Duisburg. . Marie Wegener ist die jüngste DSDS-Gewinnerin - aber trotzdem stets geerdet. Das liegt auch an schlechten Erfahrungen. Ein Besuch in Duisburg.
Plötzlich ist alles still. Das erste Mal seit Monaten für das junge Mädchen aus Duisburg, das sich erschöpft aufs Hotelbett fallen lässt. Tief durchatmen. Die Mama legt sich dazu und flüstert: „Hey Marie, du hast es wirklich geschafft.“
Es ist 3 Uhr in der Früh, der erste Sonntag im Mai hat bereits angeklopft und der Sieg bei „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) ist erst ein paar Stunden alt. Die damals 16-Jährige könnte als jüngste Gewinnerin der RTL-Castingshow jetzt noch ausgelassen feiern. Will sie aber gar nicht.
Gerade mal 15 Minuten ist sie auf der offiziellen Siegesparty, bewegt sich da immer noch wie in Trance. Dann zieht es die Schülerin zu Familie und Freunden, die sie in einem voll besetzten Bus mit Sprechchören empfangen. Nach einer kleinen nächtlichen Irrfahrt durch Köln erreicht die Duisburgerin das Hotel. Den Kopf auf dem Kissen ist sie froh, jetzt nur noch die Gedanken tanzen zu lassen und allein mit Mutter Corinna (56) zu sein. Ihr hat Marie den entscheidenden Finalsong „Königlich“ gewidmet.
Eine besondere Beziehung zur Mutter
„Du bist da, stark für zwei, du bist da, mir so nah!“ heißt es am Ende der zweiten Strophe. Das trifft es sehr gut, findet Marie, wenn sie zwei Monate nach dem Triumph bei DSDS am heimischen Wohnzimmertisch über die besondere Beziehung spricht. „Meine Mama ist meine engste Bezugsperson, meine beste Freundin, der ich absolut vertraue und alles sagen kann.“
Ihre Mutter lächelt und kramt aus einer Tüte ein paar Kinderfotos hervor. Vor mittlerweile 17 Jahren ist Marie zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Marvin zur Welt gekommen. „Eine Quasselstrippe, sehr lebhaft, leider vor allem nachts – und ein liebenswerter Tollpatsch“, erzählt Corinna Wegener. Sie tippt auf ein Bild. Darauf ist ihre Tochter mit drei Jahren mit einem dicken Verband um den Daumen zu sehen. „Alles in ihrer Nähe war einsturzgefährdet, Verletzungsgefahr inklusive.“
Auf einem anderen Foto ist Marie gerade mal ein paar Monate alt und streckt den Zeigefinger energisch in Richtung Mama. Die muss grinsen. „Sie hat mir schon damals gesagt, wie der Hase läuft. Wenn sie etwas wollte, hat sie das auch durchgeboxt. Den Dickschädel hat sie von mir.“
Der Klavierlehrer entdeckte Maries Gesangstalent
Das Gesangstalent ist ihr allerdings nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden. Opa Willi hat mal im örtlichen Männerchor gesungen. Aber das große Potenzial in Maries Stimme entdeckt der Klavierlehrer. Die damals Elfjährige entschließt sich daraufhin, an der Castingshow „The Voice Kids“ teilzunehmen – und scheidet gegen die spätere Siegerin aus. Lange traurig ist die junge Duisburgerin darüber allerdings nicht.
Richtig zu schaffen macht ihr in dieser Phase etwas anderes. Marie wird auf dem Gymnasium gemobbt, die Mitschüler grenzen sie aus – eine sehr lange Zeit, von der fünften bis zur siebten Klasse. Da landete auch schon mal ein Tornister in ihrem Nacken. Warum, weiß sie bis heute nicht. Auch ihr Bruder Marvin ist betroffen. „Er hat das eher verdrängt, aber ich habe es irgendwann nicht mehr ausgehalten.“ Corinna Wegener kämpft wie eine Löwin für ihre Kinder, aber am Ende wechseln beide die Schule. Den entscheidenden Anstoß gibt letztlich Marie, die immer schon wusste, was sie will – und was nicht. Die schwierige Zeit lässt das eh schon innige Verhältnis zur Mutter noch enger werden; so eng, wie es zu Vater Dirk vielleicht gar nicht sein kann.
