Duisburg. . Werner Ruzicka leitet das Festival zum letzten Mal. Den Auftakt machte ein bewegender Film über deutsche Vergangenheit und traumatisierte Eltern.

Die Eröffnung der 42. Duisburger Filmwoche am Montagabend im Filmforum war der Beginn eines Abschieds. Mochte der „ewige“ Festivalleiter Werner Ruzicka auch versuchen, die Aufmerksamkeit davon abzulenken, dass er die Filmwoche über vier Jahrzehnte geprägt hat, seit 1985 als ihr Leiter, so ganz ohne Abschiedsworte ging es nicht. Es beeindrucke ihn, wie respektvoll Ruzicka mit Gesprächspartnern umgehe und wie er es verstehe, das Feuer der Leidenschaft für den künstlerischen Dokumentarfilm auf andere zu übertragen, sagte Kulturdezernent Thomas Krützberg zum Auftakt dieser „besonderen Filmwoche“. Das die Filmwoche weitergehen wird, hatte zuvor schon Oberbürgermeister Sören Link beim Empfang der Stadt im Grammatikoff deutlich gemacht.

„Das Festival schreit nicht nach einem Wechsel, es ist lebendig und hoch aktuell“, sieht NRW-Staatssekretär Klaus Kaiser die Filmwoche auch nach Ruzicka auf dem richtigen Kurs. Zuvor hatte Kaiser das Filmwochen-Motto „Handeln“ politisch gedeutet. „Kann öffentliches Sprechen Handeln sein?“, fragt er und warnte, dass eine Verrohung der Sprache im Politischen direkt mit Gewalt zusammen hänge und eine Gefahr für die Gesellschaft sei.

Gudrun Sommer, Leiterin des expandierenden Kinder- und Jugenddokumentarfilm-Festivals, dankte Ruzicka dafür, dass „doxs!“ an der Seite der Filmwoche selbstbewusst habe wachsen können. Hier werde Bildung nicht als Störung empfunden.

Samstag abends vor dem Fernseher ausruhen

Als gute Wahl erwies sich der Eröffnungsfilm „Kulenkampffs Schuhe von Regina Schilling, die sich gut daran erinnerte, vor 18 Jahren mit ihrem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm „Leben nach Microsoft“ zur Filmwoche eingeladen worden zu sein.

In „Kulenkampffs Schuhe“ verbindet die Filmemacherin die sehr persönliche Suche nach den unbekannten Seiten ihres Vaters, der starb, als sie elf war, mit der Geschichte Deutschlands von der NS-Zeit über Krieg- und Nachkriegszeit bis hin zu Willy Brandt. Als unterhaltsame, aus heutiger Sicht auch komische Folie dienen ihr die Unterhaltungsshows im jungen Fernsehen mit Beginn des Wirtschaftswunders, moderiert von Männern im Alter ihres 1925 geborenen Vaters, der als junger Mann in den Krieg zog.

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„Einer wird gewinnen“ mit Kandidaten aus acht Nationen und einem Hauch großer, weiter Welt; und mit den kleinen Versprechern des Ex-Gefreiten Hans-Joachim Kulenkampff, der sich im Krieg in Russland vier erfrorene Zehen selbst abschnitt. Hans Rosenthal mit dem braven „Dalli Dalli“ – und der Biografie des jüdischen Jungen, der knapp der Deportation entging und nur überlebte, weil er sich zwei Jahre lang in einer Laube in Berlin verstecken konnte. Der etwas jüngere Peter Alexander schließlich, der mit sanftem Charme über alles hinweg sang, was man ohnehin lieber vergessen wollte.

So zeichnet Regina Schilling ein vielschichtiges, differenziertes Bild, das nicht überheblich auf eine traumatisierte Generation schaut, die nach Kriegsende nach Wohlstand strebte und sich – zumal samstags Abends – erholen wollte. Die versuchte, Schuld und Tod, Verluste und Grausamkeiten zu vergessen, indem sie schwieg, vielleicht nicht anders konnte. Deren frisch gebadete Kinder, die samstags Abends mit den Eltern fernsehen durften, erst als Erwachsene Fragen stellten. Wenn es nicht zu spät war.