Duisburg. . Roselyne Rogg, Chefin der Behindertenwerkstatt, findet, sie verdiene “nicht zu viel“. Ende Juni 2019 will sie dennoch aus dem Amt ausscheiden.
„Die Werkstatt für Menschen mit Behinderung zahlt nicht zu viel für mich“, wies Roselyne Rogg, Geschäftsführerin der Behinderteneinrichtung, Vorwürfe zurück, mit rund 370.000 Euro im Jahr zu üppige Bezüge zu erhalten: „Meine Leistungen rechtfertigen mein Gehalt“, erklärte die 54-Jährige am Dienstagmittag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Und kündigte an, wegen mangelnden Rückhalts im Aufsichtsrat Ende Juni 2019 ihre Tätigkeit bei der Werkstatt zu beenden.
Wochenlang hatte Rogg zu Presseberichten über ihr Einkommen geschwiegen. „Unterschiedliche, unvollständige oder falsche Informationen“ seien im Umlauf gewesen, die Reputation des Unternehmens und ihres ebenso seien „erheblich angegriffen worden“. Zugleich bestätigte sie, dass sie 2009 mit einem Einstiegsgehalt von 85.000 Euro plus 30.000 Euro Altersvorsorge plus 24.000 Euro Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen plus Dienstwagen bei der Werkstatt begonnen habe.
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Nach zwei vorherigen Einkommenssteigerungen hatte ihr Gehalt im Januar 2016 dann bei 200.000 Euro gelegen plus 100.000 für Altersvorsorge plus 24.000 für die Sozialversicherung plus 15 Prozent variable Bezüge bezogen auf das Fixum plus Dienstwagen. Diese Bezüge seien in einem von der Werkstatt in Auftrag gegebenen Gutachten als angemessen bezeichnet worden.
Harte und sehr lange Gehaltsverhandlungen
Den Gehaltserhöhungen vorausgegangen seien „sehr harte und sehr lange“ Verhandlungen mit dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und Stadtdirektor Reinhold Spaniel, der ihr Ansprechpartner gewesen sei: „Jedes Gehaltsgespräch ist im vorgeschriebenen Rahmen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden geführt worden.“ Spaniel habe 2016 den Eindruck vermittelt, erklärte die Stadt dazu, dass Rogg rund 150 000 Euro verdiene und damit „unverhältnismäßig wenig“. Diese Angabe sei offensichtlich falsch gewesen.
„Die Werkstatt für Menschen mit Behinderung steht besser da, als je zuvor“, verwies Rogg auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in ihrer Amtszeit. Von 2009 bis 20017 hätten sich die Einnahmen von 18 auf 26,7 Millionen Euro um 49 % erhöht. Die Umsatzerlöse seien in der Zeit von 1,1 auf 2,7 Mio Euro gestiegen, also um 145 %. Die Zahl der beschäftigten Menschen mit Behinderung sei um 20 Prozent auf 1106 angewachsen, die der nichtbehinderten Mitarbeiter um 50 % auf 200. Die Werkstatt sei in ihrer Amtszeit ein „Vorzeigeunternehmen“ und Trendsetter geworden, habe das Image von Behindertenwerkstätten insgesamt positiv verändert.
Aufsichtsrat tagt Mittwoch mit einem zusätzlichen Tagesordnungspunkt
Zudem habe sie seit 2009 die pädagogische, kaufmännische und technische Leitung, zudem die Verantwortung für Strategie und Personal in ihren Händen gehabt. Vorher habe es bei der damals noch kleineren Werkstatt zwei Geschäftsführer gegeben.
Am heutigen Mittwoch tagt der Aufsichtsrat, und der wird einen Tagesordnungspunkt mehr haben als geplant: Roselyne Rogg will die Geschäftsführung der WfBM in neue Hände legen und ihren Vertrag zum 30. Juni 2019 auslaufen lassen. Dass sie nicht sofort hinwirft, begründet sie mit ihrem Anspruch, „verantwortlich zu handeln“: Die Suche nach einem Nachfolger und die „geordnete Übergabe der Geschäftsführung“ brauche seine Zeit, in der sie das Unternehmen weiter führen wolle.
Stellungnahme von Oberbürgermeister Sören Link
„Zu keinem Zeitpunkt war ein Gehalt in der heute zur Rede stehenden Dimension mit Oberbürgermeister Sören Link abgesprochen – und es hat und hätte auch niemals seine Zustimmung gefunden“, teilte die Stadtverwaltung als Reaktion auf die Rogg-Pressekonferenz mit.
Die SPD-Ratsfraktion sieht keine Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit mit Roselyne Rogg und drängt auf sofortige Freisetzung der Werkstatt-Chefin, fristlose Kündigung und Prüfung von eventuellen Schadenersatzansprüchen. Man sehe sich durch ihr Verhalten getäuscht.
Stadt will das Handeln von Dezernent Spaniel überprüfen
„Der Aufsichtsrat der Werkstatt für Menschen mit Behinderung gGmbH prüft derzeit sowohl die Angemessenheit der Bezüge der Geschäftsführung als auch die tatsächlichen Umstände, wie die Vereinbarungen zur Höhe der Bezüge zu Stande gekommen sind. Als Gesellschafter leistet die Stadt Aufklärung, wo sie kann und unterstützt den Aufsichtsrat in seiner Aufklärungsarbeit uneingeschränkt“, teilte die Stadtverwaltung als Reaktion auf die Pressekonferenz der Werkstatt-Chefin Roselyne Rogg mit.
So werde derzeit auch die Ordnungsmäßigkeit der Handlungen des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Reinhold Spaniel in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied überprüft. Oberbürgermeister Sören Link betont: „Der Gesellschafter Stadt Duisburg sieht die Entwicklung der WfBM positiv und weiß um den Beitrag, den die Geschäftsführung dazu geleistet hat. Allerdings weiß die Stadt auch um ihre Verantwortung für die Menschen mit Behinderung in Duisburg, die weniger als in anderen Werkstätten im Landesvergleich verdienen.“
Zum von Rogg möglicherweise erweckten Eindruck, der Oberbürgermeister habe Kenntnis von dem Gehalt der Geschäftsführerin gehabt, sagt Link: Er sei von Spaniel im Mai 2016 kurz auf das Anstellungsverhältnis von Rogg angesprochen worden. Spaniel habe zuvor der Kämmerin eine vorzeitige Verlängerung des Rogg-Vertrages vorgeschlagen, dabei den Eindruck erweckt, dass Rogg rund 150 000 Euro beziehe. Da die Regelungen der Stadt eine Vertragsverlängerung frühestens ein Jahr vor Ablauf des Vertrages vorsähen, habe die Kämmerin in Rücksprache mit Link dem Ansinnen frühzeitig eine Absage erteilt: „Zu einer detaillierten Prüfung der Gehaltshöhe und der Gehaltsanpassung kam es deswegen nicht.“
Anmerkung der Redaktion: Wir werden auch in den kommenden Tagen über die aktuellen Entwicklungen rund um die Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderungen berichten. Besuchen Sie uns wieder, um alles Wichtige zum Thema zu erfahren.