Duisburg. Artjom Chechik stottert seitdem er ein Kind ist. In der Schule wurde der Duisburger gehänselt. Wenn er aber rappt, hört er auf zu stottern.

Wenn Artjom Chechik spricht, bleiben die Worte oft stecken. Sie wollen einfach nicht raus und er stottert massiv. Ein Problem, das der Duisburger schon sein Leben lang kennt. Doch wenn der 28-Jährige rappt, glauben Zuhörer nicht, was sie da hören: Er hört komplett auf zu stottern.

„Schon immer stottere ich. Seitdem ich reden kann, ist es so“, kommt es nur zögerlich aus ihm raus. Im Interview ringt er sichtlich um Worte. Er verkrampft und kneift die Augen zu. An manchen Tagen redet er flüssiger, an anderen, so wie heute, stockt es. „Das hat aber nichts mit Nervosität zu tun“, sagt Artjom Chechik.

Vom Streber zum Klassenclown

Artjom Chechik in der Duisburger Innenstadt.
Artjom Chechik in der Duisburger Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Mit drei Jahren kam der Duisburger mit seiner Familie aus Russland nach Deutschland. Trotz Stotterns wird er zum Klassenbesten. Doch auf dem Pausenhof wird die Schulzeit zur Tortur: Für Mitschüler wird er durch seine Sprachstörung zur Zielscheibe für Hänseleien und letztlich zum Außenseiter. „Es war nicht easy und ich habe gedacht, alle hassen mich.“

Rückblickend weiß er aber: „Kindern fehlt noch das menschliche Feingefühl.“ Um auf der Beliebtheitsskala der Mitschüler zu steigen wird Artjom Chechik zum Klassenclown. Aus Lehrerliebling wird Lehrerschreck und die Noten leiden.

Musik hilft dem Duisburger

Schon im Kindesalter macht er mehrere Sprachtherapien – „nichts hat gewirkt.“ Dann entdeckt er die Musik und das Texten für sich. „Mit 15 Jahren habe ich angefangen, Gedichte zu schreiben“, später kommen Raptexte hinzu, erst für andere Rapper, dann startet er selbst mit dem Sprechgesang. Sobald er die Sprachmelodie ändert und seine Texte rappt, verschwindet das Stottern sofort.

In seiner Musik verarbeitet der Duisburger auch seine Stotter-Erfahrungen. „Meine Musik ist ‘ne Art Offenbarung der inneren Welt“, sagt Artjom Chechik. Vor 5.000 Menschen ist er bereits aufgetreten, hat vor dem Publikum erst gesprochen und dann gerappt. „Die Leute sind übelst ausgerastet.“

Musikvideodreh auf einer Yacht vor Monaco

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Mittlerweile hat er sich seinen Traum von einem professionellen Musikvideo erfüllt: Auf einer Yacht schippert er im Hafen von Monaco und rappt seine Texte in die Kamera. Später kamen Drehs auf Bali oder Mallorca hinzu. Dabei rappt er mal auf Deutsch mal auf Russisch. Die Produktion der Videos finanziert er selbst.

Stottern und Hilfe

In Deutschland leiden etwa 800.000 Menschen an der Störung des Redeflusses. Die Ursachen sind bisher noch nicht ausreichen erforscht.

Die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe bietet ein Infotelefon für Betroffene an: 0221/1391106. Mehr Informationen unter bvss.de

Auf der Internetseite stottern-und-schule.de gibt es Infos für Eltern, Lehrkräfte und vor allem Schüler. Sie erhalten etwa praktische Tipps für den Schulalltag.

Die Musik hat ihn selbstbewusster gemacht. Früher hat er sich gesagt: „Ich werde es im Leben schwer haben, weil ich stottere.“ Das Fachabitur hatte er abgebrochen, auch eine Ausbildung hat er nie gemacht. „Ich habe gedacht, aus mir wird nichts.“

Heute ist es anders: Er hat gelernt, seine Sprachstörung nicht als Problem zu sehen. Sein Leitspruch deshalb: „Ich werde vieles erreichen, obwohl ich stottere.“ Im Online-Marketing hat er sich einen Namen gemacht. Er führt unter anderem einen Internetshop für Bekleidung und Business-Handtaschen für Frauen.

Mutmacher im Internet

Auf Youtube macht er anderen stotternden Menschen Mut und teilt seine Erfahrungen. „Viele nehmen mich als Vorbild, sagen, dass es ihnen Hoffnung gibt.“ Vor allem Kinder möchte er ermutigen: „Sie sollen wissen, es wird einfacher.“ Als Junge hatte er selbst Angst vor dem Erwachsenwerden – heute weiß er: „Stottern hält mich vor nichts zurück. Ich werde alles im Leben erreichen.“