Duisburg. EU-Bürger aus Südosteuropa haben oft mit einem ungeklärten Krankenversicherungsstatus zu kämpfen. Duisburger Clearingstelle kann weiter helfen.
Zuwanderer, vor allem aus Südosteuropa, haben oft keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, weil ihr Krankennversicherungsstatus ungeklärt ist. Einen Weg durch die Fallstricke des Versicherungsrechts bahnt seit Herbst 2016 die so genannte Clearingstelle, angesiedelt bei der Awo-Integration und beim Gesundheitsamt. Die dreijährige Verlängerung der Landesförderung sei dringend notwendig, sagt Awo-Geschäftsführer Philipp Thelen: „Solange es keine europaweite Regelung für EU-Bürger gibt, bleiben die Menschen auf Hilfe angewiesen.“
Seit Beginn der Arbeit 1210 Ratsuchende
Die Zahlen belegen den Bedarf: 1210 Ratsuchende haben die Mitarbeiter der Clearingstelle (zwei volle Stellen Awo, 0,5 Gesundheitsamt) bisher betreut. „Oft geht es dabei aber um ganze Familien, die Zahl derer, die profitieren, ist deshalb wesentlich höher“, erklärt Ana-Maria Isdraila, die Leiterin. Besonders oft treffe es die Rumänen unter den 1056 EU-Bürgern, die Rat suchen. „Da geht es nicht selten um Großfamilien. Die Bulgaren haben einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, weil viele türkisch sprechen.“
Versichert sind die einen wie die anderen in ihren Heimatländern nur, solange sie dort berufstätig sind. Schon mit der Einreise nach Deutschland wird’s schwierig. „Viele wissen nicht, dass sie hier nicht automatisch familienversichert sind“, sagt Isdraila, „nach einer Entbindung kommen dann die Rechnungen vom Krankenhaus.“ Schwierig wird’s auch bei unverheirateten Eltern mit gemeinsamen Kindern. Isdraila: „Da haben dann Vater und Kinder Versicherungsschutz, die Mutter aber nicht.“
EU-Versichertenkarten gewährt keinen Schutz
Die europäische Versicherungskarte gewähre in der Regel keinen Schutz. „Sie ist für Notfälle von Touristen gedacht. Wenn jemand hier gemeldet ist und etwa schon einen Minijob hatte, ist es kein Notfall mehr.“
Dann, erläutert die Leiterin der Clearingstelle, können sich die Menschen freiwillig krankenversichern für 190 Euro im Monat. Für viele ein hoher Betrag, solange sie auf Arbeitssuche sind.“
Arbeitsverträge, die in schneller Folge geändert werden, beschäftigen die Clearingstelle immer wieder. „Da arbeitet etwa ein Rumäne aus Duisburg für einen polnischen Subunternehmer in den Niederlanden, der die Arbeitnehmer an einen anderen Subunternehmer weiterreicht und sie in Deutschland bei der Krankenversicherung abmeldet“, schildert Isdraila einen typischen Fall. „Den Betroffenen ist das nicht bewusst, weil sie die Briefe nicht verstehen, folgen Lohnpfändungen.“
Bis zu zwei Jahre dauere manchmal die Klärung. Statt die Arbeitgeber in Haftung zu nehmen, werde die Nachweispflicht auf die Beschäftigten abgewälzt“, bedauert Thelen.
Beitragsschulden sind ein großes Thema
Auch Beitragsschulden, verursacht durch den häufigen Wechsel zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit sind „ein Riesenthema“, so der Geschäftsführer. Die Frage, wann EU-Bürger Anspruch auf Pflichtversicherung durch das Jobcenter erwerben, wann Ansprüche ruhen und zu welchen Konditionen sich Familien freiwillig versichern können, sei von Laien kaum zu durchschauen.
Land fördert für drei weitere Jahre
Zunächst als Pilotprojekt hat das Land NRW 2016 Clearingstellen in Duisburg, Dortmund, Gelsenkirchen, Münster und Köln eingerichtet. Für den zweiten Förderzeitraum bis 2022 stellt das Land nun knapp drei Millionen Euro zur Verfügung.
In Duisburg unterstützt das Land die Arbeit mit jährlich rund 180.000 Euro, die Awo leistet für die nächsten drei Jahre einen Eigenanteil in Höhe von 60.000 Euro, so Philipp Thelen, Geschäftsführer der Awo-Integration.
Anlaufstelle bleibt dann häufig die Migranten-Medizin, der Malteser in der Münzstraße (Altstadt). Sie ist mobiler Einsatzort der Clearingstelle ebenso wie Seiteneinsteiger-Sprachkurse und das Gesundheitsamt. Offene Sprechstunden gibt es in Friedenstraße 1 in Hochfeld (Fr. 9-11 Uhr), an Duisburger Str. 241 in Hamborn (Mi. 13-15 Uhr), sowie nach Vereinbarung an der Friedrich-Engels-Str. 42 in Marxloh.