Duisburg. Der 21. Juni wurde von den Vereinten Nationen zum Welt-Yoga-Tag erklärt. Rund um den Globus gibt es verschiedene Aktionen – auch in Duisburg.

Vor drei Jahren haben die Vereinten Nationen den 21. Juni zum Welt-Yoga-Tag ausgerufen. Die Resolution, die von der indischen Regierung eingebracht und von 177 Mitgliedsstaaten unterstützt wurde, soll unterstreichen „dass globale Gesundheit ein langfristiges Entwicklungsziel ist.“ Seitdem treffen sich am 21. Juni Menschen am Brandenburger Tor in Berlin, auf dem Times Square in New York oder in Duisburg, um gemeinsam Sonnengrüße zu üben. Yoga liegt im Trend. In Duisburg gibt es zahlreiche Studios, in denen man Kurse belegen kann: Solche zur Entspannung, andere, um sich zu verausgaben. Eine Auswahl.

Auf dem Wasser

„Uii, ganz schön wackelig“, juchzt Nadine Döring und paddelt mit den Armen weiter auf den Masurensee. Sie und einige andere haben bei „Aloha“ eine Yoga-Stunde auf einem Stand-Up-Paddle-Board gebucht. Jeden Dienstag bietet Julia Szawarski hier einen Kurs an. Es ist ein sommerlich-lauer Abend und mit Blick aufs Wasser fühlt man sich sofort wie im Urlaub. „Es ist einerseits anstrengend, weil man das Gleichgewicht halten und sich immer wieder stabilisieren muss. Andererseits sind die meisten sofort entspannt und im Flow, wenn sie am See sind“, erklärt die Trainerin, die seit fünf Jahren Yoga-Kurse gibt und in Indien ausgebildet wurde. Sie hatte die Idee, Yoga und Stand-Up-Paddling miteinander zu verbinden – schließlich finden auch Cross-Fit-Stunden auf den Brettern statt. Bei den Yoga-Übungen fallen im Schnitt zwei Leute ins Wasser.

Kursleiterín Julia Szawarski hat keine Angst, nass zu werden. Auf dem Wasser fühlen sich viele ihrer Teilnehmer wie im Urlaub.
Kursleiterín Julia Szawarski hat keine Angst, nass zu werden. Auf dem Wasser fühlen sich viele ihrer Teilnehmer wie im Urlaub. © Jörg Schimmel

Dagegen kämpfen Nadine Dörner und Melanie Keding gerade an. „Langsam aufstehen“, rät Julia Szawarski. Die Sportler recken die Arme und legen die Handinnenflächen aufeinander. Atmen. Entspannen. Wieder herunterbeugen. Das wäre geschafft. „Ich hab’ bisher nur Bier-Yoga ausprobiert. Das war sehr lässig“, verrät eine Teilnehmerin. Auf dem See gefällt es ihr aber auch ganz gut. „Man muss nicht unbedingt vorher viel Yoga gemacht haben, um auf dem Brett mitzumachen“, sagt Julia Szawarski. Am Ende ist dann doch keiner ins Wasser geplumpst. Zum Glück.

Erfahrung brauchen Teilnehmer nicht unbedingt, um teilzunehmen. Julia Szawarski (2.v.re.) hat sich auch in Indien ausbilden lassen.
Erfahrung brauchen Teilnehmer nicht unbedingt, um teilzunehmen. Julia Szawarski (2.v.re.) hat sich auch in Indien ausbilden lassen. © Jörg Schimmel

Bessere Körperwahrnehmung

Kay Schmiedler ist ausgebildete Fitness-Trainerin und hat ganz viele Aerobic- und Power-Kurse gegeben, bevor sie zum Yoga kam. „Es gab eine Zeit, da fand ich Yoga total schrecklich.“ Erst als sie eine Mischung aus Pilates und Yoga kennen lernte, war ihr Interesse geweckt. Ihre Angebote sind noch immer sehr kraftvoll, beinhalten weniger Meditation. „Jeder kann mitmachen. Ich passe die Übungen an, wenn ich sehe, dass etwas nicht gut funktioniert.“ Mit der Zeit werde der Körper beweglicher. „Die Menschen bekommen eine andere Körperwahrnehmung und lernen, sich besser anzunehmen.“ Viele kommen auch wegen körperlicher Probleme und Schmerzen. Ihnen können die Asanas helfen.

