Duisburg. . Der WAZ-Leserbeirat hat in einer anregenden Diskussion mit Duisburgs OB über die Innenstadt, den Nahverkehr und viele anderen Themen debattiert.
Unser Leserbeirat hatte den Wunsch geäußert, mit Oberbürgermeister Sören Link (SPD) persönlich über die Themen zu sprechen, die den Lesern unter den Nägeln brennen. Link nahm die Einladung der Redaktion nach eigenen Worten „wirklich sehr gerne“ an und stellte sich in einer munteren und kurzweiligen Diskussion den WAZ-Leserbeiräten.
Innenstadtkonzept
In Leserbriefen und Kommentaren, in Gesprächen und bei der Recherche bekommt die Redaktion es immer wieder gespiegelt: Der Zustand der Innenstadt und ein Konzept für selbige ist für viele Duisburger ein großes Thema. Anders ergeht es auch unserem Leserbeirat nicht. Die „Abkopplung“ der Altstadt, die Leerstände in der Königsgalerie, die Zahl der Selbstbedienungsbäckereien und Ein-Euro-Läden und der „viele Müll“ auf der Königstraße machen Leserbeirätin Ulrike Lohmann beispielsweise „nur noch traurig“.
Sören Link beteuert, er könne die Bedenken nachvollziehen. „Bei dem Bürgerentscheid zur Nutzung des ehemaligen Krieger-Geländes haben wir gesehen, wie groß das Interesse der Duisburger an der Innenstadtentwicklung ist“, so der OB. Link hätte auf dem Gelände zwar gern ein Outlet-Center gesehen, respektiert aber, dass die Bürger anders entschieden haben.
Der OB will dem Rat der Stadt bei seiner nächsten Sitzung am 25. Februar vorschlagen, die Verwaltung mit der Erarbeitung eines neuen Konzepts für das Gelände zu beauftragen. „Ich möchte, dass wir uns rund ein halbes Jahr Zeit lassen, um mit Bürgern und der Politik über die Gestaltung zu beraten. Bis zum Ende des Jahres soll aber ein Plan stehen“, so Link. Er präferiere einen Mix aus „Grün, Freizeit und Gewerbe.“
Dass Link in der Diskussion den Fokus auf das alte Güterbahnhofsgelände richtet, soll aber keine Ablenkung sein. Aus seiner Sicht geht die Entwicklung der Königstraße und damit auch die der Altstadt Hand in Hand mit diesem „Filet-Stück“. Link ist selber Betroffener der jüngsten Entwicklung an der Königstraße. Mit der Geschäftsaufgabe des Herrenausstatters Harders am Sonnenwall hat auch der OB sein Stammgeschäft für Anzüge verloren.
„Immer mehr Menschen bestellen im Internet. Ich tue das gelegentlich auch“, gibt Link zu und schiebt nach: „Das geht an die Substanz vieler inhabergeführter Geschäfte. Nur kann ich niemanden vorschreiben, wo er einkaufen soll“. Dass Geschäftsführer großer Ketten und Immobilien-Erben im Vergleich zu lokalen Boutique-Betreibern kein großes Engagement bei der Verschönerung der Königstraße zeigen, sei zwar äußerst bedauerlich, aber bei Weitem kein Problem, das Duisburg exklusiv habe.
Obgleich die Leserbeiräte Verständnis für Links Argumente aufbringen, glücklich sind sie mit den Ausführungen des Verwaltungschefs nicht. Versöhnlicher wird es, als Link verspricht, an einer attraktiveren Anbindung der Altstadt rund um die Münzstraße an die Königstraße arbeiten zu wollen. Der OB kann sich vorstellen, die Altstadt von einer nur mittelmäßig guten Einkaufsmeile hin zu einem Gastronomie- und Ferizeitbereich umzugestalten.
Sauberkeit
„Ich bin in Hochfeld, wo ich lebe, schon als Müll-Sheriff bekannt, aber die Vermüllung der Stadt ist stellenweise entsetzlich“, sagt Leserbeirätin Editha Bongartz und leitet das nächste Thema des Abend ein. OB Link reagiert mit einer zweiteiligen Antwort auf den Vorwurf der vermüllten Stadt. Zunächst unterstreicht er, dass die Smartphone-App der Wirtschaftsbetriebe mit der man unkompliziert wilde Müllkippen melden kann, bereits „mehr als 30.000 Mal“ genutzt wurde.
Auch die Null-Toleranz-Aktionen von Stadt und Polizei zeigten zumindest kurzfristig Wirkung, so der OB. „Ich nehme aber auch wahr, dass einige Bürger eine andere Auffassung von Sauberkeit haben. Die weggeworfene Kippe oder das Döner-Papier werden wir, so ärgerlich das sein mag, nicht gleich aufräumen können. So viele Menschen kann ich überhaupt nicht einstellen“, macht Link deutlich, und gibt zu, dass er nicht wisse, wie die Stadt Herr der Lage werden soll. Ein Hoffnungsschimmer könnten die Mittel sein, die für den Sozialen Arbeitsmarkt nach Duisburg fließen werden, so der OB.
