Schüler, die die Proteste mitorganisierten, sprechen über Aufregung vor den Ersten Runden und wie sie das Engagement mit der Schule vereinbaren.
Im Februar nahmen die ersten Duisburger Schüler an einer „Fridays for future“-Demonstration in Düsseldorf teil. Drei Wochen später zog das erste Grüppchen auch durch Duisburg. Von Anfang an mit dabei: Julina Pletziger, Leila Belkhiria und Heinrich Jahn. Im Gespräch erzählen die 17-jährigen Landfermann-Gymnasiasten, was sie motiviert.
Sind die „Friday for Future“-Demos eure ersten Demonstrationen?
Heinrich: Die Demo in Düsseldorf, war die erste Demonstration, zu der ich mitgenommen wurde. Leila: Ich war vorher schon einmal auf einer Montagsdemo und habe auch bei „Bring Bivsi Back“ mitgemacht.
Julina: Für mich war es auch die erste Demo und anfangs war es ein bisschen aufregend. Mittlerweile sind die Freitage aber eher wie Familientreffen. Man kennt sich schon ganz gut und weiß, das man für die gleiche Sache einsteht. Das ist schön.
Wie organisiert ihr euch?
Heinrich: Am Anfang hatten wir eine Whatsapp-Gruppe. Mittlerweile gibt es regelmäßige Treffen.Leila: Dort malen wir Plakate, besprechen Routen oder wer zum Beispiel Statements abgibt.
Heinrich: Die Demos meldet dann ein Student an, der sich bei uns engagiert. Und der Polizei ist es ganz lieb, wenn sie einen Ansprechpartner hat. Der ist über 18 Jahre alt und vor allem ist es nicht so offensichtlich, dass wir nicht in der Schule sind.
Wie geht Eure Schule damit um?
Julina: Wir dürfen hingehen und können das dem Lehrer auch sagen, aber dafür werden unentschuldigte Fehlstunden eingetragen. Es wird aber nicht geahndet.
Seid ihr denn jeden Freitag dabei?
Heinrich: Bei den ersten Demos macht man sich schon Gedanken. Später habe ich geschaut, welches Fach ich verpasse und ob demnächst Klausuren geschrieben werden. Aber die Uhrzeiten variieren auch.
Leila: Bei meiner Schwester in der fünften Klasse waren die Proteste auch Thema und die sind mit ihrer kompletten Klasse gekommen, um sich anzuschauen, wie Demonstrationen funktionieren.
Wieso engagiert ihr euch?
Julina: Ich habe Fridays for Future schon vor Greta Thunberg kennen gelernt und mir vor drei Jahren viele Videos im Internet zu Tierschlachtungen angeschaut und daraufhin beschlossen, mich vegan zu ernähren. In meiner Familie war ich damit der Exot, aber mittlerweile koche ich selbst und schaue, dass es den anderen schmeckt. Mich hat es erst traurig gemacht, dass sich so wenige Menschen für Umwelt-Themen interessieren. Bei unseren Demos sehe ich aber, dass es doch viele gibt, die etwas verändern wollen.
Leila: Ich achte auf einen nachhaltigen Lebensstil und dass ich möglichst wenig Plastik verwende.
Julina: Anders als bei Bivsi gibt es bei Klima- und Umweltschutz keine schnellen Erfolge, die man direkt sieht. Wir müssen da dran bleiben und uns längerfristig dafür einsetzen. Ich finde es wichtig, wenn jeder bei sich anfängt, etwas zu verändern. Ich habe einen You-Tube-Kanal, auf dem ich Themen wie Achtsamkeit und Nachhaltigkeit anspreche. Ich versuche selbst ein Vorbild zu sein.
Fühlt ihr euch Ernst genommen?
Leila: Ja, ich war neulich bei einem Streitgespräch mit Minister Pinkwart. Da haben wir zum Beispiel über den Kohleausstieg gesprochen. Er war der Meinung, dass es reicht im Jahr 2038 aus der Kohle auszusteigen. Das finden wir nicht. Da konnten wir uns nicht einigen.
Heinrich: Bei der ersten Demo sind wir zum Rathaus gezogen und waren auch drin. Wir haben soviel Krach gemacht, dass der Oberbürgermeister zu uns kam. Er hat uns dann ein Gespräch angeboten. Beim ersten Mal waren wir mit einer größeren Gruppe da und dann gab es noch ein zweites Gespräch, wo wir Vorschläge gemacht haben, was man verbessern könnte.
