Duisburg/Essen. . Als Prorektorin ist die Anglistin und Kulturwissenschaftlerin zuständig für gesellschaftliche Verantwortung. Aufgaben in Zeiten von Fake News.

Sie hat in der Schweiz gearbeitet und an der Elite-Universität Stanford als Humboldt-Stipendiatin geforscht. Als Prorektorin der Universität Duisburg-Essen für Diversität und Internationalität ist Barbara Buchenau also prädestiniert. Zu ihrem Aufgabenbereich, den sie im April übernommen hat, gehört auch die „Gesellschaftliche Verantwortung“. In Zeiten von Fake News gilt es, die Wissenschaft im öffentlichen Diskurs neu zu positionieren. „Für Donald Trump bin ich ja gewissermaßen Fachfrau“, sagt die Professorin für Nordamerikastudien.

Sind Sie die Außenministerin der Universitätsregierung?

Buchenau: Da ich für das Internationale zuständig bin, trifft das wohl zu. Es geht um die Wechselwirkung zwischen der inneren und der äußeren Vielfalt. Aber selbst war ich ja auch international unterwegs, zuletzt knapp drei Jahre in der Schweiz.

Neu hinzugekommen ist mit Ihrem Amtsantritt auch die gesellschaftliche Verantwortung. Wie füllen Sie den Begriff mit Leben?

Wir sind gerade dabei, den Begriff des akademischen Transfers auf eine breite Basis zu stellen. Wie verortet sich die Universität im gesellschaftlichen Umfeld, was erwartet die Gesellschaft von der Uni, was braucht die Uni, um gut arbeiten zu könne, wie stellen wir eine gute Zusammenarbeit sicher? Das sind wichtige Fragen unserer Arbeit.

Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung werden – etwa beim Klimawandel – zunehmend angezweifelt, bedauert UDE-Rektor Ulrich Radtke. Was kann eine Uni dagegen tun?

Es geht nicht darum, den Fake News einfach Real News entgegenzustellen. Wir müssen ein besseres Verständnis darüber erlangen, wie sich öffentliche Diskurse verschoben haben. Hinzu gekommen ist die Aufgeregtheit durch die digitalen Medien. Das Ziel muss sein, neues Verständnis zu bekommen für wissenschaftliches Arbeiten, das immer gründlich und deshalb langsam ist.

Es geht doch letztlich um Vermittlung von Resultaten und Fakten?

Wenn Sie sich das Trump-Amerika anschauen, dann entspinnen sich Konflikte nicht daran, dass Fakten nicht übermittelt werden. In der westlichen Welt hat die Faktenfreude nachgelassen. Fiktion, Fantasie und das Melodrama sind heute erfolgreiche Nachrichtenformate. Die Universität spielt eine wesentliche Rolle dafür, Menschen die realistische Erzählung wieder schmackhaft zu machen.

Dabei sollten Fakten doch die Basis jeder guten Politik sein?

Von Trump ist bekannt, dass er nicht auf seine Berater hört und die wissenschaftliche Beratung ebenfalls stark zurückgefahren hat. Auch in einigen europäischen Ländern hatten Universitäten schon eine höheren Stellenwert. Es gibt eine neue Elitenfeindlichkeit. Wir müssen analysieren, was sich da gerade verschiebt, um darauf zu reagieren.

Die Versuchung, auf Fakten zu verzichten, wenn’s nicht passt, ist groß. Was setzen Sie dem entgegen?

Wir hatten eine Weile den Luxus, dass wir uns darüber lange nicht so viele Gedanken machen mussten. In Deutschland sind die Zweifel an Eliten und am Expertenwissen noch nicht so stark ausgeprägt. Wer spezialisiertes Wissen nicht zulässt, begibt sich auf gefährliches Terrain.

Müssten Wissenschaftler sich nicht häufiger in aktuellen Diskussionen zu Wort melden?

Ja. Aber aber mit Bedacht. Die Wissenschaft sieht diese Beteiligung durchaus kritisch, weil es darum gehen muss, wissenschaftlich konzentriert an einer Sache zu arbeiten und aus dieser Sachkenntnis heraus zu sprechen.

Gilt das auch für die internationale Vernetzung der UDE?

Wir haben das neue Netzwerk Aurora aus neun europäischen Universitäten. Uns verbindet die explizite Rückbindung von Forschungsstärke an Vielfalt und Integration. Im Verbund lehren und lernen wir gemeinsam, wie wir uns besser aufstellen können.

Was muss passieren?

Es ist eine Frage von Strukturierung, Probleme zu identifizieren und gemeinsam anzugehen. Die Energiewende ist ein gutes Beispiel: Vieles, was wir an Beratung anbieten, können Unternehmen gut gebrauchen. Etwa bei der Frage: Wie können wir bei der Energiewende die Nachhaltigkeitszwänge so übersetzen, dass sie als Überlebenschance für eine Region verstanden werden? Wir brauchen da für die Forschung noch mehr stringente Interdisziplinarität.

Wie kann das gehen?

Mit dem Mercatorkolleg „Wir zusammen in Duisburg“ haben wir mit der Stiftung Mercator in Duisburg ein Graduiertenkolleg zur Weltoffenheit aufgesetzt. Es soll einen Stadtbezug geben. Wir wollen es nicht zu spezifisch ausschreiben, sonst bilden wir Leute aus, die das Eigene beforschen, aber es nicht nach draußen tragen. Wenn wir es gut machen, dann wird Duisburg erkennbar als ein exemplarischer Ort für gesellschaftliches Zusammenleben.