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Er schaut gerade im Wohnzimmer vorbei. Ein kurzes Hallo, der Malermeister hat nach der Maloche noch Farbe an Händen und Klamotten. Der 49-Jährige ist beruflich viel unterwegs, muss sich um den eigenen Betrieb kümmern. Fußball, aktuell die WM – das sind eher die Themen, die Marie mit ihrem Papa bespricht. „Die Sturheit hat sie von der Mama, das Sportliche von mir“, meint Dirk Wegener ganz trocken. Er hat immerhin bis zur A-Jugend beim MSV Duisburg gekickt, seine Tochter eiferte ihm sogar bis vor zwei Jahren noch nach – als Rechtsaußen beim SV Raadt in der Nachbarstadt Mülheim.
Schon lange ein Fan von Dieter Bohlen
Doch die Musik wird immer wichtiger. Bei „Deutschland sucht den Superstar“, sagt Marie, habe sie allerdings zunächst nur mitgemacht, um einmal Dieter Bohlen zu sehen. „Ich bin schon lange Fan von ihm. Klar, er haut auch schon mal Sprüche raus, aber bei DSDS habe ich ihn auch als tollen Familienmenschen kennengelernt.“ Die Jury um den Pop-Titan zieht Marie von Anfang an ebenso wie die Zuschauer in ihren Bann. Mit ihrer Stimme und ihrer bodenständigen Ausstrahlung.
Dabei ist das DSDS-Küken im Laufe der Show nicht immer so unbeschwert, wie es wirkt. Als Marie zwischendurch mit 24 Kandidaten nach Südafrika fliegt, fehlt ihr ein bisschen der Halt – so weit weg von zu Hause, von der Mama. Zweifel kommen auf, ob sie das alles schaffen kann. Sie übt von morgens bis abends. Auch in den Live-Shows, bei denen Familie und Freunde im Publikum zum Glück wieder mitfiebern können, gilt sie als die Fleißigste. Ohne verbissen zu wirken. Ihre Natürlichkeit verliert sie nie.
Die Mama als Managerin
Am Ende gewinnt Marie mit weitem Vorsprung – und kann sich kaum mehr vor Terminen retten. Das erste Album, Fernsehauftritte, Festivals. Für die Klausuren lernt sie im Auto oder Flieger. Mutter Corinna ist immer an ihrer Seite. „Sie ist meine zweite Managerin.“ Zwinker.
Die 17-Jährige kommt viel herum, trifft Promis wie Florian Silbereisen oder Andreas Gabalier. Und trotzdem freut sie sich am meisten, wenn sie mit der ganzen Familie zu Hause sein kann – wenn es alle, wie an diesem Nachmittag, in den Garten zieht. Es gibt klassisch Kaffee und Kuchen. Auf den hat auch Hund Rocky ein Auge geworfen, er lässt sich schließlich doch lieber von Marie bekuscheln. Der Elo gehört zu ihren Lieblingen, genauso wie Wellensittich Fratzi und Papagei Oskar.
Ihre Tierliebe ist groß. Seit drei Jahren ist sie überzeugte Vegetarierin. Auch Oma Brigitte (76) hat sich mittlerweile daran gewöhnt, dass die Enkelin ihre legendären Rouladen nicht mehr isst. Wenn Marie an den Wochenenden bei der Großmutter vorbeischaut, ist die Glitzerwelt des Showbusiness ganz weit weg. Dann kann die 17-Jährige zur Ruhe kommen – wie in der Nacht in jenem Kölner Hotelzimmer, als sie sich nur mit Mama Corinna ganz besonders königlich fühlt.