Duisburg. In einem DFG-Forschungsprojekt untersucht eine Gruppe von jungen Wissenschaftlern, wie sich winzige Nanopartikel programmieren lassen.

  • Eine Gruppe junger Wissenschaftler forscht an der Uni Duisburg zur Programmierung von Nanopartikeln
  • Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgesellschaft mit 1,6 Millionen Euro gefördert
  • Das Vorbild liefert die Natur – etwa Muscheln, die hochfeste Strukturen aus winzigen Bausteinen bilden

Die bunt schimmernden Schalen der beiden Abalone-Muscheln im Büro von Prof. Dr. André Gröschel sind mehr als ein Urlaubssouvenir von der mexikanischen Pazifik-Küste. Die hochfeste Struktur, die das auch als Seeohr bekannte Tier aus rund 95 Prozent Kalziumcarbonat und Polymeren auf natürliche Weise bildet, beschreibt die Forschung des Juniorprofessors ziemlich treffend: Winzige Material-Bausteine sollen so programmierbar werden, dass sie sich selbstständig zu vorgegebenen Strukturen anordnen. So könnten ohne Energieaufwand und ohne teuren Maschinenpark auch komplizierte Gebilde völlig von selbst entstehen.

Superklein, aber sehr komplex

Das große Ziel ist es, irgendwann einmal alle Arten von Nano-Bausteinen für die Selbstorganisation kombinieren zu können: polymere, biologische, metallische. Doch zunächst konzentriert sich der 35-Jährige auf Polymer-Nanopartikel, also kleinste Kunststoffteilchen. „Es ist nicht einfach, polymere Nano-Bausteine mit gezielter Oberflächenfunktion zu designen“, erklärt der Chemiker.

Das sei wie bei einem Virus: „Superklein, aber sehr komplex. Die Herausforderung ist, sie so fein einzustellen, dass sie nicht die Nachbar-Struktur erreichen.“ Der große Vorteil von Polymer-Strukturen besteht in ihrer Vielseitigkeit – als Plastikfasern werden sie in vielen Produkten eingesetzt. „Alles, was flexibel ist, braucht Polymere“, sagt Gröschel.

Umzug aus Essen nach Duisburg

Das mittelfristige Ziel der Arbeitsgruppe, die im Oktober von der Essener Schützenbahn ins Nanoenergietechnik-Zentrum an der Carl-Benz-Straße umgezogen ist, sind Teilchen, die sich zur regelmäßigen Struktur eines Diamantgitters formieren. „So könnten wir optische Halbleiter erhalten, die für genau eine Lichtwellenlänge nicht leitend sind“, erläutert Gröschel. Für die optische Informationsverarbeitung und Lichtleitung könnten so neue Komponenten entwickelt werden, die vor allem für schnellere optische Computer interessant sind.

Hört sich einfacher an, als es ist. Denn bisher funktioniert die selbstständige Bildung unterschiedlicher Geometrien und Strukturen nur in der Größenordnung von Mikrometern schon recht gut. Für „Nano-Lego“ sind die Dimensionen nochmals ungleich kleiner. „Da müssen wir neue Konzepte entwickeln, die auf wenigen Nanometern Fläche Wechselwirkungen nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip ermöglichen“, sagt Gröschel. Außerdem nutzen die Forscher die Oberflächenbeschaffenheit, die Ladungsverteilung, oder die Geometrie, um zum Ziel zu kommen: „Würfelförmige Bauklötze werden wahrscheinlich wieder etwas würfelförmiges bauen.“


Die Natur als Vorbild: Die bunt schillernde Abalone-Muschel baut ihre Schale ebenfalls aus winzigen Material-Bausteinen, die sie so zu einer hochfesten Struktur formiert.
Die Natur als Vorbild: Die bunt schillernde Abalone-Muschel baut ihre Schale ebenfalls aus winzigen Material-Bausteinen, die sie so zu einer hochfesten Struktur formiert. © Stephan Eickershoff

Ob sich gewünschten Effekte einstellen, ist beim Nano-Lego nur durch die Veränderung der Lichtreflektion unter dem Elektronenmikroskop zu erkennen. Die Verfügbarkeit des Mikroskopie-Zentrums im Untergeschoss des Netz-Gebäudes war ein Grund für den Umzug der Forschergruppe nach Duisburg.

Warum investiert die DFG in diese Grundlagenforschung? „Es gibt für die Herstellung von Materialien zwei Wege. Da ist einmal die Verkleinerung eines größeren Blocks – also „top down“ – oder der Aufbau aus kleineren Strukturen – also „bottom up“, erklärt der Junior-Professor. „Wir möchten vorhersagen können, wie Polymere beschaffen sein müssen, damit man die Partikel verwenden kann, um die nächst größere Struktur aufzubauen.“ In einer Perfektion, die für Forscher André Gröschel noch in weiter Ferne liegt, macht die Natur es vor. Etwa in der Abalone-Muschel auf seinem Schreibtisch.

Stichwort: Emmy-Nöther-Nachwuchsgruppe

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert nun eine Emmy-Nöther-Nachwuchsgruppe mit 1,3 Millionen Euro für die Forschung des Labors für Kolloid- und Polymerwissenschaften der Fakultät für Chemie an der Uni Duisburg-Essen. Außer der Arbeit von Prof. Dr. André Gröschel – er ist Inhaber der Evonik-Stiftungsprofessur (2016 bis 2022) – kann die Arbeit von acht Doktoranden finanziert werden.

Der Chemiker aus Franken (35) kam 2016 als Juniorprofessor an die UDE. Nach seiner Promotion in makromolekularer Chemie an der Universität Bayreuth forschte er zuvor drei Jahre lang an der Aalto-Universität in Helsinki bei Prof. Olli Ikkala – er gilt als einer der führenden Wissenschaftler in der Forschung zu biomimetischen Materialien , die biologische Eigenschaften nachahmen.