Was spricht dagegen, an der UDE zu Duisburg zu forschen?

Nichts. Die Übersetzbarkeit in andere Orte muss sein, deshalb ist auch die abstrakte Perspektive wichtig. Die Ergebnisse sollen über Duisburg hinaus relevant sein und gelesen werden. In der Wissenschaft gibt es aus gutem Grund die Tradition, den Untersuchungsgegenstand möglichst neutral und distanziert zu betrachten. Dabei kann das eigene Umfeld leicht auf der Strecke bleiben, aber diese Region ist so spannend wie kaum eine andere.

Und die Studierenden? Sind sie mobil genug, international unterwegs?

Mehr Mobilität wäre besser. Bei uns ist es nicht selbstverständlich, ein Semester im Ausland zu studieren, auch die Bewerbung um ein Stipendium ist noch zu selten auf dem Radar der Studierenden an der UDE. Das zu ändern ist schwierig, weil die Universitäten in NRW im Bundesvergleich personell besonders schlecht ausgestattet sind. Auch im Landesvergleich hat das Ruhrgebiet besonders ungünstige Betreuungsverhältnisse.

Entscheidend ist doch auch die eigene Motivation.

Entscheidend ist auch, wie die Leute ermuntert werden. Geht das, kann ich das – bei vielen ist da viel Unsicherheit. Viele arbeiten oder betreuen Familienangehörige neben dem Studium. Wir müssen uns fragen, wie wir die Studierenden bestmöglich begleiten können. Auch bei den Dozenten und Forschenden sollte die Internationalität selbstverständlicher werden, um konkurrenzfähig zu sein. Entscheidend ist eine bessere Betreuungsrelation. Da müssen wir mit der Politik über eine bessere Grundfinanzierung sprechen.

Außenministerin der UDE – ist das nicht eigentlich ein Vollzeitjob?

Das geht nur durch kollegiales Arbeiten. Ich möchte Akzente setzen, um es dann in andere Bereiche zu exportieren. Wenn Sie alles überall gleichzeitig machen, passiert gar nichts. Aber persönlich finde ich es sehr spannend, mich in eine Universitätsleitung einzuarbeiten.

„Internationalität sollte selbstverständlicher sein“


Geht es aber nicht auch da um Wissenstransfer?

Es gibt eine Rollenverschiebung bei den Erwartungen an Wissenschaftler. Dazu verhalten sich die Universitäten jetzt. Die Digitalisierung bietet da neue, aber nicht einfache Möglichkeiten. Es wird spannend zu sehen, wie wir es in der zersplitterten Medienlandschaft schaffen, uns zu positionieren. Wir müssen uns fragen, wie wir verschiedene Plattformen sinnvoll bespielen.

Das Tempo der Medien bleibt dennoch ein Problem?

Ja, denn es geht in unserer Arbeit schließlich nicht um Meinung, sondern um Befund. Ich werde dazu ermuntern, mit dieser Spannung auch öffentlich umzugehen. Mit Meinungen werden wir die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft nicht erhöhen. Der US-Präsident Donald Trump ist ein gutes Beispiel. Er spricht kontextspezifisch, ist ein Kind der Postmoderne und der Simulation. Er nutzt, was sich in der Wahrnehmung von Wirklichkeit verändert hat, für seine Zwecke. Ich fürchte, es steckt eine schreckliche Strategie dahinter. Aber weil Donald Trump beständig neue Widersprüche schafft, äußern sich viele Experten verhalten. Ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaft sich diese bedachte Verzagtheit und den Mut zur ruhigen Betrachtung leistet.

Wenn nicht Meinung, dann vielleicht doch eine fundierte Einschätzung?

Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, zu überprüfen. Wenn wir es schaffen, dafür in der Öffentlichkeit da zu sein, um Ruhe in heißgelaufene Diskussionen zu bringen, dann wäre das eine gute Aufgabe – wie ein Fallschirm hinter einem Raumschiff, damit es nicht zu hart landet.

Entwickeln die Universitäten dafür eine gemeinsame Strategie?

Es gibt Treffen der Rektoren und der Vizepräsidenten, die für Internationales und Diversität zuständig sind. Da berichten wir natürlich. Im Bereich gesellschaftliche Verantwortung ist die UDE erneut bundesweit Vorreiterin bei der Verankerung in der Hochschulleitung, wie auch schon beim Diversity Management 2008.

Wer gestaltet den Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft?

Es gibt hier im Ruhrgebiet schon einige spannende Formate. Wir sind aber noch nicht besonders professionell. Unsere beiden Städte merken gerade, dass sie eine Universität haben. Sie haben sich nicht als Wissenschaftsstädte beschrieben, als ich 2012 kam. Im Transferaudit des Stifterverbandes, das wir jetzt durchlaufen, war auch ein Vertreter aus der global agierenden Wirtschaft dabei. Er sagte, dass er zum ersten Mal von den tollen Sachen höre, die wir an der UDE machen.

Woran liegt das?

Weltkonzerne haben keine ausgeprägte regionale Orientierung. Da können wir vielleicht vermitteln. Es gibt einen großen Bedarf, die Verbindung zwischen unseren Städten, den dort ansässigen Konzernen und dem Wissenschaftsbetrieb zu stärken. Es gibt Verbindungen zur Industrie, aber ich würde mir mehr echte Kooperationen wünschen. In anderen Unistädten ist das viel ausgeprägter. Die Hochschule muss in ihrer Region zentral wichtig sein. Als junge Universität haben wir da gute Möglichkeiten, aber es ist noch viel Luft nach oben.