Duisburg-Rheinhausen. Was machen eigentlich die Aleviten? Ein Besuch bei der großen Rheinhauser Religionsgemeinschaft, über die nur wenige etwas wissen.
Was wissen wir eigentlich über die Aleviten? Eine Blitzumfrage im Bekanntenkreis reicht von „Ale-was?“ über „Das ist doch eine türkische Religionsgemeinschaft“ bis hin zur Mutmaßung „Ich glaube, die sind besonders konservativ“. Es lebe das Vorurteil. Dagegen gibt es ein Rezept: einfach mal hingehen und schauen, was die Alevitische Gemeinde Duisburg, die mit mehr als 450 Mitgliedern eine der ältesten und größten in Deutschland ist, eigentlich so macht. Dazu gab es in dieser Woche reichlich Gelegenheit, denn die Glaubensgemeinschaft feiert vom 11. bis zum 15. Dezember 30-jähriges Jubiläum im Gemeindezentrum in Rheinhausen. Hier gibt es mehr Artikel aus dem Duisburger Westen
Auf der Friedrich-Alfred-Straße knubbeln sich am Mittwoch um kurz vor 17 Uhr die Autos auf der Suche nach freien Parkplätzen. Da scheint ordentlich was los zu sein im Gebäude mit der Hausnummer 182, das früher mal die Krupp-Kantine war und 1996 von den Aleviten gekauft wurde. Schlange stehen ist auch an diesem späten Nachmittag angesagt. Allerdings nicht zur Essensausgabe, sondern zur Begrüßungszeremonie. Zur Auftaktveranstaltung der Festwoche haben die Vorsitzenden der Alevitischen Gemeinde alle Hände voll zu tun. Das darf wörtlich genommen werden, denn Fatma Yasar und Zeki Cakir reichen jedem Gast am Eingang persönlich die Hand. Sie tun das als Duo. Seit 2013 wird die Gemeinde als Doppelspitze geführt – ein Mann und eine Frau, als Zeichen der Gleichberechtigung und der modernen und offenen Haltung der Aleviten. So viel zur Spekulation, dass es sich hier um eine „besonders konservative“ Religionsgemeinschaft handeln könnte.
Wer den Blick durch den Saal schweifen lässt, stellt fest: Hier trägt kaum jemand Kopftuch. Es ist eine bunte, fröhliche und auffallend herzliche Runde, die sich versammelt hat, um gemeinsam zu feiern. Mittendrin sitzen Vertreter von Vereinen, der Rheinhauser Politik und Oberbürgermeister Sören Link, der die Schirmherrschaft der Festwoche übernommen hat. Seine Botschaft am Mikrofon: „Die Alevitische Gemeinde ist ein wichtiger Teil der Vielfalt in unserer Stadt.“ Er lobt vor allem den „toleranten und weltoffenen Islam, die gelebte Integration und die starke Jugendarbeit.“
Rund 20.000 Aleviten in Duisburg
Geschätzte 20.000 Aleviten sollen in Duisburg leben. Genaue Zahlen gibt es nicht, da im Islam nicht nach Konfessionen unterschieden wird. Außerdem bekennen sich viele Aleviten nicht öffentlich zu ihrem Glauben. Bei der religiösen Minderheit hat sich die Unterdrückung und Verfolgung als geschichtliche Erfahrung tief im Bewusstsein verankert. So steht es in dem Buch „Alevitentum“, das zum 30-jährigen Jubiläum erschienen ist.
Die 450 Mitglieder der Rheinhauser Gemeinde stehen zu ihrer Religion, deren Werte sie der nächsten Generation vermitteln. Gut 100 von ihnen sind jünger als 25 Jahre. Das erzählt Kader Yasar am Mittwoch in ihrer selbstbewussten Rede. Sie ist Jugendbeauftragte und informiert darüber, wie die 1988 von Gastarbeitern und politischen Flüchtlingen gegründete Gemeinde die jungen Aleviten zu modernen und weltoffenen Menschen erzieht. Gleichzeitig wird die Tradition einer Religion bewahrt, die sich von anderen islamischen Richtungen vor allem dadurch unterscheidet, dass sie sich von religiösen Dogmen distanziert. In der Jugendarbeit stehen Bildung und Integration im Mittelpunkt.
Wie lebendig das Haus der Aleviten in Rheinhausen ist, wird bald noch sichtbarer sein. Denn die Gemeine braucht im 30. Jahr ihres Bestehens mehr Platz. Eine Aufstockung des Gebäudes ist schon in Planung. Es fehlen allerdings noch Parkmöglichkeiten. Praktisch, wenn ein Oberbürgermeister unter den Gästen ist. Der wurde an Ort und Stelle zu den Parkplätzen befragt und versprach, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.