Duisburg. Die Brüder Ralf und Jörg Kessen (58) sind in der Fußballszene über Duisburg hinaus bekannt. Jetzt gewähren die Zwillinge ganz private Einblicke.
Papa Erich hat vor lauter Glück erst mal die Hebamme gepackt und hochgehoben. Nach einer Tochter hatte er sich so sehr einen Sohn gewünscht. Dass da nun gleich zwei Jungen im Bethesda das Licht der Welt erblickten, machte die Freude umso größer – und die Überraschung perfekt.
Bis kurz vor der Geburt hatte auch Mama Inge nicht damit gerechnet, Zwillinge zu bekommen – eineiige noch dazu. Zuerst Ralf und 40 Minuten später Jörg. 58 Jahre ist das jetzt her, damals waren die Voruntersuchungen noch nicht so professionell wie heute.
Nach der Geburt sofort bei Duisburg 08 angemeldet
Papa Erich war das herzlich egal. Als Hochfelder und Torhüter bei Duisburg 08 meldete er seine Söhne sofort bei seinem Verein an und legte damit den Grundstein für eine überaus erfolgreiche Karriere der Kessen-Brüder – als Fußballer und später als Trainer.
„Leider hat unser Vater das nicht miterleben können“, erzählt Jörg Kessen. „Er ist nur sechs Wochen nach unserer Geburt in unserem Haus verunglückt, von der dritten Etage über das Treppengeländer bis in den Keller gestürzt.“ Mama Inge war damit plötzlich mit drei Kindern auf sich alleine gestellt. Erst ein paar Jahre später lernte sie einen neuen Mann kennen.
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„Er ist mittlerweile auch schon lange tot, aber er hat früher alles für uns gemacht“, sagt Ralf Kessen. „Er war selbst kein Fußballer, ist mit uns aber zu jedem Spiel gefahren.“
Kicken auf dem Hochfelder Markt
Kicken, kicken – immer nur kicken. Kaum war die Schule aus, zog es die Kessen-Brüder direkt zum Hochfelder Markt, wo die anderen Jungs aus der Nachbarschaft schon warteten. Die Tornister als Tore und dann spielen, bis abends die Laternen angingen.
Jörg konnte schon damals Niederlagen nur schwer verdauen. „Ich bin emotionaler, aufbrausender als mein Bruder“, sagt er. „Ralf ist der Ruhigere und hat mich oft besänftigen müssen.“ Charakterlich seien ansonsten kaum Unterschiede auszumachen – optisch noch weniger, zumindest früher.
In der Pause die Pullover getauscht
„Meine Mutter hat uns anfangs immer gleich angezogen, bis wir in der Schule auf Wunsch einer Lehrerin einen blauen und einen weißen Pullover tragen sollten“, erzählt Ralf Kessen. „Das haben wir dann auch gemacht, in der Pause aber gerne mal die Pullover getauscht...“
Als Kinder haben sie das gleiche Aussehen für etliche Streiche genutzt – und sich damit auch mal gegenseitig hereingelegt, wie Jörg Kessen zu berichten weiß. „Wenn ich von meiner Omma mal 50 Pfennig für ein Eis bekommen habe, bin ich später noch mal hin und hab mich als Ralf ausgegeben….“ Als der auch ein Eis haben wollte, bekam er von der Großmutter erst mal einen Einlauf: „Du Saujung, du warst doch gerade erst hier!“
Als die Freundin kurz irritiert war
Mira, die Frau von Ralf Kessen, ist Anfang der 80er Jahre auch mal zum „Opfer“ der beiden geworden. „Es war Weihnachten bei unseren Eltern“, erzählt Jörg Kessen. „Ich saß mit meinem Bruder schon im Wohnzimmer, als Mira hereinkam und sich auf meinen Schoß setzte...“ Ein gefundenes Fressen für die Kessen-Brüder, die sich nur angrinsten, aber zunächst nichts sagten – bis Jörgs Freundin kurz darauf auch ins Wohnzimmer kam und die Irritation perfekt war. „Wir haben es dann aufgelöst“, erzählt Ralf Kessen und muss heute noch darüber lachen.
Beim Fußball war es schon schwieriger, etwa den Schiedsrichter hinters Licht zu führen. Die Zwillinge haben in den 80ern zwar zusammen bei Duisburg 08 und später beim MSV gespielt, waren aber anhand der Rückennummern zu unterscheiden.
Als Ralf im Testspiel für Jörg spielte
„Den früheren 08-Trainer Hugo Bassiel haben wir allerdings mal veräppelt“, erzählt Jörg Kessen, „als Ralf in Schwafheim gespielt hat. Bassiel hatte immer getönt, dass er uns mit verbundenen Augen auseinanderhalten kann. Bei einem Testspiel von Duisburg 08 in Bissingheim hat dann mal Ralf für mich gespielt. Ist keinem aufgefallen...“
Über weitere Streiche, die sich die Zwillinge als Erwachsene erlaubt haben, soll an dieser Stelle lieber der Mantel des Schweigens gehüllt werden. Ihre Frauen und Freunde haben jedenfalls längst keine Probleme mehr, die beiden auseinander zu halten. „Nur am Telefon ist es manchmal noch schwierig“, erzählt Mira Kessen, „weil ihre Stimmen wirklich identisch sind.“
„Wir machen fast alles gemeinsam“
Kessen Zwillinge
Apropos: Wenn sich die Kessen-Brüder an einem Tag mal nicht sehen, dann müssen sie zumindest miteinander telefonieren. „Wir machen fast alles gemeinsam“, sagt Ralf Kessen. „Früher haben wir auch fast gleichzeitig den Blinddarm und dann die Mandeln herausbekommen. Und wenn sich einer den Arm gebrochen hat, konnte man die Uhr danach stellen, wann der andere vom Baum fällt...“
Beruflich haben die beiden unterschiedliche Wege eingeschlagen. Ralf arbeitet bei den Stadtwerken, Jörg in einem Getränkegroßhandel. Wobei die beiden seit vergangenem Jahr gemeinsam eine Fußballschule für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren betreiben. „Wir können eben nicht ohne einander, sind zu 100 Prozent Seelenverwandte“, sagt Ralf Kessen. „Wir müssen uns nur anschauen, und sofort weiß jeder, wie es dem anderen geht.“