Marxloh. . Beim Bürgerspaziergang präsentiert sich Marxloh von zwei Seiten. Mit dem Oberbürgermeister sprechen die Teilnehmer über schöne Ecken und Probleme

„Man hört immer nur das Schlechte. Dabei gibt es doch auch so viele schöne Seiten und die möchte ich mir heute anschauen“, sagt Helga Lommertin. Sie kommt aus Hüttenheim. Nach Marxloh fährt sie eigentlich nicht. Aber sie möchte wissen, was wirklich in dem Stadtteil steckt, der häufig als No-Go-Area bezeichnet wird.

Bürgermeister Manfred Osenger bekommt vom Balwinder Singh Saini einen Turban gebunden.
Bürgermeister Manfred Osenger bekommt vom Balwinder Singh Saini einen Turban gebunden.

Am Samstag war sie eine von etwa 120 Teilnehmern beim achten Duisburger Bürgerspaziergang. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Sören Link konnten die Teilnehmer bei einer dreistündigen Tour eine der vielfältigsten Seiten der Stadt erleben.

„Aber das ist doch nicht Marxloh, oder?“, kommt der überraschte Ausruf eines Mannes als die Gruppe auf einer Wiese in der Wohngegend „Im stillen Winkel“ zu stehen kommt und von alten Backsteinhäusern umgeben ist. Hier wohnt Nicole Niephaus. Sie erzählt von guter Nachbarschaft und Straßenfesten.

„Welten“ zwischen Stehkragenviertel und Pollmann

Ob sie gerne in Marxloh lebt: „Naja“, gibt sie zu, „eigentlich zähle ich mich eher zu Röttgersbach. Zwischen der Gegend hier und dem Marxloh einige Straßen weiter, da liegen doch Welten.“ Und diese andere Welt sollen die Teilnehmer des Spaziergangs auch noch sehen. Erst einmal geht es aber in den Jubiläumshain. „Hier sind Sie in der schönsten Grünanlage Duisburgs“, begrüßt Reinhold Adrian von den Duisburger Wirtschaftsbetrieben die Gruppe. Bei strahlendem Sonnenschein spielen einige im Park.

Eine aufwändige Prozedur, die Osenger aber geduldig über sich ergehen ließ.
Eine aufwändige Prozedur, die Osenger aber geduldig über sich ergehen ließ.

Als der Wind die rosafarbenen Blüten eines Kirschblütenbaums über die Köpfe der Spaziergänger wehen lässt, kann eine Dame ihre Begeisterung nicht mehr zurückhalten. „Wow, warum war ich hier noch nicht früher?“

Solche Reaktionen bestätigen Ute Schramke von der Stadt Duisburg in ihrer Arbeit: „Ich habe den Leitbildprozess der Stadt mitorganisiert und dabei gemerkt, wie viele Duisburger ihre Stadt nicht kennen. Also viele sind in ihrem Bezirk unterwegs, aber eben nicht in den andere.“ Die Spaziergänge sollen das Wir-Gefühl der Duisburger stärken.

Jung, vielfältig, zukunftsträchtig und – arm

Mit seinen 22 Jahren ist Felix Risch einer der jüngeren Teilnehmer des Spaziergangs. Er wohnt in Kasslerfeld und möchte am Samstag neue Ecken von Marxloh kennenlernen: „Wenn einer sagt, du kommst aus Duisburg, will ich ja auch was zu erzählen haben.“

Das Resultat konnte sich sehen lassen. Osenger und Sing Saini jedenfalls, waren zufrieden.
Das Resultat konnte sich sehen lassen. Osenger und Sing Saini jedenfalls, waren zufrieden.

Aufmerksam hört der 22-Jährige der Stadtteilmanagerin, Karen Dietrich, zu, als sie von ihren Erfahrungen im Stadtteil berichtet: „Marxloh ist ein sehr junger und vielfältiger Stadtteil und hat definitiv viele Chancen. Hier sehe ich die Zukunft von Duisburg. Es ist aber auch ein Stadtteil, der von Armut geprägt ist.“

Als die Gruppe die Weseler Straße entlangläuft, sitzen immer wieder Frauen mit Kopftüchern und langen Röcken auf dem Bürgersteig, in der Hand einen alten Pappbecher mit ein paar Münzen. Auf der Weseler Straße geht es in ein Brautmodengeschäft. Lange, pompöse, glitzernde Kleider stehen hier ausgestellt.

Überregional hoch angesehen: Der Musikladen G&G-Music-Shop am Bebel-Platz.
Überregional hoch angesehen: Der Musikladen G&G-Music-Shop am Bebel-Platz.

„Was halten Sie eigentlich von Marxloh, Herr Oberbürgermeister“, fragt eine Verkäuferin. „Die Einwohner begeistern mit ihrer Vitalität und Freundlichkeit“, sagt Link, „es gibt aber auch viele Probleme: Kinder von Einwanderern spielen bis spät nachts auf der Straße und sollten am nächsten Tag eigentlich in der Schule sein. Und das Thema Müll ist definitiv ein großes Problem.“

Vom prachtvollen Jubiläumshain waren die Besucher  total begeistert.
Vom prachtvollen Jubiläumshain waren die Besucher total begeistert.

Und trotzdem: Auf die Frage, ob sie nochmal wiederkommen möchten, antworten viele der Stadtteilspaziergänger mit eindeutigem Kopfnicken.

Laufkundschaft haben sie hier kaum am August-Bebel-Platz. Man muss schon ganz gezielt vorbeikommen, um zwei Geschäfte zu finden, die einfach zu Marxloh dazugehören: den GG-Mmusicshop und den Imbiss Peter Pomm. Beim Stadtteilspaziergang war der Besuch fest eingeplant und sorgte bei den Teilnehmern für viel Begeisterung.

Wer den Musikladen GG-Music­shop betritt, findet sich in der Traumwelt eines Rockmusikers wieder. An den Wänden hängen E-Gitarren in allen möglichen Farben. Hier steht ein Schlagzeug, da ein paar Boxen und ein Mikrofon.

Blickfang Brautmodenmeile: Deutschland- und Europaweit einzigartig ist der Marxloher Brautmoden-Cluster mit orientalischem Flair.
Blickfang Brautmodenmeile: Deutschland- und Europaweit einzigartig ist der Marxloher Brautmoden-Cluster mit orientalischem Flair.

Wer möchte, kann einfach loslegen, so wie Manfred und Annelie. Das Ehepaar singt ein energiegeladenes Duett, während die Stadtteilspaziergänger begeistert ihre Handys zücken. Seit mehr als 30 Jahren gibt es den Musikladen schon in Marxloh. Diane Geßmann hat ihn von ihrem Vater übernommen. Ihre Kundschaft ist vielfältig. „Wir haben auch viele türkische Kunden, deren Enkel schon hier einkaufen“, sagt sie über ihre Arbeit.

Peter Pomm: Imbiss-Tradition mit Herz

Wer vom Singen Hunger bekommt, der kann den direkt nebenan stillen: in der Imbissbude Peter Pomm. Die Töchter des Inhabers, Andrea Schulte und Iris Tauber, stehen am Samstag an der Fritteuse und nehmen die Bestellungen auf. „Für den Job muss man geboren sein und ich bin es definitiv“, sagt Andrea Schulte. Der Imbiss ist für zwei Spezialitäten bekannt: Pusztetten und Curryletten.