Duisburg. . Prof. Dr. Dmitry Turchinovich und sein Team an der Uni Duisburg-Essen forschen mit Physikern aus Mainz und Dresden zum „Wundermaterial“.
Die Elektronik von morgen ist aus Graphen. Davon ist Prof. Dr. Dmitry Turchinovich überzeugt. Bis zu tausendmal schnellere Taktraten als heutige Silizium-Transistoren soll das „Wundermaterial“ erlauben – soweit die bisherige Theorie. Nun hat ein Team von Wissenschaftlern der Universität Duisburg-Essen (UDE), des Helmholtz-Zentrums in Dresden-Rossendorf (HZDR) und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (Mainz) gezeigt, dass Graphen tatsächlich elektronische Signale mit Frequenzen im Gigahertz-Bereich extrem effizient in Signale mit einer vielfach höheren Frequenz umwandeln kann. Die Ergebnisse stellt das Team im Fachjournal „Nature“ vor.
Potenzieller Nachfolger von Silizium
Das Graphen, das aus einer einzigen Lage sechseckiger Kohlenstoff-Atome besteht, wird seit mehr als zehn Jahren als das zukünftige Schlüsselmaterial der Nanoelektronik angesehen. Es gilt wegen seiner leichten Verfügbarkeit, hoher elektrischer Leitfähigkeit und Verwendbarkeit in allen existierenden Elektro- und Speichertechnologien als potenzieller Nachfolger von Silizium. Während elektronische Komponenten auf Silizium-Basis mit maximal einigen hundert Gigahertz (GHz) arbeiten, möchte die Industrie zunehmend in den etwa zehnmal schnelleren Terahertz-Bereich (THz) vordringen – Graphen könnte hier der Schlüssel sein.
Doch da wird’s kompliziert. „Bisher war es nicht gelungen, einige der wichtigsten vorhergesagten besonderen Eigenschaften von Graphen tatsächlich zu beobachten“, erklärt Turchinovich. So blieben seit zehn Jahren alle Versuche des Nachweises, dass Graphen ein elektromagnetisches Wechselfeld besonders gut in Felder mit viel höheren Frequenzen umwandeln kann, erfolglos.
Ergebnisse seien „bahnbrechend“
„Ein entscheidender Faktor ist die Dotierung des Graphen“, erläutert der UDE-Experimentalphysiker. „Für unser Experiment war entscheidend das man besonders viele freie Elektronen im Material hat. Das kann man bei der Erzeugung von Graphen beeinflussen.“ Die Forscher experimentierten mit verschiedenen anregenden Frequenzen und Feldstärken. So ist es ihnen gelungen, die Frequenz der einfallenden elektromagnetischen Wellen im Graphen bis zu siebenmal zu vervielfachen. „Außerdem konnten wir unsere Messungen mit einem einfachen Modell, das auf physikalischen Prinzipien der Thermodynamik basiert, quantitativ gut beschreiben“, so Turchinovich.
„Bahnbrechend“ seien die Ergebnisse, sagt Dr. Michael Gentsch vom Dresdner HZDR, dessen Forschungsgruppe wie die Duisburger zur Ultrakurzzeit-Physik arbeitet: „Unsere Resultate könnten den Weg für eine ultraschnelle Nanoelektronik auf Graphen-Basis ebnen.“ Eine große Hürde auf dem Weg von der Grundlagenforschung zur industriellen Nutzung sieht auch Dmitry Turchinovich beseitigt: „Ein effektiveres nichtlineares elektronisches Material als Graphen ist zur Zeit nicht bekannt. Das von uns untersuchte Graphen wurde mit einem für die Großproduktion geeigneten Verfahren hergestellt.“
>>>Fachgruppe für Ultrakurzzeit-Physik
Dmitry Turchinovich hat in St. Petersburg studiert und war nach seiner Promotion in Freiburg in Dänemark und am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz tätig. Im vergangenen Jahr hat er die Leitung einer Fachgruppe für Ultrakurzzeit-Physik an der UDE übernommen. Gemeinsam mit neun Mitarbeitern am Campus Duisburg und fünf Kollegen in Mainz forscht er zu ultraschnellen Prozessen in Festkörpern, Hauptmethode ist die Terahertz-Spektroskopie.
Seit 2013 beschäftigt sich der Experimentalphysiker mit Graphen. Seine Berufung an die UDE erfolgte im Zusammenhang mit der Einrichtung des Sonderforschungsbereichs 1242 – dort beschäftigen sich die Duisburger Physiker mit der Veränderung von Materialien auf ultrakurzen Zeitskalen.