Duisburg-Rheinhausen. Die Fotografin Herlinde Koelbl zeigt ihre jüdischen Porträts in Rheinhausen. Nach dem Anschlag von Halle ist ihr Werk wichtiger denn je.
Es sind Bilder des Grauens, die am diesjährigen jüdischen Feiertag Jom Kippur die Welt erschüttern: Ein Mann läuft bewaffnet durch Halle an der Saale. Er schießt gegen die Türe einer Synagoge. 80 Juden befinden sich in der Synagoge. Verzweifelt halten sie die Türe zu. Doch der Täter wirft Sprengstoff. Später ermordet er eine Frau auf offener Straße und bringt einen Mitarbeiter in einem Dönerimbiss um.
„Dieses hasserfüllte, mordende Handeln zeigt, wie beängstigend aktuell Antisemitismus ist und dass wir dagegen aufstehen müssen“, sagte Wolfgang Wallrich. Der Pfarrer, der sich im Ruhestand befindet und den viele aus seiner Arbeit in der evangelischen Gemeinde „Auf dem Wege“ kennen, sieht sich im Gemeinderaum um. Er schaut zu den Porträts. Die Personen auf den großformatigen Fotos erkennt man wieder. Sie sind Persönlichkeiten aus Politik und Kultur, aus der Medienwelt und der Forschung. Alle Porträtierten verbindet das Judentum.Hier gibt es mehr Artikel aus dem Duisburger Westen
Die Fotografin und Dokumentarfilmerin Herlinde Koelbl hat sie fotografiert. Bekannt wurde Koelbl durch ihren Bildband „Spuren der Macht“, in dem sie 15 Prominente porträtierte. Vor ihrer Fotolinse stand auch schon Bundeskanzlerin Angela Merkel. Koelbl setzt auf stilles, schlichtes Erzählen. Das wache Auge und der nachdenkliche Fingerzeig ans Kinn: Diese Momente hält Koelbl auch in der Reihe „Jüdische Porträts“ fest.
Sie haben die Nazizeit überlebt
Zu den Porträtierten gehört Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Entstanden sind die Bilder zwischen 1986 und 1989. Koelbl suchte jüdische Persönlichkeiten auf, die die Nazizeit überlebten. Der Begriff der Vertriebenen bekommt ein Gesicht. Neben den Porträts sind Interviews zu lesen. Der Soziologe Norbert Elias antwortet etwa auf Koelbls Frage nach seiner Heimat: „Ich bin, was ich bin – ein deutscher Jude.“
![Eine Besucherin spiegelt sich im Bild. Eine Besucherin spiegelt sich im Bild.](https://img.sparknews.funkemedien.de/227349263/227349263_1570959458_v16_9_1200.jpeg)
Im Foyer des Gemeindehauses steht das Porträt des Autors Robert Jungk. „Jeder Jude könnte meine Tante, mein Großvater oder Bruder sein“, sagte er im Interview mit Koelbl. Das Zusammenspiel aus Wort und Bild beeindruckt. Name, Berufsangabe, Geburts- und Sterbedatum sind erste Informationen. Die ausführliche Geschichte liest der Betrachter in den Augen und der Haltung.
Geige und Akkordeon
Dieses Einlassen auf die Kunst wurde am Samstag zur Ausstellungseröffnung vom Duo Tangoyim untermalt. Stefanie Hölzle und Daniel Marsch spielten jüdischen Klezmer. Auf der Geige und dem Akkordeon erzählten sie von der Bootsflucht aus Deutschland und vom Amerika der zwanziger Jahre. In Vorträgen lasen Rezitatoren aus Werken jüdischer Schriftsteller, wie etwa Hans Sahls „Die hellen Nächte“ und Taboris Theaterstück „Mutters Courage“. Mehr sei an dieser Stelle nicht über die Ausstellung verraten, nur so viel: Sie berührt, erinnert und setzt ein klares Zeichen der Menschlichkeit.
>>> ÖFFNUNGSZEITEN DER AUSSTELLUNG
Die Ausstellung „Jüdische Porträts“ ist bis Sonntag, 30. November, im evangelischen Gemeindehaus „Auf dem Wege“ an der Peschmannstraße 2 in Rheinhausen zu sehen.
An folgenden Terminen ist die Schau geöffnet: sonntags von 14 bis 18 Uhr, dienstags 16 bis 20 Uhr, mittwochs 16 bis 20 Uhr und samstags von 11 bis 20 Uhr. Wer eine Gruppenführung buchen möchte, kann sich bei Wolfgang Wallrich unter 0177/1917378 anmelden.