Duisburg. . Der Bariton singt in der Duisburg-Premiere von Verdis „Otello“ den Jago. In der Inszenierung von Michael Thalheimer bleibt die Bühne schwarz.
Seine Stimme lässt Simon Neal keine Wahl: Er ist der Böse. „Ich bin kein Tenor, ich bekomme das Mädchen nicht“, scherzt der Engländer, der mit der Partie des Jago in Verdis „Otello“ am Donnerstag, 15. November, seine erste Rheinopern-Premiere im Duisburger Theater singt. Meist seien die Bösen aber auch die interessanteren und intelligenteren Figuren. Zumal wenn Shakespeare solche Archetypen erdacht hat wie Jago, der Otello um alles beneidet: Macht, Charisma – und die schöne Gattin Desdemona. Der sich aber in seinem Rachedurst nicht die Finger schmutzig macht, sondern seinem Freund Otello das Gift der Eifersucht so geschickt und in kleinen Portionen verabreicht, dass der an Jagos Freundschaft keinen Zweifel hegt. Er sät das Böse, aber mit dem, was dann wächst, hat er nichts zu tun. Seine Hände sind sauber, das Blut Desdemonas vergießt Otello.
„Wir haben so viele Jagos in unserer Welt“, sagt Simon Neal, der die Jagos in der Finanzwelt kennen gelernt hat, als er nach seinem Studium in Leicester zunächst den Gesang aufgab und sich nach London aufmachte, um Geld zu verdienen. Die Erfahrungen, die er damals in den 90er Jahren in der Wirtschaft gemacht hat, ließen ihn im Jahr 2000 zum Gesang zurückkehren – und blieben haften. Es sei kein leichter Weg gewesen, sagt Simon Neal, der ab 2006 an der Dortmunder Oper den letzten Schliff für seine Karriere erwarb. Die Liste seiner Gastspiele an renommierten Bühnen ist lang, an der Rheinoper ist er in dieser Saison im „Ring“ als Wotan/Wanderer zu erleben.
Weiß ist das Taschentuch
Ihn bewege stets die Frage, warum die Bösen so seien, die er mit Tiefe zeichnen will: der Folterer Scarpia in „Tosca“, „ein Soziopath“, oder der Kerkermeister Pizarro in „Fidelio“. Jago erschließe sich über das „Glaubensbekenntnis“ im zweiten Akt, das es bei Shakespeare nicht gibt. Darin erklärt er, dass es keinen Gott gebe und nach dem Tod nichts mehr sei. „Es gibt nur das Jetzt“, ist die Erklärung des Nihilisten für sein niederträchtiges Verhalten. Simon Neal fragt sich aber auch: Was wird mit Jago?
2014 hat er in Basel den Intriganten als Mafioso gespielt. Ganz anders die Inszenierung von Michael Thalheimer, dessen bildmächtige, kraftvolle Arbeiten als Theaterregisseur in Duisburg vom Akzente-Theatertreffen bekannt sind – Kleists „Pentesilea“ oder „Die Perser“ von Aischylos. Jetzt ist mit „Otello“ eine Opernregie zu sehen. Die Bühne bleibt schwarz, Licht fällt nur auf die Protagonisten, manchmal auch nur auf ihre Gesichter. Weiß ist das Taschentuch, das Otello schließlich zum Mord treibt, und weiß das Brautkleid, das Desdemona am Ende trägt. Bei Otello, der fremde Schwarze, der in Venedig so erfolgreich ist, obwohl er nicht aus „guter Familie“ stammt, ist das Gesicht kreisrund schwarz geschminkt wie eine Maske. Vielleicht spielt sich das Ganze ja nur in Otellos Kopf ab, eine Art Rückschau, in der er sich fragt, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte.
>>FOGLIANI HAT DIE MUSIKALISCHE LEITUNG
Die musikalische Leitung der dreistündigen Produktion hat Antonio Fogliani. Die Titelrolle singt Gustavo Porta, als Desdemona ist Brigitta Kehle zu hören, es singt der Chor der Deutschen Oper am Rhein (Leitung Gerhard Michalski), es spielen die Duisburger Philharmoniker.
Weitere Vorstellungen nach der Premiere am 15. November sind am 20. und 23. November sowie am 1. und 12. Dezember, jeweils um 19.30 Uhr (Einführung um 19 Uhr), am 9. Dezember ist der Beginn um 15 Uhr. Weitere Informationen gibt es auf www.theater-duisburg.de