Duisburg. Ismet Kilic ist das jüngste Opfer eines türkischen Staates, der kritische Stimmen zum Schweigen bringen will. Ein Kommentar von Sinan Sat.
Deniz Yücel wurde zur Geisel der Türkei, Mesale Tolu wurde ihr unbequem, Peter Steudtner von ihr zum Exempel statuiert, und Ismet Kilic nun zu ihrem jüngsten Opfer. Die beiden Journalisten, der Menschenrechtsaktivist und der Taxifahrer aus Duisburg sind vier Fälle von noch vielen mehr, die auf schmerzhafte wie unmissverständliche Weise dokumentieren, dass der türkische Staatsterror, der vor Jahrzehnten begann, weiter schonungslos wütet: der Unterdrückungskampf eines Staates gegen kritische und demokratische Stimmen und Aktivisten.
Um besser zu verstehen, warum in der Türkei seit jeher jeder ganz schnell ins Fadenkreuz geraten und zum Staatsfeind erklärt werden kann, muss man einen Blick in die jüngere Geschichte dieses traditionsreichen Landes werfen.
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Drei vollzogene, ein „sanfter“ und ein gescheiterter Militärputsch in den vergangenen 60 Jahren haben eine Auffassung von vermeintlichen Staatsfeinden (dort als Terroristen bezeichnet) institutionalisiert, wie man sie sonst nur in Autokratien und Diktaturen findet.
Wer den Befehlshabern nicht konform ist, weil er – wie im Fall des Duisburgers Ismet Kilic etwa – eine Gewerkschaft gründet und sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt, wird zum Terroristen erklärt. Nach Lesart der türkischen Machthaber wiegeln Menschen wie Kilic auf, gefährden den Gesellschaftsfrieden, greifen die öffentliche Ordnung an, wagen es gar, die Autoritäten in Frage zu stellen. Es gehört zur Absurdität dieser Philosophie, dass der Staat sich des Deckmantels des Friedenshüters bedient, indem er Kritiker wegsperrt oder mit der freundlichen Unterstützung von Interpol-Partnerstaaten wegsperren lässt.
Folgenlosigkeit deutscher Bemühungen ist unwürdig
Die türkischen Staatsgewalten haben in den vergangenen Jahrzehnten unzählige Menschen aus eben solch fadenscheinigen Gründen angeklagt, eingesperrt und sogar gehängt. Vielen Türken ist die Flucht nach Europa und vor allem nach Deutschland rechtzeitig gelungen. Fast alle haben sich hier ein neues Leben aufgebaut, ihr Engagement in hiesigen Gewerkschaften und Kulturvereinen fortgeführt. Über vielen kreist seit jeher aber das Damoklesschwert des türkischen Staates, obwohl sie längst auch deutsche Staatsbürger sind.
Dass die Bundesregierung weiterhin zwar nicht taten-, aber folgenlos zusieht, wie die Türkei deutsche Bürger bedroht und wegsperrt, die sich nach unserem Verständnis von Menschenrechten nichts haben zu Schulden kommen lassen, ist unwürdig.
Bei aller nötigen und ertragreichen Kooperation und bei aller gebotenen Diplomatie gibt es in diesem Punkt kein Vertun: Ismet Kilic muss umgehend aus der slowenischen Gefangenschaft geholt und zurück nach Duisburg gebracht werden. Fälle wie dieser dürfen sich nicht mehr wiederholen.