Duisburg. Der Soziale Arbeitsmarkt bietet 350 Langzeitarbeitslosen die Chance auf einen Job. Marie Kaboth ist eine von ihnen und überglücklich.

„Die hatten mich vergessen“, sagt Marie Kaboth. Es ist ein Satz, der das Lebensgefühl von Marie Kaboth in den Jahren ihrer Arbeitslosigkeit beschreibt. Nun ist sie eine von 350 Frauen und Männern in Duisburg, die eine Chance bekommen, im „Sozialen Arbeitsmarkt“ wieder Fuß zu fassen, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Die Meidericherin arbeitet im KaDeDi, dem Sozialkaufhaus des Diakoniewerks an der Düsseldorfer Straße.

Ohne Arbeit seit mehr als sechs Jahren

Die Geschichte von Marie Kaboth ähnelt so vielen der insgesamt 17.000 Duisburger, die seit mehr als sechs Jahren keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt bekommen haben. Nach dem frühen Tod der Mutter in ihrer Heimat Luxemburg brach die heute 57-jährige, damals selbst noch ein Kind, die Schule ab, um sich um die vier jüngeren Geschwister zu kümmern. Eine Berufsausbildung machte sie nicht, heiratete nach Neumühl und zog vier Kinder groß. Vor dem gewalttätigen Mann floh sie ins Frauenhaus, zog nach der Scheidung nach Meiderich.

Seither habe sie, auch Dank der Hilfe der Kinder, mehr überlebt als gelebt, berichtet sie. Einen so genannten Ein-Euro-Job bekam sie, arbeitete bis 2016 viereinhalb Jahre beim Christophoruswerk an der Bonhoefferstraße. „Ich hab’ mich da pudelwohl gefühlt“, sagt Marie Kaboth über ihren Job in der Wäschekammer. Doch letztlich wurde auch der nicht verlängert.

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Eine von 50 Stellen beim Diakoniewerk

Als einer der ersten hat sie im März eine der 50 Stellen erhalten, die das Diakoniewerk im Sozialen Arbeitsmarkt geschaffen hat. Es hat damit die meisten Stellen aus der AG der Duisburger Wohlfahrtsverbände geschaffen. Im Sozialkaufhaus, wo Marie Kaboth die eingehenden Waren sortiert und auszeichnet, in den Betrieben für Garten- und Landschaftsbau, der Friedhofsgärtnerei, Malerei und Tischlerei, auch in der Wohnungslosenhilfe, der Sozialpsychiatrie und Suchthilfe.

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Jobcoach unterstützt beim Papierkrieg mit den Behörden

Unterstützt werden die Menschen von Ines Stieglitz. Als Jobcoach ist sie Ansprechpartnerin für die vielen Fragen, die bei der Rückkehr in Beschäftigung auftauchen. „Mit Beginn des Vertrages fallen die Teilnehmer aus dem Leistungsbezug. Da sollte keine Lücke entstehen. Wenn einen Monat lang kein Geld kommt, ist das für viele ein echtes Problem“, erklärt sie. Außerdem gebe es jede Menge Schriftverkehr zu erledigen zu Kindergeld, Einstellung von Leistung und mit dem Jobcenter. „Ich fange mit einer ganzheitlichen Beratung an“, erklärt Stieglitz. Wichtig sei es nicht zuletzt, „die Menschen emotional zu stabilisieren.“

Einfache Tätigkeiten sind das zumeist. „Aber das sind gerade die Stellen, die es in den meisten Unternehmen nicht mehr gibt“, sagt Michael Richard-Sommer, Fachbereichsleiter Arbeit und Ausbildung beim Diakoniewerk. Ein sozialversicherungspflichtiger, nach Tarif bezahlter Arbeitsplatz sei für Menschen ohne Abschluss und Ausbildung besonders schwer zu finden. „Für sie bietet das Gesetz eine große Chance“, sagt Richard Sommer.

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Besser Arbeit finanzieren als Arbeitslosigkeit

350 Duisburger wurden bisher vermittelt

Grundlage für den Sozialen Arbeitsmarkt ist das „Teilhabe-Chancengesetz“ der GroKo, das im Januar in Kraft trat. So sollen bis zum Ende des Jahres 550 Arbeitsplätze in Duisburg für Menschen, die länger als sechs Jahre arbeitslos sind, entstehen.

Bisher sind 350 Frauen und Männer in Stellen vermittelt worden, die Duisburger Firmen und gemeinnützige Unternehmen zur Verfügung stellen. Die Arbeitsverhältnisse über eine Dauer von insgesamt fünf Jahren werden in den ersten beiden Jahren zu 100 Prozent gefördert, in den drei folgenden Jahren sinkt die Förderung um jeweils zehn Prozent bis auf 70 Prozent.

Potenziell infrage kommen dafür rund 7000 Duisburger. Das Jobcenter hat Gespräche geführt mit rund 1100 Kandidaten, die nicht aus gesundheitlichen oder anderen Gründen von vornherein ausscheiden. „Die Nachfrage ist auch bei den Arbeitgebern gut“, so Jobcenter-Sprecherin Kathrin Hugenberg. Für den November plant die Behörde eine Veranstaltung in der Gebläsehalle im Landschaftspark, die Arbeitssuchende, Firmen und Verbände zusammenbringen soll.

Das Diakoniewerk sehe sich in der Pflicht, sich beim Sozialen Arbeitsmarkt zu engagieren, betont Geschäftsführer Udo Horwat. „Wir haben schon 2006 in einer Initiative dafür geworben, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.“ Ein Arbeitsplatz, das sei eben viel mehr als nur Beschäftigung zum Lebensunterhalt. „Er vermittelt Ordnung im Leben, Wertschätzung, soziale Kontakte zu den Kollegen.“ Für die Langzeit-Arbeitslosen „ist zu lange zu wenig gemacht worden. Viele fühlen sich abgehängt“, sagt Horwat. Wie groß das Interesse ist, erfuhr er beim Vorbereitungsprojekt „Mitarbeit“. „Wir haben nur mit der Hälfte der Kandidaten für die 145 Stellen gerechnet. Aber fast 90 Prozent sind gekommen und auch drangeblieben.“

Nach fünf Jahren im Job steigen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Das auch die Stellen im Sozialen Arbeitsmarkt auf fünf Jahre befristet sind, macht Udo Horwat keine Sorge. „Für einige wird es hier die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung geben. Und wenn jemand mal fünf Jahre am Stück gearbeitet hat, steigen seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt enorm.“ Marie Kaboth ist erleichtert, dass ihre Arbeitslosigkeit ein Ende hat, dass die Hände aufgehört haben zu zittern, von all dem Stress, den sie ihr verursacht hat. Dass sie einen Besuch bei der Familie in Luxemburg planen kann, ohne sich fragen zu müssen, wie sie das Geld für die Fahrt zusammenkratzen soll. „Ich wollte immer schon arbeiten“, sagt sie, „aber die haben mich auf die Warteliste gesetzt.“