Duisburg. . Die Gründungsversprechen wurden teilweise nicht eingelöst, der Umbau zu einem Zwei-Säulen-Systems abgebrochen, beklagen Duisburgs Schulleiter.
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Die Sekundarschulen wurden als neue Schulform aus der Taufe gehoben als Reaktion auf den schwindenden Zulauf an den Hauptschulen. Im vierten Jahr nach ihrer Gründung ringen die drei Duisburger Sekundarschulen weiterhin um Akzeptanz. Über die Gründe und die Frage, wie es weitergeht, sprachen wir mit den drei Schulleitern Anne de Roij (Sekundarschule am Biegerpark, Huckingen), Martina Zilla Seifert (Sekundarschule Rheinhausen) und Ulrich Ehrentraut (Justus-von-Liebig-Sekundarschule Hamborn).
Die Zahl der Erstanmeldungen zum neuen Schuljahr gilt als Stimmungsbarometer. Sind Sie zufrieden?
Anne de Roij: Wir haben unsere Zahl verdoppelt auf 98 Schüler. Bei geplanter Vierzügigkeit wären wir damit zufrieden. Da nun so viele Kinder zu versorgen sind, werden wir sechszügig. Das war nicht unser Wunsch, aber wir brauchen Plätze.
Martina Zilla Seifert: Zufrieden können wir mit 71 Erstanmeldungen nicht sein. Aber wir haben eine Insellage in Rheinhausen. Mit zwei Gesamtschulen und einem Gymnasium in Steinwurfnähe war für uns von Beginn an klar, dass wir so schnell wie möglich versuchen, das Kapitel Sekundarschule abzuschließen. Die Eltern sagen: Ihr seid eine gute Schule, aber habt keine Oberstufe. Uns freut der deutliche Zuspruch in der Nachkoordinierung.
Die Schwankungen von Jahr zu Jahr bleiben hoch?
De Roij: Ja, das haben wir auch erkannt. Daran müssen wir was tun. Sekundarschule ist in Duisburg wenig bekannt, selbst bei Kollegen in den Grundschulen. Deshalb haben wir Lehrer von 13 Grundschulen eingeladen, sie haben hier hospitiert. Unsere Eltern sind auch sehr aktiv geworden. Sie transportieren, wie wir hier arbeiten.
Ulrich Ehrentraut: Dass eine neue Schulform nach vier Jahren noch kein Selbstläufer ist, war uns von vornherein klar. Wir stellen fest, dass nun auch die Qualität der Anmeldungen besser wird. Selbst einige Kinder mit Gymnasialempfehlung hatten wir jetzt dabei.
Ist es nicht bitter, selbst Kollegen noch erklären zu müssen, was eine Sekundarschule ist?
Seifert: Die Sekundarschule ist eine Kompromiss-Schule. Es gibt mittlerweile keine Neugründungen mehr. Man weiß, dass sie nicht die Akzeptanz wie die Gesamtschulen erreicht. Dass der Umbau zu einem Zwei-Säulen-System gestoppt ist, bekommen die Eltern doch auch mit. Dabei: Die Sekundarschule ist etwas völlig anderes als die Hauptschule. Ich arbeite genauso wie zuvor an der Gesamtschule. Aber das ist für viele Eltern nicht entscheidend – da läuft viel über Mundpropaganda.
Wurden die Versprechen, die mit der Gründung verbunden waren, eingelöst?
Seifert: Mehr Lehrer ja, kleinere Klassen nein. Die Versprechen wurden nicht eingelöst. Die Migrationswelle kam dazwischen – das konnten nur die integrierten Systeme schultern, weil sie schon immer so gearbeitet haben. Hinzu kam die Raumnot. Mit Erstaunen hat man festgestellt, dass man Gebäude für Halbtagsschulen hatte, in denen Ganztag stattfinden sollte.
Ehrentraut: Unser Gebäude ist grundsätzlich ausreichend, aber unsere Mensa befindet sich in zwei selbst eingerichteten Kellerräumen. Ein Neubau ist geplant, aber das dauert noch. Bei den Klassengrößen sind wir bei bis zu 28, unvermeidlich wegen der Integration der Flüchtlingskinder. Vom Zwei-Säulen-Modell ist nichts übrig geblieben. Ich würde das schnell ändern.
De Roij: Wir haben bewusst gesagt, wir deckeln die Klassen bei 25 Schülern, wenn wir zwei inklusive Kinder haben. Das ist ein Luxus den wir uns erlauben. Dabei sind wir personell mit 72 % schwach ausgestattet. Im nächsten Jahr haben wir zwar 52 Förderkinder, aber keine Förderpädagogen mehr. Dafür sind viele neue Kollegen Seiteneinsteiger. Das bedeutet eine zusätzliche Belastung. Über die Ausstattung mit neuen Medien kann ich mich nicht beschweren. Und: Der Ganztag ist eine Mogelpackung, das muss man vor allem im Hinblick auf die Einrichtung von Zweigstellen sagen.
Können Sie den Vorschlag der Schulverwaltung zum Ausbau der Schulen nachvollziehen?
