Duisburg. Alice Sara Ott hat ihren Auftritt trotz Multiple Sklerose-Diagnose nicht abgesagt. Besucher des Klavierfestival feiern die virtuose Musikerin.

Eigentlich hatte Pianistin Alice Sara Ott einen großen Auftritt beim Klavierfestival Ruhr geplant. Doch im Januar wurde bei ihr Multiple Sklerose diagnostiziert. Die Pianistin sagte ihr Konzert aber nicht ab, sondern bewies Willensstärke und Disziplin: Sie kürzte und konzentrierte das Programm auf eine Stunde. Unter dem Motto „Nightfall“ spielte die Münchenerin in der Gebläsehalle des Landschaftsparks Debussy, Satie und Chopin.

Zum Beginn des Konzertes richtet Alice Sara Ott einige Worte an das Publikum: „Ich freue mich an diesem besonderen Ort spielen zu dürfen!“ Schließlich hat sie hier im Jahr 2007 als 18-jährige Einspringerin ihr Festival-Debüt gegeben. Eigentlich habe sie ihr Programm „Twilight“ nennen wollen, doch wegen der Vampir-Serie entschied sie sich für „Nightfall“, den Einbruch der Dämmerung. In Anspielung auf ihre Erkrankung sagt sie: „Ich stehe am Beginn einer langen Reise und der Begriff ,Dunkelheit´ hat für mich eine neue Bedeutung.“

Alice Sara Ott musiziert mit klarem Anschlag

Die Debussy-Kompositionen, mit denen der Abend beginnt, strahlen wie polierter Marmor. Die vierteilige „Suite bergamesque“ macht den Anfang. Da der Saal abgedunkelt ist, kann das Publikum im Programmheft nicht mitverfolgen, welches Stück gerade erklingt. Bekannte Werke wie Claude Debussys „Clair de lune“ und später Eric Saties „Gymnopédie No 1.“ sind aber so bekannt, dass sie herausleuchten und kleine Orientierungspunkte sind.

Alice Sara Ott musiziert mit klarem Anschlag und lässt die Debussy-Werke sehr optimistisch erklingen. „Clair de Lune“ ist unter ihren Händen ein weich modulierendes Farbenspiel. Im „Passepied“, in dem Ott die Oberstimme klar herausmoduliert, trumpft sie auf dem Höhepunkt regelrecht auf.

Da die Stücke ohne Unterbrechung erklingen, und man hier sozusagen ein „komponiertes Programm“ erlebt, hört man die drei Komponisten des Abends und ihre Werke ganz neu und setzt sie in eine Beziehung. Die Gemeinsamkeiten sind nun viel stärker erfühlbar, wobei die Pianistin das Publikum quasi als Reiseführerin durch diese Stücke an der Hand nimmt.

Erschöpft, aber glücklich

Eric Satie wird so zum Ruhepol nach den verspielten Debussy-Kompositionen. Gleichzeitig scheint sich der Melodienreichtum Chopins aus den meditativen Klängen Saties heraus zu entwickeln. Chopins Nocturnes sind nun gar keine düsteren Nachtstücke mehr, sondern scheinen die Dunkelheit eher zu erhellen. Im Es-Dur Nocturne zeigt Alice Sara Ott dann sogar, welch ein Kraftpaket sie ist und meißelt die Klänge geradezu aus dem Flügel.

Am Ende des Abends ist Alice Sara Ott erschöpft, aber glücklich, schließlich wird sie vom Duisburger Publikum mit stehenden Ovationen und Bravo-Rufen gefeiert. Als Zugabe spielt sie Chopins letzte Komposition, den kleinen Walzer in a-Moll. Wir hoffen auf ein Wiedersehen mit der Münchener Pianistin.