Duisburg. Dagmar Bock arbeitet acht Monate im Jahr auf einem Kreuzfahrtschiff. Ein Schicksalsschlag zwang sie mit 51 Jahren zu einem Neustart.

Dagmar Bock hat schon die ganze Welt gesehen. Doch nicht als Urlauberin: Ihr Job führt die Duisburgerin an die schönsten Orte dieser Erde. Die 60-Jährige arbeitet auf einem Kreuzfahrtschiff. Als sie vor zehn Jahren vor den Trümmern ihrer Existenz steht, wagt die Duisburgerin einen Neuanfang und heuert auf einem Schiff an.

„Wieder Fuß zu fassen ist unglaublich schwierig“, erinnert sich Dagmar Bock. Vor etwa zehn Jahren rutscht das Software-Unternehmen ihres Mannes in die Insolvenz. Viele Jahre hat sie im Hintergrund die Büroarbeit geschmissen. Von jetzt auf gleich muss das Familienleben aber neu geordnet werden. „Ich habe 200 Bewerbungen geschrieben.“ Doch es hagelt nur Absagen.

Neustart auf dem Kreuzfahrtschiff

Bei der Suche nach einer neuen Aufgabe bleibt sie an einer Anzeige eines Kreuzfahrtanbieters hängen. Die Bord-Boutique sucht Mitarbeiter. Die damals 51-Jährige bewirbt sich und erhält zwei Tage später einen Anruf: „Ist das Ihr Ernst?“ – Ja, das war es. „Eine Woche später war ich auf dem Schiff“.

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Von Beginn an wusste Dagmar Bock: „Das wird ‘ne harte Nummer. Aber jetzt nehme ich das Ruder in die Hand.“ Getrennt von ihrem Mann, den sie mit 17 kennenlernet hatte, weit weg vom Heimathafen Duisburg und dem Rest der Familie, ist sie über Monate auf sich gestellt. Zunächst sogar in einer Zweier-Koje.

Mit „Mein Schiff“: Jungfernfahrt ans Nordkap

Doch schon ihre Jungfernfahrt begrub die anfänglichen Bedenken: Mit der „Mein Schiff“ ging es hoch bis ans Nordkap. Den nördlichsten Punkt Europas hatte sie bereits mit ihrem Mann erkundet – per Auto im alten Käfer nach dem Abitur. Die beeindruckende Landschaft Norwegens, die einst vom Lande aus bewunderte, sieht sie nun von der Seeseite aus.

Sonnenuntergänge hat Dagmar Bock schon an vielen Orten dieser Welt erlebt - verliebt hat sie sich etwa Singapur.  
Sonnenuntergänge hat Dagmar Bock schon an vielen Orten dieser Welt erlebt - verliebt hat sie sich etwa Singapur.   © TUI Cruises | Tui Cruises

Bei Skandinavien ist es nicht geblieben. Das türkisblaue Meer der Karibik, die schönsten Orte an der Mittelmeerküste oder das exotische Asien – Dagmar Bock war schon dort. Seit sieben Jahren leitet sie die Galerie auf dem Kreuzfahrtschiff und hat deshalb mehr Zeit für Erkundungstouren. Denn: „Wenn das Schiff im Hafen liegt, hat die Galerie geschlossen.“ So geht es aber nicht jedem der über 800 Crew-Mitglieder, denn die rund 1.900 Passagiere möchten rund um die Uhr bespaßt werden. „Wir haben eine sieben Tage Woche.“

Vier Monate am Stück an Bord

Vier Monate lebt die Duisburgerin im Schnitt am Bord des Schiffes. Dann geht es für acht Wochen auf Heimaturlaub. „Duisburg ist und bleibt meins“, schwärmt die 60-Jährige. Den Schritt einzuschiffen hat sie nie bereut. Der Beziehung zu ihrem Mann hat es gut getan: „Ich habe immer was zu erzählen“. Jeden Sonntag telefoniert sie mit ihrem Lebensgefährten.

Aktuell ist das nicht notwendig: Dagmar Bock ist auf Heimaturlaub in Duisburg. Das nächste Mal wird sie aber erst im Januar wiederkehren. Wichtige Familienfeste wie Weihnachten verbringt sie getrennt von der Familie auf hoher See. „Das ist natürlich blöd.“

Ehemann erleidet Schlaganfall

„Mein Schiff Herz“

• Die „Mein Schiff Herz“ ist das Zuhause von Dagmar Bock. 1912 Passagiere finden an Bord ihren Platz. Das Schiff ist etwa 262 Meter lang und 32 Meter breit.

• Zur Flotte der Kreuzfahrtgesellschaft Tui Cruises zählen aktuell sieben Schiffe. Bis zum Jahr 2026 sollen noch drei weitere Kreuzfahrtschiffe in Betrieb genommen werden.

Die Beziehung und die räumliche Trennung wurden vor zwei Jahren auf die Probe gestellt: Ihr Ehemann erlitt einen Schlaganfall. Zu der Zeit war sie in Duisburg und trotzdem hilflos. Auch wenn sie weiß, dass sie Zuhause nun noch stärker gebraucht wird: „Aber irgendwoher muss das Geld ja kommen.“ Einen Neustart mit 60 in Duisburg – das traut sie sich nicht. In fünf Jahren möchte sie ihre Kabine an Bord zurücklassen. „Auf die Zeit, die dann kommt, freue ich mich wie Hulle.“