Duisburg. . Dazu rät Seelsorger und Marathonsportler Pater Tobias in der Fastenzeit: Das Ich, das Wir und die Seele müssen trainiert werden.

Vor wenigen Jahren lag das Gruppenfasten in Duisburg noch ganz im Trend. Gemeinsam fällt der Verzicht eben leichter. In diesem Jahr bieten die katholischen und evangelischen Gemeinden in der Stadt jedoch keine Fastengruppen an. Ist Fasten etwa out?

Nein, glaubt Pater Tobias. Der Duisburger Seelsorger, Coach und Marathonläufer bricht eine Lanze für eine Auszeit in den rund 40 Tagen bis Ostern und „das Trainingslager der Menschlichkeit: sei du selbst, sei solidarisch und sei spirituell, suche das Gespräch mit Gott“.

Pater Tobias: Die Leute sollten die Zeit nutzen, wieder mehr auf sich zu achten.
Pater Tobias: Die Leute sollten die Zeit nutzen, wieder mehr auf sich zu achten.

Der Dreisprung des spirituellen Sportlers hat es in sich: „Wir lassen uns zu viel ablenken durch Medien, Computer Handys – das Ich bleibt auf der Strecke“, rät Pater Tobias dazu, abends mal Schalter von Fernseher und Co auf „Aus“ zu lassen und auf sich selbst zu achten, „was meiner Seele gut tut“.

Nicht weniger wichtig ist dem Seelsorger „die Solidarität, darüber nachdenken, wie ich Zeit oder Geld in andere Menschen investiere, die Hilfe brauchen, zum Beispiel durch ein Ehrenamt – das darf ruhig länger als bis Ostern dauern“.

Als Drittes empfiehlt Tobias das Gebet. „Ich stehe morgens mit einem Gespräch zu Gott auf und gehe Abends damit zu Bett. Das hilft dabei, den Tag Revue passieren zu lassen und abzuschalten.“ Nicht jeder schafft das auf Anhieb, meint der Marathonläufer, „auch das Besinnen auf sich selbst ist manchmal unangenehm, das Beten muss trainiert werden wie das Laufen, erst dann erreiche ich das Glücksgefühl“.

Fasten kann aus medizinischer Sicht dann ein Gewinn sein, wenn man es nicht einseitig betreibt, warnt der Chefarzt der Sana Kliniken Duisburg Dr. Stephan Petrasch. „Wer sechs Wochen lang ganz auf Fette verzichtet und nur leichte Kohlenhydrate zu sich nimmt, geht das Risiko einer Thrombose oder Embolie ein.“ Denn gerade fettlösliche Vitamine sind notwendig für die Blutgerinnung.

Süß muss nicht automatisch schlecht bedeuten: Stephan Petrasch, Chef der Sana Kliniken, plädiert für eine gemischte Kost.
Süß muss nicht automatisch schlecht bedeuten: Stephan Petrasch, Chef der Sana Kliniken, plädiert für eine gemischte Kost.

Besser als der vollständige Verzicht etwa auf Süßes ist es, nach Erkenntnis des Facharztes, „gemischt zu essen. Das heißt die gesättigten Fettsäuren der Milch in der Schokolade oder durch ungesättigte Fettsäuren zu ersetzen, zum Beispiel in Nüssen, Olivenöl oder Fisch.“ Auch muss „süß“ nicht unbedingt „schlecht“ bedeuten, denn es kommt auf den Zucker an: Industriezucker in Fertiggerichten oder in Gummibärchen sollte man vermeiden, natürlicher Zucker in Obst oder Kartoffeln ist hingegen in Ordnung.

Auf den Zucker kommt es an

Vorsicht allerdings vor Bitterschokolade, die den Zucker durch mehr Kakao ersetzt, „denn der enthält damit auch mehr schädliches Kadmium“, so der Chefarzt. Und die Kohlenhydrate? Ebenso wenig rät der Duisburger Mediziner hier zur Abstinenz: „Wer vorher mittags Kartoffeln und abends Nudeln gegessen hat, wird sich dann schwächer fühlen, bis der Stoffwechsel sich umgestellt hat.“ Und hier lauert für Fastenfreunde die Gefahr – der Rebound oder Jojo-Effekt. Die meisten kennen ihn von einer Diät. „Wenn man nach dem langen Verzicht wieder ,normal’ isst, füllt der Körper die verschwundenen Ressourcen wieder auf. Ergebnis: Man hat die mühsam verlorenen Kilos schnell wieder drauf.

„Der Körper lässt sich nicht austricksen“, rät Dr. Petrasch anstelle von Verzicht zur langfristigen, am besten ambulant oder stationär begleiteten Ernährungsumstellung und der guten alten Regel „FDH – friss die Hälfte“, für alle, die Fasten mit Abnehmen verbinden. So kann sich der Körper langsam an die Umstellung gewöhnen.

Wer in der Fastenzeit hingegen ein Symbol durch Verzicht setzen will, der kann einmal in der Woche fasten oder auf etwas Liebgewonnenes verzichten – „das stärkt die Psyche“, sagt Stephan Petrasch, und ist aus Sicht des Chefarztes unbedenklich.