Duisburg. Aus den Innereien von Bakterien könnten künftig Computer-Prozessoren gebaut werden. Daran arbeiten Physiker der Universität Duisburg-Essen.
Ein Prozessor aus den Innereien von Bakterien, der bei gleicher Größe erheblich mehr Daten verarbeiten kann als sein konventionelles Pendant aus Silizium? Klingt unglaublich, ist es aber keine Science-Fiction. Wissenschaftler vom Center for Nanointegration (CENIDE) der Universität Duisburg-Essen (UDE) berichten im Fachmagazin Nature Communications über ihre Entdeckung magnetischer Schwingungen im Innern von bestimmten Bakterien. Sie könnten wegweisend sein für eine Alternative zu herkömmlichen Halbleitern.
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Das Innenleben dieser magnetotaktischen Bakterien, die sich in jedem Tümpel finden, stehen schon seit langem im Fokus der Wissenschaft: kleine magnetische Kügelchen mit nur 30 Nanometern Durchmesser, aufgereiht wie an einer Perlenschnur. „In der Natur dienen sie den Bakterien zur Orientierung entlang des Erdmagnetfelds“, erklärt Prof. Dr. Michael Winklhofer. Der Physiker, der 2015 von der UDE an die Uni Oldenburg wechselte, arbeitet mit Benjamin Zingsem aus der UDE-Arbeitsgruppe „Struktur und Magnetismus nanoskaliger Systeme“ zusammen.
Komplizierter Messaufbau mit Spezialantenne
„Wir wollten mehr über die magnetischen Schwingungseigenschaften der Magnetbakterien wissen“, erklärt Winklhofer. Dazu setzten sie die Einzeller verschieden starken Magnetfeldern aus unterschiedlichen Richtungen aus und erzeugten so magnetische Schwingungen (Magnonen) in den Partikeln. Die Herausforderung sei der Mess-Aufbau mit einer Spezialantenne zur gezielten Erzeugung der Schwingungen, erklärt Physiker Zingsem: „Das ist extrem schwierig.“
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Bei den Messungen fiel den Wissenschaftlern auf, dass Bakterien, denen ein bestimmtes Protein fehlt, gekrümmte und verästelte Ketten ausbilden, die wie logische Schaltungen wirken. „Durch Magnetschwingungen, die verschiedene Informationen tragen, ergibt sich in den Magnonen eine neue Schwingung, deren Information eine logische Verknüpfung der ursprünglichen Schwingungen ist“, erklärt Zingsem. Dieses Phänomen, in größeren Mikrosystemen erforscht, haben die CENIDE-Forscher nun erstmals in einem biologischen System auf Nano-Ebene erforscht.
Bakterien-Prozessor braucht keine Kühlung
Die Vorteile eines Prozessors auf Bakterien-Basis liegen für Physiker Zingsem auf der Hand: „Er arbeitet nicht mit Strom, muss also nicht gekühlt werden. Der Bau deutlich komplexerer Prozessoren, auf denen eine Million Mal mehr Schaltungen als bisher Platz finden, ist so möglich.“ Ein Rechner erreiche damit die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns. Weil die Bakterien überdies schnell wachsen und sich in beliebiger Zahl vermehren lassen, könnte sich eine umweltschädliche Halbleiterproduktion erübrigen: „Die Produktion wäre deutlich günstiger und nachhaltiger als bei der klassischen Technologie.“
Die bisherigen Forschungsergebnisse sind der erste Schritt zu einem Bio-Prozessor. „Es ist bislang ein Wissenschafts- kein Industriethema. Bauen können wir jetzt die Logik-Gatter, die Grundbausteine“, erklärt Benjamin Zingsem. Nun wollen sich die Wissenschaftler auf den Weg zu einem anwendungsreifen Produkt machen. „Wir arbeiten daran, derartige Systeme mit Daten zu füttern und die Ergebnisse verlässlich auszulesen“, so der 29-Jährige. Ihre Integration in konventionelle Elektronik sei demnach nur eine Frage der Zeit und der Mittel für die weitere Forschung. Ein realistisches Ziel für Benjamin Zingsem: „In drei bis vier Jahren wollen wir einen Prototyp bauen.“