Marxloh.. Anja Humbert war mit Hund Bogi auf dem „Camino del Norte“ unterwegs, einem Jakobsweg. Ein Gespräch über Sinnsuche und Blasen an den Füßen
Anja Humbert war dann mal weg. 650 Kilometer ist sie in 25 Tagen gelaufen. Immer mit dabei: Hund Bogi, ihr kleiner schwarzer Hütehund. Die Pfarrerin ist den „Camino del norte“ gepilgert, einen Jakobsweg, der im Norden Spaniens an der Küste entlang läuft. Irgendwo im baskischen Niemandsland sind sich die Redakteurin Fabienne Piepiora und die 51-Jährige durch Zufall begegnet. Es regnete, die Klamotten waren nass – zum Glück hatte die Bar in dem verschlafenen Nest zwischen San Sebastian und Bilbao geöffnet. Nach dem Trip führten beide ein Gespräch in der Kreuzeskirche – über ihre Eindrücke, Elektrokerzen, Blasen und Sinnsuche.
Können sich Hunde eigentlich Blasen laufen?
Können sie. Deshalb war das Wetter ganz gut, auch wenn der Regen zwischendurch nervig war. Sonst wären die Wege über Asphalt für Bogi schwierig geworden.
Und was machen Ihre Füße?
Ich hatte keine Probleme. Nur einmal habe ich mir eine Blase eingefangen, direkt am Anfang, als es Sturzbäche geregnet hat und die Schuhe gar nicht mehr trocken wurden. Später, als es nicht mehr so steil war, habe ich nur noch meine Crocs getragen. Mit denen kann ich einfach am besten laufen.
War es Ihre erste Erfahrung auf dem Jakobsweg?
Nein, ich bin 2009 den Camino Francés gepilgert, der auch von Hape Kerkeling beschrieben wird. Später war ich noch einmal mit einer Gruppe der Gemeinde auf dem Camino. Allerdings hat mich erschreckt, wie kommerzialisiert dieser Weg inzwischen ist. Überall gibt es Bars, Kitsch. Das ist auf dem ,Norte’ anders. Die Leute sind noch nicht so daran gewöhnt, dass Pilger durch die Orte kommen. Es gab Stunden, da war ich ganz alleine unterwegs, keiner vor mir, keiner hinter mir. Das ist eine wahnsinnige Stille und eine gute Gelegenheit, mit sich und Gott ins Reine zu kommen.
Bei mir war ja eher das Motto „Mehr Wein als Weihrauch“ – warum sind Sie gepilgert?
Ich habe immer davon geträumt, eine längere Strecke mit Hund zu gehen. Ich habe mir das bewusst ausgesucht, weil ich es nicht so einfach haben wollte. Rucksack packen, loslaufen, abends wissen, dass man ein Bett findet. Mit Hund musste ich mich vorher informieren, habe nur zweimal in Herbergen schlafen können.
Engel am Wegesrand
Da haben Sie nix verpasst. Seien Sie froh, dass Sie keine Zimmer mit Schnarchern teilen mussten...
Stimmt. Andererseits hat man in den Herbergen auch den Austausch mit anderen Pilgern. Das habe ich manchmal vermisst. Zweimal ist es auch eng geworden, weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort war. Zum Glück gab’s Engel am Wegesrand: Es war an einem Wochenende und ich bin mit Bogi in einem touristischen Ort angekommen, in dem eine Sportveranstaltung stattfand. Alles war ausgebucht. Also habe ich angefangen zu telefonieren, um mir etwas Neues zu suchen. Das hat ein deutsches Paar mitbekommen, das mit einem Wohnmobil unterwegs war. Die Beiden haben mich netterweise ein Stück ins nächste Dorf mitgenommen, dort gab es noch einen Schlafplatz. Später haben wir uns dann nochmal wieder gesehen. Es war wieder alles ausgebucht. Ich war relativ gelassen und habe mir erstmal die Kirche angeschaut. Das war mein Glück, die beiden waren auch dort und haben scherzhaft gefragt, ob sie uns wieder retten sollen. Bogi und ich sind also wieder mitgefahren. War das alles Zufall?
Welche Erfahrungen haben Sie mit den Spaniern gemacht?
In Santander bin ich ein bisschen schief angesehen worden. Ich saß mit Bogi auf der Promenade mit meiner dreckigen Kleidung. Die Spanier, die dort mit ihrem Hund gegangen sind, waren alle totchic. In Galizien sind die Menschen sehr freundlich. Das ist das letzte Stück des Wegs, dort kommen viele Pilger vorbei. Vorher habe ich eine Nacht auf einem Bauernhof verbracht. Die Besitzerin und ich haben viel gelacht. Sie hatte ein Handy in der Hand, ich auch und dann haben wir uns mit Hilfe vom Googletranslator unterhalten.
Haben Sie etwas vermisst?
Ich habe gemerkt, mit wie wenig man auskommt. Ich hatte drei Wechselmonturen mit, habe nur einmal fern gesehen – da lief Bayern gegen Real Madrid. Ich war abends so kaputt, da gab’s gar keine Gelegenheit, an irgendwelche Probleme zu denken. Unterwegs ist man klar mit seinen Gedanken.
Ihre Bilder, die Sie auf Facebook gepostet haben, hatten 8000 Likes. Hat Sie das überrascht?
Viele sind auf der Suche. Sie merken, dass die Seele in der schnelllebigen, übersättigten Gesellschaft nicht satt wird. So ein Weg gibt einem Kraft, führt einen in die Stille und Natur. Natürlich kann man den Camino auch unter kulturellen Aspekten laufen. Ich fand es schade, dass so wenig Kirchen geöffnet hatten. Ich hätte mir gerne mehr Gotteshäuser angeschaut.
In der Kathedrale in Santiago geht es ja zu wie im Taubenschlag – und dann sind noch nicht mal die Kerzen echt...
Schrecklich. Das war aber vor acht Jahren schon so. Da schmeißt man einen Euro ein und schon gehen automatisch Kerzen an. Für mich haben Kerzen etwas mit Wärme und dem Schein zu tun. Ich hatte aber von einigen Gemeindemitgliedern Geld bekommen und versprochen, für sie Kerzen anzuzünden.
Vorträge über die Reise sind geplant
Haben Sie sich eine Compostela geholt?
Ja, aber nicht, um mir etwas zu beweisen. Im evangelischen Glauben muss man nicht pilgern, um vor Gott seine Sünden vergeben zu bekommen. Ich bin von Gemeinden angesprochen worden, ob ich Vorträge über meine Reise halten könnte. Für diese Gelegenheit habe ich die Compostella dabei.
Was wird die nächste Reise?
Im Sommer fahre ich mit Bogi und meinen anderen Hunden in die Bretagne. Als Pilgerin würde mich noch der Franziskusweg interessieren. Erstmal versuche ich aber, möglichst viel von der Gelassenheit in den Alltag zu retten.