Das bestätigt auch Florian Männel, Leiter des therapeutischen Dienstes am Helios Klinikum. „Yoga kann für den Körper durchaus positive Effekte haben, denn es fördert die Beweglichkeit der Muskulatur, Sehnen und Gelenke.“ Dehnen und Kräftigen steigere die Durchblutung, gleichzeitig werden Schmerzen gemindert und die Haltung verbessere sich.

Kay Schmiedler hat viele Jahre Power-Kurse unterrichtet, bevor sie ihr Studio „Kayoga“ im Sportpark Diergardt eröffnete.
Kay Schmiedler hat viele Jahre Power-Kurse unterrichtet, bevor sie ihr Studio „Kayoga“ im Sportpark Diergardt eröffnete. © Jörg Schimmel

Auch bei Kay Schmiedler verändert sich der Körper regelmäßig und wird dehnbarer. Vor einem Jahr hat sie ihr eigenes Studio „Kayoga“ im Sportpark Diergardt eröffnet. Das Jahrtausende alte Mantra für Frieden und Harmonie „Lokah samastah sukhino bhavantu“ steht an der Wand geschrieben. Übersetzt bedeutet es so viel wie: „Mögen alle Menschen auf der Erde glücklich sein.“ Ihr Beitrag zum Welt-Yoga-Tag, um die Welt ein bisschen besser zu machen: Sie bietet ihre Stunden kostenlos an. Wer möchte kann stattdessen Geld spenden, das dem Malteser Hospiz zu gute kommt. „Es gibt Fragen, die werden bei Google nicht beantwortet“, hat sie als Slogan auf eine ihrer Postkarten drucken lassen. Einige finden durch Yoga ihre Antworten.

Nach 30 Jahren in Rente

Nach 30 Jahren verabschiedet sich Joseph Manikath in Rente. 1979 kam der aus Kerala stammende Kursleiter nach Duisburg und hat seitdem 62 Kurse an der Volkshochschule gegeben. Mehr als 800 Teilnehmer haben bei ihm herabschauende und heraufschauende Hunde praktiziert. „Viele sind über Jahre zu mir in die Kurse gekommen. In den vergangenen Jahren ist das Interesse an Yoga gewachsen“, erklärt der 72-Jährige. Weil er mit seiner Frau wieder einmal eine längere Zeit nach Indien fahren möchte, hat er sich nun entschieden, in den Yoga-Ruhestand zu gehen. „Yoga hilft auf jeden Fall, sich jünger und fitter zu fühlen.“ Jede Stunde beginnt er mit einem Sonnengruß. „Den macht man traditionell, um den Tag zu begrüßen. Selbst wenn man die anderen Übungen nicht mitmacht, kann man immer einen Sonnengruß üben.“

Schritt für Schritt: So funktioniert der Sonnengruß

 

Joseph Manikath zeigt die Positionen des Sonnengrußes. Ihn gibt es allerdings auch in verschiedenen Varianten. Zunächst stellt man sich gerade hin, presst die Hände aneinander zum Gruß. Die Füße sind dicht beieinander..

 

Einatmen. Die Arme werden nach oben gestreckt, die Handflächen zusammengeführt. Mit entspanntem Nacken wird der Blick nach oben gerichtet.

 

Beim Ausatmen beugt man sich hinunter. Die Hände werden neben den Füßen abgelegt. Die Beine sind gestreckt und leicht gebeugt. Mit den Fingerspitzen auf dem Boden abstützen, der Blick ist nach vorne gerichtet.

 

Mit dem Einatmen geht man mit beiden Füßen nach hinten. Der  Rumpf ist dabei angespannt.

 

Mit dem Ausatmen schiebt man seine Hüfte nach hinten und oben. Die Füße sind möglichst flach auf dem Boden. Der Körper sieht jetzt aus wie ein Dreieck, der Po ist der höchste Punkt. Die Position halten.