Zum Beispiel?
Heinrich: Die Wieder-Einführung der Baumschutzsatzung.
Leila: Oder man könnte in älteren Parks neue Bäume pflanzen und sie schöner gestalten.
Wie gefällt Euch der Kantpark?
Leila: Es ist gut, dass was gemacht wurde, aber leider sind da nicht so viele Bäume.
Julina: Der ist ganz nett, hübsch. Aber einen Tag, nachdem wir beim Oberbürgermeister waren und mit ihm über die Bäume gesprochen haben, wurden dort an der Straße, die Bäume gefällt. Das war voll mies.
Heinrich: Es soll jetzt noch einen weiteren Termin im Rathaus geben.
Ihr habt auch schon Reden gehalten bei den Demonstrationen - seid ihr aufgeregt?
Heinrich: Am Anfang ein bisschen. Bei der europaweiten Demo waren unfassbar viele Menschen da.
Leila: Ich habe meine erste Rede am 15. März gehalten und mir vorher alles aufgeschrieben. Dann bin ich mit meinen Zetteln nach vorne gegangen. Anfangs habe ich gezittert, aber nach ein paar Sätzen bin ich in den Flow gekommen und habe mir gedacht: Läuft doch - wovor habe ich eigentlich Angst?
Lernt ihr bei den Protesten mehr als in der Schule?
Leila: Das ergänzt sich. Im Unterricht lernen wir etwas über Treibhausgase. Dieses Hintergrundwissen können wir dann für unsere Argumente verwenden.
Könnt ihr euch vorstellen in die Politik zu gehen?
Julina: Nein, dann müsste ich mich mit zu vielen Themen beschäftigen, die mich nicht interessieren. Da engagiere ich mich lieber für einige Sachen ehrenamtlich.
Leila: Früher hätte ich vielleicht Ja gesagt, aber mittlerweile möchte ich später lieber als Life-Coach arbeiten und den Menschen individuell zeigen, was sie ändern können.
Heinrich: Ich konzentriere mich jetzt voll auf Fridays for Future. Was später ist, wird die Zukunft bringen.
Umwelt-AG beschäftigt sich mit Klimaschutz und Mikroplastik
Birthe Pünder und Franziska Schwarze vom „Steinbart“ erklären, warum sie mit „Fridays for Future“ ein Zeichen setzen wollen.
Die beiden Steinbart-Gymnasiastinnen Birthe Pünder (17) und Franziska Schwarze (18) engagieren sich in der Umwelt-AG der Schule. Im Gespräch erklären sie, warum es ihnen wichtig ist, ein Zeichen zu setzen.
Womit beschäftigt ihr euch in der Umwelt-AG?
Franziska: Ich habe mich schon immer für die Umwelt interessiert und auch länger mit dem Thema Mikroplastik beschäftigt und wie man Plastik im Alltag vermeiden kann. Wir haben zum Beispiel Tagebuch geführt und notiert, wo wir überall mit Plastik konfrontiert werden. Da waren auch Sachen bei, an die man vielleicht gar nicht denkt: Trinkflaschen, Zahnbürsten...
Birthe: In der Schule haben wir einen Müllberg gebaut, mit den Dingen, die sich nur in der Schule ansammeln. Da ist ziemlich viel zusammen gekommen.
Und was macht ihr im Alltag, um etwas für die Umwelt zu tun?
Franziska: Meine Familie überlegt nun, ob wir einen Soda-Stream anschaffen. Meine Mutter ist auch umweltbewusst. Wenn wir einkaufen gehen, nehmen wir einen Korb mit. Oder ich trinke den Kaffee im Café, um den Becher zu sparen.
Birthe: Es gibt die Überlegung, vielleicht für die Schule einen Wasserspender anzuschaffen.
Von der Umwelt-AG bis zur Organisation einer Demo ist es aber ein weiter Weg, oder?
Birthe: Wir sind zwar immer dabei, aber nicht unbedingt diejenigen, die alles organisieren. Ich bin ja auch noch keine 18, deshalb dürfte ich gar keine Demo anmelden. Aber bei Treffen zum Bemalen von Plakaten bin ich meistens dabei.
Seid ihr jeden Freitag unterwegs?
Franziska: Ich bin nicht immer gegangen. Wenn ich abi-relevante Fächer hatte, bin ich in der Schule geblieben.