Nahverkehr
Deutlich wird Sören Link im Gespräch mit den Leserbeiräten auch beim Thema Nahverkehrsplan. Nachdem es von mehreren Seiten Kritik an dem verabschiedeten Nahverkehrsplan gibt, weil beispielsweise eine Haltestelle an einem Supermarkt entfällt, sagt Link: „Natürlich ist der Nahverkehrsplan eine Mangelverwaltung. Ich hätte auch gerne mehr Linien und eine höhere Frequenz, aber das ist für eine Stadt wie Duisburg schlicht nicht zu finanzieren. Dass es jetzt so viel Unmut über den Nahverkehrsplan gibt, ärgert mich ein bisschen. Die Bürger konnten sich in der Planungsphase beteiligen, haben das aber nicht getan. Erst jetzt, da es zu spät ist und der Plan beschlossen ist, äußern sie sich. Wir müssen bei der Bürgerbeteiligung offenbar besser werden“, so der OB.
Deckel auf die A 59
Tunnel oder Trog? Der zuletzt aufgekommene Streit zwischen der Stadt Duisburg und NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst um eine mögliche Untertunnelung der A59 in Meiderich und Hamborn ist eine weiteres Thema, das der WAZ-Leserbeirat mit dem OB diskutiert. Während unsere Leser unterschiedliche Meinungen zu dem Thema haben, steht für Link fest: „Wie oft bekommt man schon die Chance, dass die Stadtautobahn renoviert werden muss. Das müssen wir nutzen. Der städtebauliche Mehrwert wäre enorm, wenn man die Oberfläche zum Beispiel für Fahrradwege und als grüne Achse nutzen könnte.“
Vom Disput um die Kosten einer unterirdischen Lösung sollten sich die Duisburger im Übrigen nicht blenden lassen, sagt der OB. Das sei Teil des politischen Geplänkels. Auf der Arbeitsebene zwischen Stadtverwaltung und Ministerium werde bereits an einem Kompromiss gebastelt. Denkbar: ein kürzerer Tunnel oder eine Trog-Bauweise.
Baumschutzsatzung
Emotional wird es beim Thema Baumschatzsatzung. Nachdem diese bekanntlich abgeschafft wurde, vernehmen die Leserbeiräte einen „Kahlschlag“ in der Stadt. „Ich halte es für unverantwortlich, dass es keine Satzung gibt. Ich sehe das bei uns. Viele Bäume in der Nachbarschaft werden abgeholzt und allenfalls durch kleine Obstbäumchen ersetzt“, ärgert sich Leserbeirat Wolfgang Franzen.
Dass im Gegenzug künftig aber Steingärten verboten werden könnten, weil sie ökologisch wertlos sind, stößt auf wenig Verständnis bei den Lesern, die sich strengere Verordnungen im Sinne einer grünen Stadt wünschen. Sören Link teilt diese Sorgen nicht. „Ich war bei der Abschaffung der Baumschutzsatzung nicht der Treiber, stehe aber hinter dieser Entscheidung. Ich sehe nicht, dass Duisburg abgeholzt wird. Mir haben viele – gerade ältere Bürger – immer wieder gesagt, dass sie die Satzung vor Probleme stellt, weil sie schlicht nicht mehr in der Lage sind, den Baum in ihrem Garten zu pflegen. Jeder sollte selber entscheiden dürfen wie er seinen Garten und Vorgarten gestaltet“, bekräftigt Link. Der OB gibt zu, dass er selber einen Schottergarten vor dem Haus hat. Einen Ausgleich für die Umwelt und die Insekten habe er dafür aber in seinem Garten gepflanzt.
Bauen und Schulen
Viele Schulen sind in einem für Lehrer und Schüler unzumutbarem Zustand. Das sehen nicht nur die Leserbeiräte so, auch der OB streitet das nicht ab. Dass er die vielen Fördermittel, die zur Zeit von Bund und Land zur Verfügung gestellt werden, lieber in die Renovierung der über 200 Schulgebäude stecken will, statt in Neubau-Projekte, begründet Link damit, dass es unfair den Schülern gegenüber wäre, die in den alten, heruntergekommenen Gebäuden bleiben würden.
Ein großes Lob für die Stadt gab es abschließend von Leserin Ulrike Lohmann aus Ungelsheim. „Die große Baustelle in unserem Dorf wurde zuletzt so gut koordiniert, dass wir nicht wie befürchtet wochenlang eingesperrt waren. Es war immer mindestens eine Einfallstraße frei“, so Lohmann.
Die Leser wollen dies auch als Plädoyer für einen Baustellenmanager interpretiert wissen, der dafür sorgen soll, dass Bauvorhaben so gut wie möglich mit allen Betroffenen abgestimmt werden.
>>> Entwicklung der Innenstadt
Martin Linne, der aller Voraussicht nach neuer Planungsdezernent in Duisburg wird, bekommt von Oberbürgermeister Sören Link gleich schon eine anspruchsvolle Aufgabe ins Arbeitsheft geschrieben. „Das erste, was Linne anpacken und umsetzen soll, ist ein neues Innenstadtkonzept“, verriet Link.
Der OB machte deutlich, dass am Güterbahnhof-Areal durchaus auch Abweichungen vom Masterplan des Star-Architekten Norman Foster denkbar sind.