 

Anschließend werden die Füße wieder nacheinander nach vorne gesetzt. Der Oberkörper sinkt wieder Richtung Boden, die Hände zu den Füßen.

 

Mit der Einatmung werden die Arme  zur Seite genommen, der Oberkörper kommt langsam hoch.  Nach oben schauen und die Handflächen zunächst über dem Kopf, dann vor dem Körper zusammenführen. Das ist die Ausgangsposition für die nächste Runde.

1/7

Dies können auch seine Teilnehmerinnen bestätigen. Doris Wikker ist schon seit vielen Jahren dabei. „Yoga tut mir gut.“ Schade sei es, dass Joseph Manikath künftig keine Kurse mehr gebe. Eine Nachfolgerin, die ab dem nächsten Semester übernimmt, ist aber schon gefunden worden. Und privat wird er ganz sicher noch den einen oder anderen Sonnengruß praktizieren. „Namaste“.

„Ein gutes Fundament für das eigene Leben“

Stefanie Schiele-Grahl und ihr Mann Christian betreiben die Schule „Shaanti Ultra“. Ein Indien-Aufenthalt veränderte ihr Leben.

Alles begann, als Stefanie Schiele-Grahl in einer Frauenzeitschrift einen Artikel über Yoga las. „Das hat mich irgendwie interessiert“, erzählt die Frau, die von ihren Freunden und Schülern „Tiffy“ gerufen wird. Später, als in einem Surf-Urlaub Yoga angeboten wurde, probierte sie die Übungen, Asanas genannt, aus. „Am Ende war Yoga viel anstrengender als Surfen“, erzählt sie und lächelt. Ihr Interesse war geweckt. Da es in ihrer Wahl-Heimat Mülheim allerdings keine passende Schule gab, fuhr sie regelmäßig quer durch Deutschland, um verschiedene Formen auszuprobieren und sich ausbilden zu lassen. Seitdem hat sich das Leben von ihr und ihrem Mann Christian grundlegend geändert.

Stefanie und Christian Schiele-Grahl haben sich beide in Indien ausbilden lassen.  Mittlerweile nehmen immer mehr Männer bei ihnen Stunden.
Stefanie und Christian Schiele-Grahl haben sich beide in Indien ausbilden lassen. Mittlerweile nehmen immer mehr Männer bei ihnen Stunden. © Tanja Pickartz

„Ich habe viel ausprobiert“, erklärt sie. „Iyengar“ zum Beispiel, „Sivananda“ oder „Kundalini“. Die unterschiedlichen Stile haben verschiedene Schwerpunkte. Beim „Kundalini“ liegt der Fokus auf dem Nervensystem. Iyengar ist traditionell, die Asanas werden lange gehalten und sind dadurch anstrengender. Stefanie Schiele-Grahl sog die unterschiedlichen Anregungen auf, bot parallel auf dem Bauspielplatz, auf dem sie arbeitete, für Kinder Unterricht an. Später machte sie Asanas mit suchtkranken Menschen.

Indien-Besuch 2010 ändert Stefanie Schiele-Grahls Leben

Dennoch blieb sie auf der Suche, entdeckte schließlich „Ashtanga“; eine sportlich-dynamische Variante, bei der die Körperübungen genauso wichtig sind wie Atemkontrolle und das so genannte Yoga-Sutra. Dieser Leitfaden beinhaltet acht Regeln, regt etwa Disziplin, ethisches Handeln und ein gewaltloses Leben an. Auch das reichte ihr nicht. Sie wollte mehr und flog 2010 nach Indien, um in Mysore ihre heutige Lehrerin Saraswathi Jois zu treffen. Danach stand ihr Entschluss fest: Sie gab ihren Job auf dem Bauspielplatz auf; entschied, hauptberuflich Yoga zu unterrichten. „Natürlich gab es im Umfeld Leute, die sich Sorgen gemacht haben, ob das eine gute Idee ist. Aber ganz ehrlich: Wenn ich Angst hätte, könnte ich kein Yoga unterrichten. Yoga bedeutet, nicht zurück zu schauen und nicht an die Zukunft zu denken, sondern im Moment zu leben.“

