, so dass wir einen zweiten Saal einrichten konnten.
Wie viele Besucher gibt es pro Jahr?
80.000 bis 85.000 am Dellplatz inklusive Schulklassen.
Ein wichtiges Angebot ist auch das Kinderkino.
Dazu muss man wissen, dass wir erst seit 2003 GmbH sind, vorher waren wir Teil der Volkshochschule und konnten wir uns nicht an Menschen unterhalb des ersten Bildungsabschnitts wenden. Kinder waren eigentlich ausgenommen. Kinderkinos gibt es zwar viele, aber wir betreuen jede Veranstaltung medienpädagogisch. Es gibt spielerische Begleitprogramme, schauen in die Technik, Schauspieler sind da oder Filmtiere. Wir hatten mal ein Filmhuhn hier, das hat sogar auf der Bühne ein Ei gelegt. Wir wollen Kinder begeistern, aber das Medium für sie auch entschlüsseln. Und bei den Schulkinowochen NRW gehören wir immer zu den Top 3 bei den Besucherzahlen.
Ein ganz anderer Schwerpunkt sind die historischen Filme, die Sie besonders pflegen aus der filmhistorischen Sammlung pflegen. Wie ist das entstanden?
Das hat schon im Ratskeller Hamborn angefangen mit Seniorenangeboten, es gab viel Tanz, ich wollte aber noch mehr Programm. Ich habe dann im Stadtarchiv einen kleinen Schatz an alten Filmen entdeckt und in Hamborn gezeigt. Das waren sehr emotionale Momente. Und da habe ich gedacht: Da steckt viel mehr drin. Als wir GmbH wurden, haben wir die Sammlung übernommen und immens ausbauen können. Wir haben über 200 stadthistorische Filme ab den zehner Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Das ist ein ganz besonderen Schatz, auf den zum Beispiel auch die Stadtarchäologie zurück greift. Auch viele große Sender für ihre historischen Dokumentationen fragen uns an. Das bietet uns auch Möglichkeiten zur Vermarktung. Wir müssen ja darauf achten, unser Geld zu verdienen. Wir machen so 1,7 Millionen Umsatz im Jahr, anfangs waren es 50.000 bis 60.000 DM.
Zum wirtschaftlichen Erfolg hat ja auch das Sommerkino beigetragen, aber auch das hat klein angefangen.
Es hat mit einem Desaster angefangen. Wir hatten wie berauscht von der Örtlichkeit in den Landschaftspark eingeladen. Im ersten Jahr gab es ein paar Regengüsse und die Leute sind geflüchtet. Wir haben in der ersten Saison 1996 so 1700 Besucher gehabt. Mein damaliger Chef der VHS hat gesagt: Nie mehr wieder. Es war ein totales Minusgeschäft. Aber dann kam der Park und hat eine Ausfallbürgschaft übernommen. Und im zweiten Jahr lief’s sofort – auch noch ohne Dach, wir hatten Regencapes angeschafft. Mit dem Dach kam der endgültige Durchbruch, es gab mehr Besucher, mehr Sponsoren, das ist eine Erfolgsstory geworden. Inzwischen sind es 45.000 Besucher pro Jahr.
Wenn Sie noch fünf Jahre bleiben würden, was müsste in Angriff genommen werden?
Das Sommerkino ist über Sponsoren gut abgesichert für die nächsten Jahre. Mein Fokus liegt auf dem Dellplatz, es gibt einiges an Renovierungsbedarf etwa im großen Saal, energetisch muss was passieren, auch die Technik muss auf dem neuesten Stand bleiben. Und wir könnten immer noch sehr, sehr gut einen dritten Saal brauchen, weil wir dann viel effizienter unsere Angebote auswerten könnten. Der fehlt uns wirklich und ist auf Dauer fürs Überleben wichtig.