duisburg/Düsseldorf. . Prominent besetztes Symposium debattierte am Montag unter anderem die paradoxe Möglichkeit eines europafeindlichen Europaparlaments

Keine 200 Tage mehr bis zur Europawahl am 26. Mai 2019 und schon jetzt ist klar: Diese Europawahl wird eine Richtungswahl zwischen nationalem Egoismus oder europäischer Solidarität. Und wenn es schlecht läuft mit der Wahl und die Europa-Verächtlichmacher in Form der extremen Parteien und Populisten können stärker mobilisieren als die Europa-Befürworter der Volksparteien, droht das EU-Parlament paradoxerweise zu einem Ort der Europafeinde zu werden. Schon heute. so schätzen politische Beobachter, sei jeder dritte Europa-Abgeordnete ein expliziter Gegner der EU.

Diese Thesen und manches Interessante mehr waren gestern, am Montag, Thema auf einem prominent besetztem Symposium des Netzwerks Europawissenschaften für NRW und des NRW-Ministers für Bundes- und Europaangelegenheiten.

Rechtsstaatlichkeit über Bord geworfen

Einen Tag lang tauschten im „Palais Wittgenstein“ in der Düsseldorfer Altstadt auf Einladung des Duisburger Politikwissenschaftlers Prof. Michael Kaeding, (Inhaber des Jean-Monet-Lehrstuhles der Uni Duisburg-Essen), Wissenschaftler, Journalisten, Politiker, Verwaltungsakteure und ein kundiges Fachpublikum in Sachen Europa ihre Einschätzungen und ihre Handlungs-Empfehlungen zum großen Projekt Europa aus.

Was tun mit Mitgliedern der EU, die ihre eigene Rechtsstaatlichkeit gerade über Bord werfen, die alles dafür tun, dass EU-Gelder weiterhin ihren nationalen Haushalt erreichen und anreichern und die ebenfalls alles tun, damit diese EU sich nicht weiterentwickelt.

Dissens über Europa der zwei Geschwindigkeiten

Über die Strategie des Umgangs entstand gestern auf der Bühne des Symposiums ein politischer Disput zwischen dem ehemaligen Leiter des ARD-Studios Brüssel, Rolf-Dieter Krause und dem NRW-Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Stephan Holthoff-Pförtner. Der TV-Mann plädierte leidenschaftlich für ein künftiges Europa der „zwei Geschwindigkeiten“, für ein Kerneuropa, in dem die Staaten guten Willens sich auf den Feldern der Sozial-, Außen- und Verteidigungspolitik weiterentwickeln und künftig zudem auch das „katastrophale Prinzip der Einstimmigkeit über Bord werfen“.

Krause: „Und wenn EU-Mitgliedsländer wie Ungarn oder Polen schon nicht Angst haben müssen, aus dem Club Europa rausgeschmissen zu werden, so sollen sie doch wenigstens Angst bekommen, politisch und ökonomisch abgehängt zu werden.“

Die EU als feiner Lions-Club?

Ein Weg, den der Christdemokrat Holthoff-Pförtner energisch ablehnt: „Ich benutze diesen Begriff der zwei Geschwindigkeiten gar nicht mehr. Warum sollten wir die ungarische Zivilgesellschaft, die Menschen, abstrafen, für Victor Orban?“ Und die EU als kleinen feinen Lions-Club einrichten? Die EU sei eine Wertegemeinschaft, so der Europa-Minister, die nichts zustande bringen werde, wenn es ihr nicht gelänge sich selber zusammenzuhalten.

Große Einigkeit herrschte im Saal darüber, dass eine EU-Wahl generell wichtig sei, aber die im kommenden Mai besonders wichtig sei. Holthoff-Pförtner: „80% der Deutschen will Europa, aber nur 43% gehen wählen, das muss ich ändern!“

„Die Liebeserklärung der Bürger für Europa“

Die Wissenschaftler Marcel Lewandowski (Uni Hamburg) und Robert Vehrkamp (Wissenschaftszentrum Berlin + Bertelsmann-Stiftung) erläuterten dem Publikum klug und akkurat die Begrifflichkeit und den Zusammenhang von Populismus und Euro-Skeptizismus, wie auch den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Wahlbeteiligung.

Ziel des Europa-Symposiums, so der Duisburger Politikwissenschaftler Michael Kaeding zur NRZ, sei es mit Hilfe der zahllosen Multiplikatoren im Publikum zu einem neuen „Europa-Narrativ“ zu kommen, aufzubauen, was die Europa-Aktivisten von „Puls of Europe einst „die Liebeserklärung der Bürger für Europa“ nannten. Die Idee ist richtig, allein die Zeit eilt voran. Keine 200 Tage mehr bis zur Europawahl am 26. Mai 2019.