Ganesha ist eine der beliebtesten Formen des Göttlichen im Hinduismus. Meditation gehört bei „Shaanti Ultra“ zu einer Yoga-Stunde dazu.
Ganesha ist eine der beliebtesten Formen des Göttlichen im Hinduismus. Meditation gehört bei „Shaanti Ultra“ zu einer Yoga-Stunde dazu. © Tanja Pickartz

Sie kam zurück und eröffnete ihre erste Schule „Beweggrund Yoga“. Die ersten Teilnehmer kamen von allein. Mehr noch: Sie stand um 4 Uhr auf, um zu praktizieren. Die Schule öffnet um sechs Uhr. Ihr Mann Christian, gelernter Gärtner, war zum Glück auch Frühaufsteher. Inzwischen ist er ebenfalls Yoga-Lehrer. „Ich habe in meinem Job immer körperlich schwer gearbeitet, Steine hin und her geschleppt.“ Bei den ersten Yoga-Einheiten, die er mit seiner Frau machte, fühlte er sich zwar „ausgepowert, aber wohl“ in seinem Körper.

Sattvische Ernährung gehört dazu

Fortan gehörten „Ashtanga“-Asanas und ein neuer „Yoga“-Lebensstil dazu: Eine sattvische Ernährung, die nur aus pflanzlichen, frischen Produkten besteht, nachhaltig leben, keine Ausschweife. „Wenn wir morgens so früh aufstehen, dann ist von vorneherein klar, dass die Party nicht so lange dauert“, erzählt er lächelnd. Wenn sie in Urlaub fahren und unterwegs gibt’s nur Convenience-Essen, nehmen sie sich eben etwas mit. Ist das nicht möglich, wird vorübergehend gefastet. „Yoga bedeutet nicht nur Körperarbeit, sondern ein gutes Fundament für das eigene Leben“, betont Stefanie Schiele-Grahl.

Neben der Praxis gibt’s auch Weiterbildung im Yoga-Sutra. Die Lehrer und Schüler spenden regelmäßig an einen Tiergnadenhof oder andere soziale Projekte in Indien. Und die Teilnehmer kommen. Es waren sogar so viele, dass das Paar vor einigen Jahren in Neudorf eine weitere Schule eröffnete. „Die Leute sind auf der Suche. Sie wissen, dass es nicht immer so weiter geht. Ein bisschen mehr Demut tut uns gut“, sind sich beide einig.

2018-06-08-FAR_2258.jpg
© Tanja Pickartz | „Puja“ wird dieser Schrein genannt, ein Ort der Ehrerweisung an indische Gottheiten.

Unterricht wechselweise in Duisburg und Mülheim

Nun unterrichten sie jeden Tag wechselweise morgens und abends in Duisburg und Mülheim. Und da Christian Schiele-Grahl fester Bestandteil des Teams ist, wurde aus „Beweggrund Yoga“ der Name „Shaanti Ultra.“ Seitdem kommen auch mehr Männer, nicht nur, weil Yoga gerade ein Trend ist. „Tatsächlich sind die Stunden am Morgen am besten gebucht, weil die Welt dann noch ganz still ist“, hat Christian Schiele-Grahl beobachtet. Unterrichtet wird individuell. Bis zu zehn Schüler können zeitgleich den Sonnengruß üben. Die Lehrer korrigieren Haltungen, machen Alternativ-Vorschläge, wenn es irgendwo zwickt. „Yoga ist nicht nur etwas für super sportliche Menschen. Bei uns trainieren dicke und dünne, Kinder und Ältere. Wir trennen die Stunden nicht“, erklärt Stefanie Schiele-Grahl.

Nicht alle bleiben am Ball. Einige schnuppern mal hinein und probieren anschließend einen anderen Stil aus. „Für einige ist Yoga eine Insel, auf die sie aus dem Alltag schnell draufhüpfen und Kraft tanken.“ Für sie und ihren Mann bedeutet Yoga die ganze Welt.