Duisburg. Anders als in Essen spricht sich die Duisburger Tafel entschieden dagegen aus, einen vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer auszusprechen.
Kein deutscher Pass, keine Essensausgabe? Für Günter Spikofski, Geschäftsführer der Duisburger Tafel, kann und wird das keine Lösung sein – anders als für seine Kollegen in Essen, die jetzt einen vorläufigen Aufnahmestopp für nicht-deutsche Neukunden verhängt haben. Die Begründung aus Essen: Der Verein habe sich dazu gezwungen gesehen, weil Flüchtlinge und Zuwanderer zwischenzeitlich 75 Prozent der insgesamt 6000 Nutzer ausmachten. O-Ton des Vorsitzenden Jörg Sartor im Gespräch mit der Essener Lokalredaktion: "Wir wollen auch, dass auch die deutsche Oma weiter zu uns kommt."
Günter Spikofski hat nur wenig Verständnis für diese Maßnahme, nennt sie gar ein "fatales Signal": "So geraten Nicht-Deutsche unter Generalverdacht." Er wehrt sich gegen eine Pauschalisierung seiner Kunden: "Manche benehmen sich grundsätzlich daneben. Es gibt schwierige Deutsche und Nicht-Deutsche." Was gelegentliches Fehlverhalten angehe, hat er keine Tendenz in die eine oder andere Richtung ausmachen können – auch wenn Spikofski nicht von der Hand weisen will, dass die Situation in den Jahren des extremen Flüchtlingszuzugs 2015 und 2016 "schwierig" war. Aber nur einziges Mal in seiner bisher zehnjährigen Amtszeit wurde Spikofski, so sagt er, körperlich angegangen: "Das war ein Deutscher."
"Angst vor Verdrängung am untersten Ende"
Jörg Sator beklagt indes, dass viele seiner deutschen Kunden in Essen sich von der Vielzahl junger, fremdsprachiger Männer an den Ausgabestellen abgeschreckt gefühlt hätten. Günter Spikofski entgegnet, dass die Situation sich in seinen Augen sehr ähnlich gestaltet hätte, "wären auf einmal 100 Prozent mehr Deutsche gekommen". Zudem bestehe bei Ausländern die "Angst vor Verdrängung am untersten Ende": Viele von ihnen wüssten schlicht nicht, dass die ausgegebenen Lebensmittel auch noch für den letzten in der Schlange reichen. Das ist auch einer der Gründe, warum sich Spikofski über jeden Ehrenamtlichen in seinen Reihen freut, der eine der Sprachen der nicht-deutschen Tafel-Nutzer spricht.
Zahlen, die den Anteil von Nicht-Deutschen an der Gesamtzahl der Kunden belegen sollen, liegen anders als in Essen für Duisburg nicht vor. Das sei auch gar nicht nötig, stellt Spikofski noch einmal klar: "Bei uns gibt es genau zwei Bedingungen. Erstens: Die Person ist in Duisburg gemeldet. Zweitens: Die Person empfängt Leistungen wie etwa Grundsicherung, Hartz IV oder Wohngeld." Nicht mehr und nicht weniger.
>>>> ZWEITE AUSGABESTELLE IN MEIDERICH KOMMT
Aktuell versorgt die Duisburger Tafel laut Günter Spikofski laut rund 4500 Menschen wöchentlich mit Lebensmittel, neben der Haupt-Ausgabestelle in Hochfeld unterstützt die Tafel Schulen, Kindergärten und Frauenhäuser. Mitte des Jahres wird eine weitere Ausgabestelle samt ausgelagerter Verwaltung und Fahrdienst auf dem Gelände des alten Schlachthofs in Meiderich hinzukommen, auch ein Second-Hand-Shop mit Kleidung für "ganz kleines Geld" soll dort eröffnen.
Immer mehr Duisburger Rentner nutzen die Tafel
Immer mehr Rentner in Duisburg nutzen die Angebote der Tafel. Sie sind sogar darauf angewiesen. „Armut unter älteren Menschen ist ein trauriger Trend, der sich seit Jahren kontinuierlich fortsetzt“, bestätigt Tafel-Geschäftsführer Günter Spikofski. Jeder fünfte Duisburger ist arm. Wie hoch der Anteil der Rentner unter den Tafelbesuchern ist? Das wird zwar auch aus Pietätsgründen nicht erfasst – „aber es ist augenfällig“, sagt der Geschäftsführer.
Die wachsende Armut – besonders die der Generation 65plus – sieht auch die Stadt Duisburg mit Sorge. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des sogenannten mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Sie haben Anspruch auf eine Grundsicherung.
Altersarmut seit Jahren eine konstante Größe
So nahmen noch im Januar 2015 7534 Duisburger die Grundsicherung in Anspruch, ein Jahr später stieg sie um rund 200 auf 7712. Im Dezember 2017 verzeichnet die Stadt 8091 so genannte Grundsicherungsempfänger. Rund 5000, also mehr als die Hälfte der Betroffenen haben die 64 Jahre überschritten. Die Zahlen „können analog zu denen der Vorjahre gesehen werden“, teilt die Verwaltung mit. Heißt: Altersarmut ist seit Jahren eine konstante Größe in der Stadt.
Nicht nur im Hinblick auf Altersarmut hat sich das Bild von der Tafel gewandelt, seit sie 2001 in Grunewald an der Düsseldorfer Straße 346 als reine Obdachlosenhilfe begonnen hat: „Einige Menschen kommen zum Mittagstisch, weil sie einsam sind und Gesellschaft suchen“, erzählt Spikofski. Zum Beispiel ist da die ältere Frau, die regelmäßig vormittags zum Mensch-ärgere-dich-nicht kommt, dann isst, und später noch eine Partie nachschiebt. Andere stehen bereits um halb sieben an der Lebensmittelausgabe an – obwohl die erst um 9.30 Uhr öffnet. Auf ein Schwätzchen.
Inzwischen versorgt die Tafel an drei Standorten in Grunewald, Hochfeld (2007) und seit 2017 in Marxloh viereinhalbtausend Menschen in der Woche. 120 Menschen packen bei der Ausgabe und Logistik mit an, darunter ein großer Teil Ehrenamtler, aber auch Angestellte und Menschen, die den Bundesfreiwilligendienst machen, die sogenannten Bufdis.