Birthe: Ich schon. Die Anfangszeiten variieren. Einige Klassen haben mit ihren Lehrern auch eine Exkursion gemacht und gemeinsam an den Demos teilgenommen. Ich finde es gut, dass das am Freitag stattfindet. Am Samstag hätten wir gar kein Druckmittel. Wenn ich jetzt frei habe, gehe ich aber trotzdem freitags zu den Demos. Es geht uns ja nicht darum, die Schule zu schwänzen.
Franziska: Das ist ja die Provokation, dass wir eben den Unterricht ausfallen lassen.
Würdet ihr sagen, dass die Schüler heute politischer sind als früher?
Birthe: Ich vermute, dass das Interesse an sich gleich geblieben ist. Nur das Engagement für Klimaschutz ist gestiegen und damit dann auch direkt für Politik.
Wie findet ihr Greta?
Franziska: Ich finde den Kult um Greta gar nicht so toll, es sind ja die Massen, die versuchen, etwas zu verändern. Ihre Rede bei der Klimakonferenz in Kattowitz war allerdings ziemlich beeindruckend und hat sicherlich viele Menschen überzeugt und zum Handeln ermutigt.
Birthe: Es ist schön zu sehen, dass aus einer kleinen Gruppe auf einmal 1000 Leute werden können, die sich für eine Sache einsetzen.
Was habt ihr bei eurem Engagement gelernt?
Franziska: Die Schule ist ja dafür da, auch etwas über Demokratie zu lernen. Dafür sind die Demonstrationen gut.
Birthe: Social Media trägt auf jeden Fall dazu bei, dass man heute leichter Gehör findet.
Was wollt ihr nach dem Abi machen?
Birthe: Mmh. Am liebsten würde ich Medizin studieren, aber ich weiß nicht, ob der Schnitt dafür reicht. Es gibt an der Uni Duisburg-Essen einen neuen Studiengang, der heißt „Aquatische Biologie“, da lernt man, wie man Ökosysteme erforscht.
Franziska: Ich würde auch gerne hier an der Uni studieren. Lehramt fände ich gut, aber Projektmanagement würde mich auch interessieren.
Rektoren in Duisburg tolerieren die Teilnahme an den Demonstrationen
„Meiner Meinung nach könnten noch viel mehr Schüler zu den Demonstrationen gehen. Ich finde es gut, wenn sie sich daran beteiligen“, erklärt Christof Haering, Rektor des „Landfermann“-Gymnasiums. Er beobachtet, dass sich die Jugendlichen wieder stärker für Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit einsetzen, wenn auch manchmal in kleineren Projekten. „Bei uns gibt es eine Fairtrade-AG und wir machen ein Projekt in Kooperation mit der Kindernothilfe“, sagt er. Gemeinsam mit seinen Kollegen überlegt er, zum Ende des Schuljahres noch einmal eine Diskussion zum Thema zu veranstalten - und danach möglichst geschlossen mit den Klassen zur Freitags-Demo zu gehen.
Thema im Unterricht
Auch Michael Wissing, stellvertretender Schulleiter des Steinbart-Gymnasiums, kann bestätigen, dass sich seine Schüler für die Gesellschaft einsetzen. Zuletzt hatte sich die ganze Schulgemeinschaft sowie die Elternpflegschaft für die Rückkehr von Bivsi engagiert - und dank öffentlichem Druck auch Erfolg. Zudem sei das Steinbart-Gymnasium „Schule ohne Rassismus“ und lege wert auf ein gutes Miteinander. „Wir nehmen zur Kenntnis, wenn die Schüler im Unterricht fehlen, aber das hat nur bedingt Konsequenzen.“
Eine einheitliche Linie, wie Rektoren mit den „Fridays for Future“-Demonstrationen umgehen, haben die Schulleitungen nicht verabredet. Ernst Wardemann, Leiter der Gesamtschule Pappenstraße und Sprecher für die Gesamtschulen, sagt: „Ich kann da keine einheitliche Aussage treffen. Für meine Schule kann ich sagen, dass mir wenige Schüler bekannt sind, die sich aktiv an den Freitags-Aktivitäten beteiligen. Bisher haben wir dieses Verhalten toleriert. Inhaltlich steht die Thematik sehr wohl im Mittelpunkt des Unterrichts in Gesellschaftslehre im Jahrgang 10 und in Erdkunde in der Oberstufe.“