Duisburg. . Pferdesattler ist einer der seltensten Berufe. Für Christina Ludwig ist er Passion – sie kann sich vor Aufträgen kaum retten.

Das Hobby zum Beruf machen: Davon träumen viele. Mutig genug, die Träume auch in die Tat umzusetzen sind nur wenige. Christina Ludwig ist eine von ihnen. Die 29-Jährige hat sich vor vier Jahren als Sattlerin selbstständig gemacht. Ohne Familientradition, ohne Bestandskunden, einfach so, weil es ihr eine Perspektive bot, die ihr ein Leben lang Spaß machen würde. „Ich habe mich nach dem Abi natürlich gefragt, ob ich nicht lieber einen Beruf wählen soll, der lukrativer ist und nicht so viele Risiken birgt. Aber ich wollte das unbedingt machen.“

Gelernt hat die Pferdenärrin ihr Handwerk in Geldern bei einem der wenigen Pferdesattler, die es noch gibt. Dabei sind ihre Fertigkeiten heute so gefragt wie lange nicht. „Jeder Reiter sollte etwa einmal im Jahr zum Sattler, um Sitz und Festigkeit überprüfen zu lassen. Die Muskulatur der Pferde ändert sich ständig und um Verletzungen oder Verspannungen zu vermeiden, sollte man den Sattel dem aktuellen Zustand des Pferderückens anpassen“, erklärt Ludwig.

Da die Besitzer der Reittiere nicht mal eben in die Münchener Straße galoppieren können, um den Sitz kurz checken zu lassen, ist die Sattlerin auf ihre eigenen PS angewiesen und fährt oft kilometerweit zu den einzelnen Ställen mit dem Auto. „Ich habe Anfragen aus Münster und aus dem Sauerland, aber das kann ich nicht alles abdecken, da lohnt der Zeitaufwand sich nicht“, sagt sie. Der Terminkalender ist bis Ende Juni lückenlos voll, Zehn- bis Zwölf-Stunden-Tage sind üblich. „Ich habe bereits eine 400-Euro-Kraft, die mich unterstützt, aber das reicht eigentlich bei weitem nicht.“

Zeit und Platz für Lehrling reichen nicht aus

Christina Ludwig hat sämtliche Weiterbildungen und Ausbildungsbescheinigungen, würde auch gerne einen Lehrling annehmen, allerdings reichen Zeit und Platz in der Werkstatt noch nicht aus. „Ende des Jahres werden wir nach Neukirchen-Vluyn auf einen Hof umziehen, dann hoffe, ich, dass ich jemanden annehmen kann.“ An Bewerbungen mangelt es nicht. Ausnahmslos von Frauen.

Der Beruf des Pferdesattlers ist eine Frauendomäne, resultierend aus dem Reitsporthobby, das auch überwiegend von Frauen praktiziert wird. „In der Ausbildung haben wir in der Berufsschule Blockunterricht gemeinsam mit den Autosattlern. Das waren nur Männer.“ Gelehrt werden vorwiegend Lederkunde, allgemeine Materialkunde und Maschinenkunde, denn die schweren Industrienähmaschinen haben ihre Zicken, die die Anwender möglichst beheben können sollten. Erst im dritten Lehrjahr trennen sich in der Schule die einzelnen Gewerke. „Die Pferdesattler haben dann zum Beispiel auch Pferdeanatomie als Fach, um zu wissen, wo Muskeln und Nervenbahnen verlaufen, die besser nicht dem Druck des Sattels ausgesetzt werden sollten.“

Sättel seit 2000 Jahren nach gleichem System gefertigt

Fragt man Christina Ludwig, was sich mit der Zeit in ihrem Beruf verändert hat, trennt sie die Antwort. Praktisch: so gut wie nichts. Die unterschiedlichen Sättel werden seit gut 2000 Jahren ungefähr nach gleichem System angefertigt: „Ich arbeite noch mit ganz traditionellen Werkzeugen. Vor 150 Jahren hätte ein Sattler ebenfalls das Halbmondmesser zum Schneiden oder die Ahlen für das Garn benutzt.“ Theoretisch fällt die Antwort diplomatisch aus: „Der Endkunde ist heute weitaus sensibler als noch vor 15 oder 20 Jahren.“

Reiten ist mittlerweile Breitensport. Jeder, der Geld in ein Hobby investiert, möchte das Bestmögliche bekommen. „Vor 50 Jahren hatte der Bauer für sieben Pferde zum Spaß ein oder zwei Sättel. Heute hat jedes Pferd drei Sättel und zumeist auch einen Physiotherapeuten.“ Das ist kein Luxusproblem. Heutige Sportpferde sind durch Züchtungen so sensibel, dass sie den erhöhten Pflegeaufwand benötigen.

Hauptgeschäft aus Reparatur oder Wartung

Solide Zukunftsperspektiven also für Christina Ludwig. Obwohl ihr Hauptgeschäft aus der Reparatur oder Wartung bereits fertiger Sättel besteht, kann sie auch neue Stücke fertigen. „Ich habe zwei Jahre in einer Sattlerei gearbeitet. Das macht Superspaß, ist aber so zeitaufwendig, dass ich es nicht schaffe.“

Allein für ihr Gesellenstück, eine handgefertigte Trense, hat sie 16 Stunden gebraucht. Handarbeit, die natürlich ihren Preis hat. Genau, wie handgefertigte Sättel. Trotzdem bereut die Sattlerin es keine Sekunde, den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt zu haben: „Ich bin glücklich mit dem, was ich täglich tue und habe ein solides Auskommen.“

Volle Auftragsbücher, fehlender Nachwuchs

- Die Handwerksbetriebe sind so zufrieden wie lange nicht. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Das geht aus dem aktuellen Lagebericht der Handwerkskammer Düsseldorf hervor. Mehr als die Hälfte aller Betriebe berichtet demnach von einer guten bis sehr guten Geschäftslage und fast ein Drittel rechnet mit weiteren Verbesserungen in der nahen Zukunft.

- Besonders zufrieden waren die Betriebe des Ausbaugewerbes, des Bauhauptgewerbes und die Handwerker des gewerblichen Bedarfs. Pessimistischer sind das Lebensmittelgewerbe und die Betriebe im Gesundheitsbereich.

- Ein großes Problem ist mittlerweile der Fachkräftemangel, der für die Kunden nicht nur zu langen Wartezeiten führt. Vielmehr werden auch die Leistungen teurer.

- Grundlegend ist demnach die Fokussierung auf die Ausbildung. In Duisburg waren 2017 insgesamt 1375 Ausbildungsverhältnise in 651 Ausbildungsbetriebengemeldet. Nach wie vor ist die Ausbildung im Handwerk männlich dominiert. Nur 306 Azubis waren junge Frauen.