Duisburg. Wenn ein Mensch todkrank ist, fühlen sich Angehörige oft hilflos. Der Palliativpflegedienst Medidoc gibt Tipps zur Pflege und zum Abschiednehmen.

An einer Blumenvase auf dem Boden lehnt „Abschied von Rune“ – ein Kinderbuchklassiker, der vom plötzlichen Tod des besten Freundes handelt. Im Kreis um die Vase herum sitzen 15 völlig verschiedene Menschen, die alle eines gemeinsamen haben: Auch sie müssen Abschied nehmen von einem geliebten Angehörigen, bald. Im „Letzte Hilfe“-Kurs der Medidoc GmbH lernen sie nicht nur, die Todgeweihten zu pflegen und zu begleiten, sondern auch, sich selbst auf den bevorstehenden Verlust vorzubereiten.

Zu Beginn des vierstündigen Kurses steht eine ganz einfache und doch schwierige Frage. Wo fängt Sterben eigentlich an? „Das kann jeder Mensch nur für sich selbst beantworten. Es kann der Moment sein, in dem die ersten Symptome der Krankheit auftauchen, für jemand anders ist es bereits der Moment der Geburt“, sagt Lisa Mundil, die den Kurs leitet. Sie und ihre Kollegin Gisela Pietzonka sind Palliativfachkräfte und erklären den Anwesenden mit einfühlsamen Worten, welche Vorsorgemöglichkeiten sie treffen und wie sie Angehörigen helfen können.

Nur ein Fünftel aller Patienten kann zu Hause sterben

Die beiden Palliativfachkräfte Lisa Mundil und Gisela Pietzonka beraten mit einfühlsamen Worten zum Thema Palliativpflege.
Die beiden Palliativfachkräfte Lisa Mundil und Gisela Pietzonka beraten mit einfühlsamen Worten zum Thema Palliativpflege. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Medidoc ist vor allem ein herkömmlicher ambulanter Pflegedienst, bietet wie zwei weitere Stellen in Duisburg aber auch Palliativpflege an. Zusammen gehören sie zu einem Netzwerk, in denen sie sich mit Apotheken und Ärzten austauschen.

„Unser Ziel ist, dass die Menschen zu Hause sterben können“, sagt Mundil, die auch stellvertretende Pflegedienstleiterin ist. Zwei Drittel aller Deutschen wünschen sich das laut einer Umfrage aus dem Jahr 2012. Doch nur für 20 Prozent geht dieser Wunsch in Erfüllung. „Vielleicht liegt es tatsächlich daran, dass viele Angehörige nicht wissen, wie sie das stemmen können“, so Mundil. Darum der „Letzte Hilfe“-Kurs, den es erst seit zwei Jahren gibt. Er findet meist alle zwei Monate statt.

Palliativpflege kommt erst zum Tragen, wenn ein Arzt entsprechende Symptome bestätigt. Medidoc unterstützt seine Patienten mit allgemeiner und spezialisierte ambulante Palliativpflege. „Der Unterschied liegt im Fortschreiten der Krankheit. Die spezialisierte Pflege greift, wenn die Symptome schlimmer werden.“

Viele Patienten leiden an Krebs, andere haben ALS, eine Nervenkrankheit, die nach und nach die gesamte Muskulatur des Körpers lähmt. „Manche Menschen betreuen wir ein paar Jahre, andere ein paar Stunden“, sagt Mundil.

Sterben ist ein Teil des Lebens – und doch bleibt die Angst

Der Kurs beinhaltet vier Unterrichtseinheiten: Sterben ist ein Teil des Lebens, stellen Mundil und Pietzonka klar. In „Vorsorge und Entscheiden“ geben sie Ratschläge zu Patientenverfügungen, Vollmachten und der Beerdigung. Außerdem erklären sie, wie man körperliche, psychische, soziale und existenzielle Nöte der Sterbenden lindern kann.

Zuletzt nehmen sie sich Zeit, auf den Abschied samt einhergehender Trauer und Kommunikation einzugehen. Auch eine praktische Übung gehört dazu: „Bei der Mundpflege geht es nicht nur um Zähneputzen, sondern auch darum, den Menschen etwas Gutes zu tun: Man kann den Menschen den Geschmack von etwas in den Mund geben, das sie gerne mochten“, erklärt Mundil.

Im Kurs berichten die Teilnehmer vor allem von persönlichen Erfahrungen, der Großteil sind Frauen. Die Stimmung ist gelöst. Wie es sei, zu sterben, fragen sie sich. „Ich habe Angst, nicht in Würde gehen zu können“, sagt jemand. Und auch Kursleiterin Pietzonka hat trotz ihrer alltäglichen Begegnung mit dem Tod noch ihre eigenen Gedanken: „Ich würde mich sicher fühlen, weil ich weiß, was alles möglich ist. Ich muss keine Angst haben, alleine zu sein. Aber die Angst vor einer schlimmen Diagnose, die würde ich auch nicht verlieren.“