Duisburg. . Von ausgiebigen Wanderungen, alten Postkarten und ausgeheckten Streichen: Leser berichten von ihren Erlebnissen im Schullandheim in Antweiler.
Sommer 1953: Christa Salz, gerade einmal neun Jahre alt, macht sich mit ihrer Klasse der Volksschule am Blücherplatz in Hochfeld auf dem Weg in die Eifel nach Antweiler. Der Aufenthalt im dortigen Duisburger Schullandheim ist der erste ohne Eltern. Dementsprechend aufgeregt ist sie.
Das Kind von damals heißt längst Ueberall mit Nachnamen, ist mittlerweile 74 Jahre alt, aber an die Zeit kann sich die Neudorferin noch bestens erinnern. „Wir waren eine reine Mädchenklasse, sind durch die Wälder gewandert, Unterricht in der Natur, ich hab zum ersten Mal einen Ameisenhaufen gesehen – es war einfach nur toll, bis auf eine Wanderung...“
Heftiges Gewitter
Dabei geraten die Schülerinnen in ein heftiges Gewitter. „Solche Blitze habe ich nie wieder gesehen“, erzählt Christa Ueberall. „Wir sind aus Angst ins Dorf gerannt, die Leute standen in den Hausfluren, haben sich bekreuzigt und uns aufgenommen. Unsere Lehrerin hat uns schon vermisst und war froh, als wir dann alle wieder heil im Schullandheim ankamen.“
Ansonsten hat sie den Aufenthalt nur genossen. Die 74-Jährige hat noch eine Postkarte an ihre Mutter („Es ist sehr schön hier...“) aufgehoben – mit Notopfermarke: „10 Pfennig Porto und 2 Pfennig für die Notopfer in Berlin nach dem Krieg.“
So eine Postkarte mit jener Marke, ebenfalls aus dem Jahr 1953, hält auch Dieter Palim (79) aus Huckingen in Ehren. Er war auf der Fröbelschule in Hochfeld und mit seiner Klasse Mitte der 50er Jahre in Antweiler. „Das Heim lag direkt an der Ahr, da haben wir immer dicke Steine gesammelt und das Wasser gestaut, bis sich die Bauern beschwert haben, weil wir ihr Land überfluteten...“ Der 79-Jährige muss heute noch darüber schmunzeln. „Und wenn wir abends dann richtig müde waren, haben uns die Töchter von Lehrer Heinz Allekotte noch Gute-Nacht-Geschichten erzählt. Es war herrlich.“
Reiner Dilly (72) aus Rahm war auf der Musfeldschule und zwei Mal im Schullandheim in der Eifel Er erinnert sich neben dem Unterricht an ausgiebige, bis zu 30 Kilometer lange Wanderungen, an bunte Abende mit Sketchen – und an einem Schmied im Ort. „Er wurde zu unserem besten Freund“, erzählt Dilly. „Immer wenn im Schlafsaal unsere Rohrgestellbetten aus Eisen beim Toben ab und an mal entzwei gingen, hat der Schmied unentgeltlich wieder alles zusammengeschweißt – ohne, dass die Heimleitung und die Lehrer davon etwas mitbekamen...“
Nicht zimperlich waren 1954 auch einige Schüler des damaligen Abschlussjahrgangs der Schule am Blücherplatz, wie sich Hubert Hahn aus Friemersheim erinnert. „Wir sind in Antweiler auf das Flachdach eines Nebengebäudes geklettert und einige haben im Übermut einen Kamin umgestürzt“, so der 78-Jährige. „Das gab Ärger. Ich hab die Geschichte erst viele Jahre später meinen Eltern gebeichtet. Ansonsten war es eine schöne Zeit. Man kam nach dem Krieg ja sonst nicht aus Duisburg raus.“
Ganz viel Milchsuppe
Ebenfalls schönste Kindheitserinnerungen verbindet Hannelore Bensel-Biermann mit dem Schullandheim Ende der 50er Jahre. „Ich war auf der Schule am Knevelspfädchen in Wanheim, 14 Jahre alt. Kurz vor der die Schulentlassung waren in Antweiler und haben es genossen. Kurz danach begann ja der Ernst des Lebens.“
Renate Jungkunz aus Wanheim ist als gebürtige Leverkusenerin Anfang der 50er Jahre vom Bayer-Werk nach Antweiler geschickt worden. „Die Kinder sollten dort nach dem Krieg aufgepäppelt werden“, erzählt die 73-Jährige. „Wir bekamen extra Milchsuppe, die ich heute nicht mehr sehen kann, und wurden freitags immer gewogen. Wer am meisten zugenommen hatte, bekam eine Belohnung. Am Ende war meine Mutter sogar ein bisschen geschockt, weil mein Mantel nicht mehr zuging...“
>>>> Wer war in Udenbreth, Wiesemscheid und Co.?
Das Schullandheim in Antweiler ist noch geöffnet, die anderen Duisburger Heime sind mittlerweile allesamt geschlossen. Aber auch über die Erlebnisse unserer Leser in Udenbreth, Wiesemscheid und Co. wollen wir in unserer Serie berichten.
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