Duisburg. . Lydia Benecke liebt ihren Job. Im Grammatikoff redet sie ohne Punkt und Komma über Sexualstraftäter.

Mit einem längeren Werbeblock ist die bekannte Unterhaltungskünstlerin, Autorin und Kriminalpsychologin Lydia Benecke in ihren Vortrag im ausverkauften Grammatikoff eingestiegen. „Ist Hannibal Lecter tatsächlich der Prototyp eines Psychopaten? Lydia Benecke klärt auf“, lautete ihr Thema. Sie selber sei überhaupt kein Krimi-Fan, weil sie die Realität jederzeit spannender fände als die Fiktion, das hat sie schon öfter betont. Das hindert sie aber nicht daran, die Zugkraft der berühmten Hauptfigur des Kannibalen und Serienmörders aus dem Roman „Das Schweigen das Lämmer“ von Thomas Harris für ihre Zwecke nutzbar zu machen.

Sie sitzt auf der Bühne im gediegenen Chesterfield Ohrensessel unter dem goldenen Schein einer altmodischen Stehlampe und bewirbt erst ihre Bücher, dann eine CD befreundeter Musiker mit mörderischen Klängen und auch noch die Website ihres Lebensgefährten, der Künstler und Veranstaltungstechniker ist. Sie spricht sehr schnell. „Meine Vorträge dauern oft über drei Stunden, eigentlich mache ich meistens so lange bis mich der Veranstalter rausschmeißt“, sagt sie mit strahlendem Lächeln. Kein Zweifel, sie liebt, was sie tut. In einigen Gesichtern im Saal keimt Besorgnis auf: Sie wird doch nicht in diesem Tempo drei Stunden lang weiterreden? Aber genau das tut sie.

Bevor sie zur psychopathischen Sache kommt, erzählt sie noch schnell etwas über ihre Arbeitsplätze. Sie hat eine 25-Wochenstunden Stelle in einer Ambulanz für Sexualstraftäter und ist darüber hinaus einen halben Tag pro Woche in einer Sozialtherapeutischen Anstalt mit Gewalt-und Sexualstraftätern beschäftigt. Dieses Minijob-Patchwork-Model lässt der selbstständigen 35-Jährigen genug Zeit, fürs Schreiben populärwissenschaftlicher Bücher, für Interviews, Fernsehauftritte und Vorträge über Psychopaten.

Mit Fakten überzeugen

„Wegen Lecter glauben ja viele, Psychopaten wären superschlau, aber die gibt es auch in strunzdumm“, sagt sie. Und erklärt ein paar grundlegende Dinge. In Hirn sei das limbische System mit der Amygdala sozusagen das Gaspedal des Menschen. Und der präfrontale Kortex direkt hinter der Stirn, der sei quasi die Bremse. Und wenn da jetzt zwar Wut und Ärger spürbar wären, aber die Angst vor möglichen Konsequenzen der eigenen Handlungen gar nicht vorhanden sei, dann habe man es vermutlich mit einem recht unangenehmen Menschen zu tun. „Ja, ich vereinfache stark, wir ziehen das hier Sendung-mit-der-maus-mäßig durch“, übertönt sie das Gelächter. Sie möchte die Schreihälse, die am liebsten alle Sexualstraftäter erschlagen wollen mit Fakten von einer differenzierteren Sicht überzeugen, aber diese Sorte Leute gehört wohl ohnehin nicht zu ihrem Stammpublikum.