Duisburg. Ute Werner hat 25 Jahre lang ihre Mutter gepflegt. Warum sie nicht mehr Rente bekommt und sich von der Pflegekasse allein gelassen fühlt.
Spätestens 4.30 Uhr – mitten in der Nacht – ist Ute Werner bei ihrer pflegebedürftigen Mutter; täglich holt die 60-Jährige ihre Mutter aus dem Bett, wechselt Windeln, zieht sie an, macht Frühstück, stellt Getränke bereit. Dann geht Ute Werner arbeiten, auf dem Rückweg fährt sie wieder bei der Mutter vorbei: bringt Einkäufe mit, bereitet das Abendessen zu, stellt Getränke bereit, wechselt Windeln. 25 Jahre lang verzichtete die Duisburgerin auf ihr Privatleben, um ihre Mutter zu pflegen, die mit 46 Jahren einen Schlaganfall erlitt und seit 2017 im Pflegeheim ist – Anspruch auf weitere Rentenbeiträge hat die Angestellte des Uni-Klinikums Düsseldorf nicht. Sie hat zu viel gearbeitet.
Spagat zwischen Arbeit und Pflege
Fast 3,5 Millionen Menschen in Deutschland sind laut dem Statistischen Bundesamt pflegebedürftig. Rund die Hälfte wird von Angehörigen gepflegt, wie Ute Werner es ein Vierteljahrhundert für ihre Mutter tat. „Ich habe den Spagat zwischen Arbeit und Pflege geschafft, es hat viele Kräfte gekostet und war nervenaufreibend“, sagt sie und findet, „es fehlt an Anerkennung seitens des Gesetzgebers.“ Es sei absurd, dass Pflegekassen nur Rentenpunkte anrechnen, wenn die Pflegenden höchstens 30 Stunden pro Woche arbeiten. „Warum wird ein pflegender Angehöriger genötigt, seine Arbeitszeit zu verkürzen und somit seinen eigenen Rentenanspruch zu verringern?“
Die Deutsche Rentenversicherung ordnet die Gesetzgebung wie folgt ein ein: „Die Stundenzahl orientiert sich an einer 40-Stunden-Woche; 30 Stunden arbeiten plus mindestens zehn Stunden pflegen, ergibt eine Vollzeitwoche.“ Damit sich Pflege auf die Rente auswirkt, bedarf es einiger Voraussetzungen: Die pflegebedürftige Person muss Pflegegrad 2 oder höher eingestuft werden, die Pflege muss dabei mindestens zehn Stunden dauern, verteilt auf wenigstens zwei Tage pro Woche, die Pflege muss in häuslicher Umgebung stattfinden und der pflegende Angehörige darf nicht mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten.
Die Beiträge der Pflegekasse zur Rente während der Pflegezeit variieren; je nach zeitlichem Aufwand, dem Pflegegrad sowie dem Pflegeort erhalten pflegende Angehörige laut der Deutschen Rentenversicherung einen monatlichen Rentenzahlbetrag – aktuell zwischen 8,34 Euro (Pflegegrad 2) und 30,90 Euro (Pflegegrad 5). Die Zahlen können je nach individueller Situation abweichen.
Rechtzeitig zur Pflege beraten lassen
Kritik übt die Mündelheimerin auch an den Kranken- und Pflegekassen: „Man bekommt überhaupt keine Infos, was man machen soll, auf was man alles Anspruch hat.“ So erfährt Ute Werner zufällig über Bekannte in einer ähnlichen Situation, dass ihre Mutter etwa Anspruch auf einen Toilettenstuhl, einen Badewannen-Lift oder ein pflegegerechtes Bett hat.
„Man macht und tut ja erstmal alles, um der Mutter zu helfen, sie Zuhause in vertrauter Umgebung zu pflegen. Da ist man ständig unter Strom, in Stress und in Sorge – da hatte ich jahrelang gar keinen Kopf dafür, mich in alles einzulesen“, berichtet Ute Werner. „Man fühlt sich allein gelassen“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen.
Abhilfe kann laut der Deutschen Rentenversicherung ein rechtzeitige Pflegeberatung bei den Kassen oder sozialen Trägern wie der Caritas oder dem DRK schaffen. Diese sind zumeist kostenlos. Ute Werner hätte trotz der Informationen zu Rentenbeiträgen und Pflegeberatung nochmal genauso gehandelt, wie sie es 25 Jahre lang tat: „Es ist keine Frage des Geldes, sondern der Liebe zu meiner Mutter – sie hat es verdient so lange Zuhause zu bleiben, wie es ging.“