Duisburg. . Die Kindernothilfe feiert 2019 ihren 60. Gründungstag. Die Vorstandsvorsitzende Katrin Weidemann spricht über die Arbeit des Hilfswerks.

Die ersten Patenschaften für Kinder in Indien vermittelten die Gründer der Kindernothilfe 1959, seither hat das evangelische Hilfswerk seinen Sitz in Duisburg, wo es sich zu einer der größten deutschen Nichtregierungsorganisationen entwickelt hat. Über den Einsatz für benachteiligte Kinder und deren Rechte in Entwicklungsländern und das Jubiläumsjahr 2019 spricht Katrin Weidemann, die Vorstandsvorsitzende der Kindernothilfe.

Kinderhandel, Kinderarbeit, Flucht, Krieg und Katastrophen – die Kindernothilfe engagiert sich auf vielen Feldern. Ist das manchmal zu viel.

Katrin Weidemann: Es sind viele Herausforderungen, aber wir merken auch, dass wir mit der Hilfe von vielen Unterstützern Lebenssituationen von 7,1 Millionen Kindern verbessert haben. Das ist die Motivation für uns, damit weiterzumachen.

Auf allen Feldern?

Auf vielen Feldern.

Könnte nicht eine Fokussierung auf wenige Themen wirksamer sein?

Wir haben ja Schwerpunkte. Im Schutz von Kindern verfügen wir über große Expertise, die wir in vielen Schulungen bei Partnerorganisationen weltweit und auch in Einrichtungen in Deutschland vermitteln.

Welche Prioritäten gibt es noch?

Zugang zu Bildung ist ein Schwerpunkt – Unterstützung von Kindern, die wirtschaftlich ausgebeutet werden, als Arbeiter in Steinbrüchen oder auf Plantagen schuften müssen. Insofern haben wir eine Fokussierung. Andere Themen sind zwar auch wichtig, werden aber nicht hausweit von allen bearbeitet.

In der humanitären Hilfe sind Sie ebenfalls aktiv.

Ja, das sind wir mit Bündnis „Entwicklung hilft“ dabei, legen den Fokus auf Kinderschutz-Zentren, wo Kinder in den ersten Tagen und Wochen nach einer Naturkatastrophe Unterkunft und Nahrung, später auch Bildungsangebote bekommen.

Bildung muss jede Regierung gewährleisten. Fühlen Sie sich da manchmal missbraucht?

Wir ermutigen unsere Partner-Organisationen, politische Arbeit in ihren Ländern zu leisten, um die Staaten an ihre Verantwortung zu erinnern. Auch die Stärkung von Netzwerken in Ländern, wo wir zumeist mehrere Projekte betreiben, sehen wir als unsere Aufgabe. Wir engagieren uns auch stark in der globalen Bildungskampagne, damit Kinder in entlegenen Regionen versorgt werden. Wir starten dort oft mit Partnern und erleben es immer wieder, dass diese Schulen nach einigen Jahren vom Staat übernommen werden. Das muss immer unser Ziel sein.

Ist es nicht manchmal frustrierend, dass sich auch nach 60 Jahren die Lage an vielen Orten nicht verbessert hat?

Es ist keine lineare Entwicklung. In den 1980er Jahren sind wir aus Zimbabwe schon mal rausgegangen, um dann nach einigen Jahren zurückzukehren. Aus anderen Ländern ziehen wir uns guten Gewissens zurück, andere werden aufgenommen. Wir orientieren uns am Human Development Index, schauen auf die Situation der Kinder. In fast allen Ländern im unteren Viertel der Rangliste sind wir aktiv.

Wie groß war die Versuchung für die Kindernothilfe, von Duisburg nach Berlin zu ziehen?

Vor einigen Jahren, als es hier zu eng wurde, gab es die Überlegungen, zusätzlich Räume in Berlin zu mieten. Es war eine sehr eindeutige Entscheidung für den Standort Duisburg. Ein Teil unserer Mitarbeiter ist immer unterwegs – auch in Berlin. Aber die Unterstützung hier ist fundamental – Duisburg gehört zu unserer Geschichte. Darum sind wir gern hier und wir werden auch hier bleiben.

Fühlen Sie sich in der Stadt ausreichend wahrgenommen?

Nach oben gibt es natürlich keine Grenze, was Resonanz und Wahrnehmung angeht. Wenn wir hier um Unterstützung anfragen, finden wir immer ein offenes Ohr. OB Sören Link ist für uns ein starker Botschafter, wir stehen auf der Webseite der Stadt. Es geht immer noch mehr, aber wir sind nicht unzufrieden. In der Flüchtlingshilfe können wir unsere Expertise einbringen, die stellen wir auch gern zur Verfügung. Damit werden wir auch wahrgenommen.

Zur Person: Katrin Weidemann

Katrin Weidemann hat in ihrer Heimatstadt München und in Tübingen ev. Theologie studiert. Nach dem Vikariat in München ging sie 1992 nach Tansania und leitete dort fünf Jahre lang eine Schule der „Evangelical Lutheran Church in Tanzania“.

Nach Tätigkeiten als Pfarrerin und in der Notfall-Seelsorge in München übernahm sie im Juli 2014 den Vorstandsvorsitz der Kindernothilfe.