Duisburg. . Von einer Band, Burschen im Dorf, Blumensträußen und einer besonderen Suppe: Weitere Leser erzählen begeistert von ihrer Zeit im Schullandheim.
Die Beatles haben in den 60ern Jahren weltweit für Furore gesorgt – und fünf Jungs von der Beecker Knaben-Realschule damals im Schullandheim Hollerath. Jürgen Gernand war einer von ihnen und froh, dass er mit seiner Beatband dort proben konnte, „bis die Wände wackelten“, erzählt er. „Mit Erlaubnis des Musiklehrers durften wir sogar einige schlagzeugähnliche Instrumente mitnehmen, ein eigenes Schlagzeug war für uns ja unerschwinglich.“ Mit einem Hohner-Verstärker für zwei Gitarren, Bass und Gesang sei es richtig zur Sache gegangen. „Es hat Spaß gemacht, wir durften voll aufdrehen.“
Insgesamt drei Mal war Gernand mit seiner Klasse und dem „legendären Willi Kiesow“ in der Eifel. Auch der hoch geachtete Sport- und Biologielehrer erinnert sich noch an die „Beatles von Hollerath“, die sich im Laufe der Jahre aus den Augen verloren. Zwei, so Gernand, seien leider in der Zwischenzeit verstorben. Aber als vierköpfige 10b-Revival-Band gab es vor gut zwei Jahren auf Kiesows 80. Geburtstag, den er mit ehemaligen Schülern im Schullandheim feierte, ein fulminantes Comeback.
„In gezwungenermaßen anderer Besetzung“, so Gernand, „etwas fülliger und grauer, aber in Würde gealtert und eben alle aus der legendären 10b.“ Und kreativ wie eh und je. Aus dem Animals-Klassiker „House of The Rising Sun“ wurde kurzerhand „Es steht ein Haus im Eifeldorf“ und der Bob-Dylan-Gedächtnis-Song „Knockin’ on Heaven’s Door“ umgedichtet zu „Zitternd vor dem Schulhofstor“.
Zweimal im Monat wird musiziert
Seitdem ist die Combo wieder auf den Geschmack gekommen, trifft sich mindestens zweimal im Monat zum Musikmachen. „Wir haben da großen Spaß, weil immer wieder die eine oder andere Anekdote erzählt wird“, sagt Gernand. „Die Feuerzangenbowle lässt grüßen...“ Übrigens: Zwei Mitglieder der aktuellen Band muss Willi Kiesow besonders nachhaltig beeindruckt haben. Sie sind in seine pädagogischen Fußstapfen getreten und Lehrer geworden.
Friedhelm Beier hat zwar beruflich einen anderen Weg eingeschlagen, gehört aber zur 10b-Revival-Band, und lobt Kiesow auch in den höchsten Tönen. „Im Schullandheim hat er Biologieunterricht in der Natur gemacht. Das war für uns Kinder aus Duisburg, wo die Wäsche draußen durch die Industrie immer schwarz wurde, eine ganz andere Welt“, so der 67-Jährige, der drei Mal in Hollerath war. „Kiesow hat uns aber auch aufs Leben vorbereitet und so manchen auf den rechten Weg gebracht.“
Wanderungen mit Messtischblättern
Der so Gelobte ist mittlerweile 82 Jahre und erinnert sich auch mit Freude an die damalige Zeit – ebenso wie Gabriele Keller-Frenken, die als Lehrerin der Annette-von-Droste-Hülshoff-Realschule mit einigen Klassen in Hollerath war. „Anfangs hatten wir ja nur Mädchen auf unserer Schule, so dass wir die Jungen aus dem Dorf immer abwimmeln mussten“, erzählt die 93-Jährige mit einem Schmunzeln. „Später mit den gemischten Klassen ging es dann leichter...“
Die frühere Geografie- und Biologie-Lehrerin denkt besonders gerne an die zahlreichen Wanderungen in die Natur mit Messtischblättern als Orientierungshilfen zurück. „Die Gegend ist für ihre großen Anemonen-Wiesen bekannt“, so Gabriele Keller-Frenken. „Da sind wir im Frühling mit riesigen Sträußen nach Duisburg zurückgefahren.“
Ingrid Frey besuchte als Schülerin der Annette-von-Droste-Hülshoff-Schule 1964 zum ersten Mal das Schullandheim in Hollerath. „Das war meine erste Reise überhaupt“, erzählt sie. „Mit einem neuen Lederkoffer, einem Geschenk meiner Großmutter, begann meine Reiseleidenschaft, die mich nach nunmehr fünf Jahrzehnten in die weite Welt geführt hat.“
Hollerath habe deshalb eine besondere Bedeutung für sie. „Gerne erinnere ich mich an die Schokoladensuppe, das kulinarische Highlight jeder Hollerath-Tour. Die gab es aber nur, wenn der wenig beliebte Kohl am Vortag auch aufgegessen wurde...“
Fußballerfolg mit dem späteren Top-Trainer
Auch der erfolgreiche Fußball-Trainer Christoph Daum ging auf die Realschule in Beeck und sorgte für ein einzigartiges Erfolgserlebnis in Hollerath. Wie der frühere Sportlehrer Willi Kiesow berichtet, wollten die Zehntklässler während der Schullandheimaufenthalte immer gegen eine Jugendmannschaft der DJK Hollerath Fußball spielen. Meistens habe es hohe Niederlagen gegeben. Nur einmal hatten sie klar die Nase vorne – dank Daum.
Und auch der frühere Oberbürgermeister Jupp Krings war zu seiner Zeit als Realschullehrer in Hollerath. Zum 20-jährigen Bestehen des 1958 gegründeten Schullandheims plauderte er aus dem Nähkästchen: „Ich erinnere mich noch an die erste Leiterin, die alles so furchtbar genau nahm. Nach einer Karnevalsfeier meiner Klasse habe ich bis 4 Uhr in der Früh mit meinem Kollegen die Wände mit Nagellackentferner säubern müssen, damit sie nichts merkt.“
Oder: „Ganz zu Anfang ging mein evangelischer Kollege mit den Kindern sonntags zum Gottesdienst in die katholische Kirche. Der Pastor hatte nichts dagegen. Nur der Förster ging missmutig mit dem Gewehr in der einen und dem Dackel an der anderen Hand hinterher und beobachtete ganz genau, ob sich die ,Evangelischen’ auch richtig verhalten...“