Duisburg. . Zum letzten Mal wird Werner Ružička in diesem Jahr die Duisburger Filmwoche leiten. Weggefährten und Filmenachen blicken zurück.
An seine erste Begegnung mit Werner Ružička kann sich Pepe Danquart lebhaft erinnern. „Das war in den 70ern. Er konnte sich sehr gewählt ausdrücken und jonglierte gekonnt mit filmischen Fachbegriffen“, schildert der Oscar-prämierte Regisseur und Produzent, der heute als Professor für Film an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg lehrt. Doch etwas anderes blieb auch nachhaltig in Danquarts Gedächtnis kleben: „Werner sah aus wie ein Rock-Star.“
Löwen-Mähne wie Rod Stewart
Es ist diese inzwischen in Ehren ergraute Löwen-Mähne, die seit Jahrzehnten Ružičkas Markenzeichen ist. „Die erinnert mich immer ein Stück weit an Rod Stewart“, erzählt Pepe Danquart am anderen Ende der Telefon-Leitung und lacht. Unzählige Stunden hat er inzwischen mit jenem Mann verbracht, der seit 1985 die Leitung der Duisburger Filmwoche inne hat. Und beim diesmal am 5. November beginnenden Festival des deutschsprachigen Dokumentarfilms im Filmforum am Dellplatz wird Ružička die Rolle zum letzten Mal spielen. Denn danach geht er in den verdienten Ruhestand.
Danquart gehörte über viele Jahre zu jener Auswahlkommission, die sich vor jeder Filmwoche immer gleich mehrmals trifft, um in stundenlangen Sitzungen die Wettbewerbsfilme aus den zu Hunderten eingereichten Dokumentationen herauszufischen. „In diesen Runden habe ich Werner als hellwachen Geist erlebt, der den Menschen zugewandt ist und ihnen gern hinter die Oberfläche schaut“, beschreibt Danquart. Und er lobt Ružičkas untrügliches Auge: „Bei den Sichtungen hat Werner ganz oft Dinge in Filmen entdeckt, die wir anderen nicht gesehen haben. Und er hatte fast immer Recht.“
Bei den Diskussionen über die Filmauswahl sei Ružička stets sein „phänomenales Gedächtnis“ zu Hilfe gekommen. Auch deshalb adelt der Hochschullehrer den Wegbegleiter als „einen der kenntnisreichsten Köpfe des deutschsprachigen Dokumentarfilms“.
Mit dem Ruhrgebiet verhaftet
Mit Ružička verbindet Danquart aber auf ewig auch das Ruhrgebiet: „Die schwere Arbeit und was sie mit den Menschen macht, das war immer auch Thema in Werners Filmen.“ Ružička sei in seinem Leben viel herumgekommen, mit dem Ruhrgebiet sei er aber eindeutig verhaftet. „Er trägt es tief in seinem Herzen und verfügt zudem über diesen typisch trockenen Ruhrpott-Humor“, so Danquart.
Und wie hat sich die Filmwoche verändert? Danquart hält kurz inne, ehe er antwortet: „Die Diskussionen über die Filme heute sind anders als damals.“ In den 80ern und 90ern sei die Dokumentarfilmszene „durchpolitisiert gewesen“, so Danquart. „Damals wurde aus einer politischen Haltung diskutiert. Aber diese Kultur des Streitgesprächs ist ein Stück weit verloren gegangen. Ich finde es heute nicht schwächer, nur etwas milder.“
Und was wünscht er Ružička zum Abschied? „Ich wünsche ihm Gelassenheit und Gesundheit“, so Danquart, „damit er im Wettstreit der Argumente im dokumentarischen Raum auch in den nächsten 15 Jahren teilhaben kann“. Als Festivalleiter mag Ružička aufhören, glaubt Danquart. „Als Mitdiskutant wird er uns erhalten bleiben.“
Zahlreiche Weggefährten von Werner Ružička melden sich zu dessen Abschied zu Wort
Auch zahlreiche weitere Weggefährten meldeten sich anlässlich des Abschieds von Werner Ružička als Leiter der Duisburger Filmwoche zu Wort.
„Werner Ružička ist der neue Mensch des Dokumentarfilms wie ihn Walter Benjamin für die Populärkultur beschrieben hat: Er hält es mit jenen, die das von Grund auf Neue zu ihrer Sache gemacht haben. Und was die Hauptsache ist, er tut es lachend.“
Vrääth Öhner, Film- und Kulturwissenschaftler, war von 2001 bis 2006 sowie von 2008 bis 2011 Mitglied der Auswahlkommission der Filmwoche.
„Scheinbar mühelos bringt Werner für ein paar Tage Cineasten und Cinephile, vertraute Gesichter und neue Gäste, Filmstudenten und Alte Hasen, Kritiker und Juroren zu einem freundlichen, bunten Treffen zusammen, eine (Kunst-)Familie auf Zeit, ohne Hierarchie und Berufsgruppentrennung. Ganz selbstverständlich miteinander zu reden, das waren nicht nur die gerühmten Debatten, das gab es auch im Filmwochenbüro, in Restaurants auf dem Sonnenwall und im Café Movies. Übrigens: Es wäre falsch, sich die Filmwoche als schrecklich ernste Veranstaltung vorzustellen. Das wäre mit Werner und den Gästen, die ich kenne, gar nicht zu machen gewesen.“
Werner Dütsch, ehemaliger Redakteur beim WDR, Dozent an der KHM Köln und der HfG Karlsruhe und Mitglied der Auswahlkommission der Filmwoche (2004-2011).
„Es hat mich beeindruckt, dass Werner uns Studenten auf charmante Art und Weise, ohne uns unter Druck zu setzen, zum Dialog aufgefordert hat. Seit ich ihn als Studentin kennenlernte, begleitete er meine Entwicklung als Filmemacherin und war immer ein interessierter und offener Kritiker. Die Förderung junger Filmemacher/innen liegt ihm wirklich am Herzen.“
Serpil Turhan, Filmemacherin in Berlin.
„Werner hat viele Gaben, und ich glaube, diese ist eine seiner größten: Mit seiner Art, Filme zu reflektieren und von Filmen zu sprechen, verführt er andere dazu, es ihm gleichzutun.“
Cristina Nord, Leiterin des Kulturprogramms Südwesteuropa im Goethe-Institut Brüssel, zuvor Leiterin des Filmressorts der „taz“ sowie 2012 und 2013 Mitglied der Filmwochen-Auswahlkommission.