Duisburg. Sie glaubten, sie würden sich auf einen Nebenjob bewerben. Stattdessen fielen sie einem Identitätsdieb zum Opfer. Eine Duisburgerin berichtet.
Alles fängt damit an, dass sich Kerstin* und ihr bester Freund Markus* auf eine Jobanzeige im Internet melden. Zunächst ist es die 19-Jährige, die im Januar glaubt, einen lukrativen Nebenjob gefunden zu haben. Sie soll für ein Unternehmen Apps testen und bewerten. Bequem, einfach und flexibel, denkt Kerstin, die mitten im Vorabi-Stress steckt. Alles, was sie dafür tun muss, ist sich mittels Video-Ident-Verfahren beim vermeintlichen Arbeitgeber zu registrieren. Die 19-Jährige folgt den Anweisungen und ahnt nicht, in welch folgenschwere Falle sie tappt. Auch Markus erkennt die Gefahr nicht. Bis heute kämpfen die jungen Duisburger mit den Konsequenzen.
„Wie kann man eigentlich so dumm sein. Ich schäme mich dafür, dass ich auf diese Masche hereingefallen bin“, sagt Kerstin. „Wenn ich ein wenig darüber nachgedacht hätte, dann hätte mir das gleich verdächtig vorkommen müssen.“
Aber die Schülerin hat zu diesem Zeitpunkt kaum Erfahrung mit Nebenjobs und den Fallstricken, die findige Betrüger gesponnen haben, um Ahnungslose wie sie zu bestehlen. Dabei ist die Masche nicht einmal neu:
Der Identitätsdiebstahl und die Online-Bank N26
Auf der Suche nach dem Traumjob werden Bewerber von ihrem vermeintlichen neuen Arbeitgeber dazu aufgefordert, sich per Video-Ident-Verfahren zu identifizieren. Tatsächlich eröffnen sie in den meisten Fällen aber mit dem Verfahren ein Konto, das für kriminelle Zwecke missbraucht wird.
Wie schnell das gehen kann, wissen Kerstin und Markus nur zu gut. Innerhalb weniger Stunden erhalten sie eine positive Rückmeldung auf ihre Bewerbung. „Kevin Rockstroh“, der angebliche Arbeitgeber, schickt ihnen Whatsapp-Nachrichten, in denen er die Teenager auffordert, vor dem Start der Tätigkeit noch ihre Identität bei einer Partnerbank zu verifizieren. Denn nur über diese könne die Bezahlung aus firmeninternen Gründen später erfolgen.
Für die Identitätsüberprüfung schicken die Duisburger, wie verlangt, zuerst Bilder ihres Personalausweises und ein Foto von sich mit dem Ausweis. In einem zweiten Schritt durchlaufen sie ein Video-Ident-Verfahren der angegebenen Partnerbank. Im Fall von Kerstin und Markus ist es die N26 – eine deutsche Direktbank, die sich auf die Kontoführung per Smartphone spezialisiert hat.
Schlagzeilen machte die Bank zuletzt, als NDR und Süddeutsche Zeitung von knapp 400 N26-Konten mit deutschen IBAN-Nummern berichteten, die für Fakeshops im Internet oder betrügerische Ebay-Konten eingesetzt wurden.Einige Volksbanken sperrten in der Folge gar die Zahlungen an N26-Konten.
Kreditkarte im Briefkasten
All das wird erst Monate nach dem Kontoabschluss der beiden Duisburger Schüler publik. Anfang Januar haben sie noch keine Ahnung, welches Instrument sie den Betrügern gerade in die Hände gegeben haben. Ein paar Tage später liegt eine Kreditkarte im Briefkasten von Kerstins Elternhaus. Ihr Vater entdeckt die Karte, stellt seine Tochter zur Rede und ahnt bereits Böses. Gleich am nächsten Tag wendet er sich an die Polizei, denn bei der Bank erreicht er niemanden.
Während Kerstins Vater tagelang weiter Mails an die Bank schreibt und versucht, das Konto seiner Tochter sperren zu lassen, gehen allmählich die ersten Push-Nachrichten auf Kerstins Smartphone ein. Nachrichten über fünfstellige Beträge, die auf das Konto ein- und gleich wieder ausgezahlt werden. Der Betrug nimmt seinen Lauf.
Kunden auf Ebay geprellt
Forderungen gehen ein, ein geprellter MacBook-Käufer meldet sich bei Kerstin und will endlich das Gerät erhalten, für das er bereits 1500 Euro bezahlt hat. Auf Kerstins Name wurde ein Ebay-Konto eröffnet. Waren werden verkauft, die nie beim Kunden ankommen.
Kerstins Vater appelliert an Ebay, der Onlinehändler möge bitte alle Konten sperren, die auf den Namen seiner Tochter eröffnet wurden. Um sicher zu gehen, dass sein Anliegen auch bearbeitet wird, schickt er auch gleich immer das polizeiliche Aktenzeichen des Falls mit.
Auch dem geprellten MacBook-Kunden schreibt er und rät ihm, sich ebenfalls an die Polizei zu wenden. Ebay sperrt daraufhin Kerstins Konto. Der geprellte Kunde sieht vorerst von weiteren Forderungen ab.
Acht Kunden abgezockt – Anzeigen wegen Betrugs
Nach fast zwei Wochen reagiert auch N26 und sperrt die Bankkonten der beiden Duisburger. „Wir dachten, wir sind nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen“, sagt Kerstin. Bis Ende August das Telefon von Markus klingelt und die Kripo ihn dringend sehen will. Als die Beamten ihm erklären, worum es geht, trifft es ihn wie ein Blitz.
Markus sei mehrfach wegen Betrugs angezeigt worden. „Offensichtlich wurden in seinem Namen weiter Waren verkauft, die nie bei den Kunden ankamen. Zuletzt sogar eine Rolex im Wert von 4000 Euro“, berichtet Kerstin. Insgesamt wurden mindestens acht Kunden abgezockt. Der Schaden sei fünfstellig. Wer ihn am Ende bezahlen soll, stehe noch nicht fest. Zivilrechtliche Klagen des Käufers auf Rückzahlung des Geldes können die Folge sein – Ausgang ungewiss. Die Polizei versucht indes die echten Betrüger zu finden.
Bis dahin wird sich die Sorge der beiden Duisburger wohl nicht legen, jederzeit mit hohen Geldforderungen konfrontiert werden zu können. „Und wer weiß, wofür die unsere Identität noch nutzen“, seufzt Kerstin.
*Die echten Namen sind der Redaktion bekannt.