Seifert: Ich finde, es gibt keinen bildungspolitischen Plan. Die Idee, mit Gymnasien und integrierten Schulen auf zwei Säulen zu setzen, wird nicht konsequent verfolgt.
De Roij: Die Auflösung der Realschulen ist nicht umgesetzt worden. Es ist außerdem dringend nötig, dass wir hier inklusiv unterrichten. Aber uns fehlen dazu die Pädagogen. Es muss um die bestmögliche Förderung aller Schüler gehen – dazu braucht man die Expertise. Die Kollegen stoßen da an Grenzen.
Was heißt das für Sekundarschulen?
Seifert: Der Gründungsprozess vollzieht sich in einer turbulenten Zeit für eine Schulform, die im Grunde nicht mehr gewünscht und nicht besonders unterstützt wird. Es spricht sich rum, wenn wir keinen Raum für einen Ganztagsbereich haben.
Sie, Frau Seifert, haben frühzeitig öffentlich gesagt, dass Ihre Schule Gesamtschule werden soll. War das klug?
Seifert: Für mich hat die Sekundarschule keine Perspektive. Ich rede damit nicht meine Schule schlecht. Aber ich glaube, dass es für integrierte Systeme nicht gut ist, wenn es A-, B- und C-Systeme gibt. Es ist wichtig, dass alle auf Augenhöhe sind. Außerdem gibt es in Duisburg zu wenig Übergänge in die universitäre Bildung. Wir liegen noch unter dem Schnitt des Ruhrgebietes.
„Wir sind die Spezialisten für die Sekundarstufe eins“
Warum machen in Duisburg weniger Schüler ein Abitur?
Seifert: Vieles hat die Stadt nicht zu verantworten. Aber bei Steuerung und mutigen Entscheidungen ist Luft nach oben. Viele Studien zeigen, dass ein dreigliedriges System nicht in der Lage ist, die Potenziale zu fördern. Duisburg hat nun sechs Systeme. Das kann nicht gut gehen. Auch die Inklusion bekommen die selektiven Systeme nicht hin.
De Roij: Das schränkt Kinder aus Familien mit Problemen ein. Die Bildungsregion müsste darauf mehr eingehen. Wo viel Bedarf ist, müsste das Land Geld für Personal in die Hand nehmen.
Die Stadt will Zweigstellen einrichten, um den Platzmangel zu lindern.
De Roij: Da wird es noch harte Kämpfe geben. Wir werden klare Forderungen stellen, nicht einfach ein Gebäude beziehen. Pädagogisch sinnvolle Konzepte sind die Voraussetzung dafür, dass wir weiter erfolgreich arbeiten können.
Als Sekundarschule?
Ehrentraut: Ja, wir fühlen uns wohl damit. Ich sage: Wir sind die Spezialisten für die Sekundarstufe eins.
De Roij: Viele Eltern entscheiden sich mittlerweile bewusst für uns. Wir kooperieren mit dem benachbarten Bertolt-Brecht-Berufskolleg, das auch das Vollabitur anbietet. Deshalb müssen wir das im eigenen Haus nicht unbedingt haben. Auch die Ausbildung in Handwerk und Industrie, ein Meister-Abschluss oder das Fachabitur sind gute Optionen. Da fehlt oft die Wertschätzung. Wichtig ist, dass jeder nach der Klasse zehn in die Richtung gehen kann, die für ihn die Beste ist.
Wie gelingt die Integration von zugewanderten Schülern?
Seifert: Das ist eine Kärrneraufgabe. In der Elternschaft und der Öffentlichkeit ist es schwierig, damit einen Blumentopf zu gewinnen. Deshalb müssen wir uns darüber verständigen, was wir brauchen. Es kann nicht nur im Ermessen einer Schulleitung liegen, ob Kinder ohne Schulplatz aufgenommen werden.
De Roij: Die integrierten Systeme können es nicht allein stemmen. Dass wir uns auf ein Duisburger Modell geeinigt haben, dass sich auch Gymnasien und Berufskollegs beteiligen, ist gut. Das muss weiter ausgebaut werden. Es muss selbstverständlich sein, dass alle gemeinsam die Kinder auffangen.
Ihr Fazit?
Seifert: Jetzt vermissen wir die politische Unterstützung. Im ländlichen Bereich funktionieren die Sekundarschulen, in den Großstädten ist es schwierig. Dort bleibt weiter die Gefahr, dass sie als Restschulen angesehen werden. Die Widerstände, die wir bei den Eltern überwinden müssen, sind groß. Das sollte man mal auswerten.
De Roij: Ich sehe die Wurzel des Problems in der Landespolitik. Es gibt keine klare Linie. Ich sehe hier nicht mehr die Gefahr, dass wir als Restschule abgestempelt werden. Bis zu einer abschließenden Bewertung sollte man uns noch Zeit geben.
Ehrentraut: Ich lag lange zwischen den beiden Kolleginnen mit meiner Position. Ich denke heute, man sollte der Sekundarschule noch einige Jahre geben, ehe man über ihre Zukunft entscheidet.