Doris Freer war die erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Seit 1985 ist sie im Amt. Heute geht sie in Rente. Es bleibt viel zu tun.

  • Doris Freer war eine der ersten Frauenbeauftragten der Republik – und ist nun eine der dienstältesten
  • Seit 1985 ist sie Amt, heute wird sie in den Ruhestand verabschiedet. Es war ein Traumjob für sie
  • Für die Belange der Frauen setzte sich die Historikerin „freundlich, aber entschieden“ ein. Es bleibt viel zu tun

Doris Freer packt Broschüren, Protokolle, Briefwechsel in Kartons. Die 65-Jährige war eine der ersten Frauenbeauftragten der Republik, ist seit 1985 im Amt. Nun geht sie in den Ruhestand. Im Büro stehen bereits Blumensträuße, die sie bei einer Ausschusssitzung überreicht bekommen hat. So viel Anerkennung für ihre Arbeit war in den vergangenen Jahren selten – deshalb musste ein Trinkglas zur Vase umfunktioniert werden. Der Job der Gleichstellungsbeauftragten war ihr Traumjob, und doch musste sie tagtäglich kämpfen; für die Mitsprache der Frauen und ihre Themen. Heute wird Doris Freer von OB Sören Link im Mercatorzimmer verabschiedet.

Dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen geben könnte, darauf wurde sie erst spät aufmerksam. Als Mädchen mit langen blonden Zöpfen – „ich war ein richtiges Gretelchen“ – spielte sie mit Puppen, aber auch mit ihrem Bruder Fußball. Sie wuchs in Hervest in Dorsten auf, ging als Erste in der Familie aufs Gymnasium. Auf der Mädchenschule rümpften die anderen die Nase, ihre Kleidung war nicht fein genug. „Denk dran, du kommst aus einer Arbeiterfamilie, dir kann nix passieren“, erinnert sie sich an die Worte ihres Vaters. Nach dem Abi studierte Doris Freer Germanistik und Geschichte. Um sich vor dem Lernen für eine Altdeutsch-Prüfung zu drücken, meldete sie sich als Studentin für einen Kongress zum Thema Frauengeschichte an. Erst dort wurde ihr bewusst, dass viele Schriftstellerinnen sich im 18. und 19. Jahrhundert männliche Pseudonyme zulegten, um ihre Texte zu veröffentlichen.

Doris Freer packt Kisten. In all den Jahren ist viel Papierkram zusammen gekommen.
Doris Freer packt Kisten. In all den Jahren ist viel Papierkram zusammen gekommen. © Stephan Eickershoff

Das Interesse war geweckt, als erste Studentin ließ sie sich von ihrem Professor zu Frauengeschichte prüfen. Später arbeitete sie in einem Sonderforschungsbereich, der sich ebenfalls mit Frauen in der Historie beschäftigte. Sie bestand ihre Examen mit Auszeichnung, doch für eine Doktorarbeit blieb keine Zeit. „Ich musste immer Geld verdienen, erst als studentische Hilfskraft, dann als Wissenschaftliche Mitarbeiterin“, blickt sie zurück. Dennoch blieb ihr in den 1980er Jahren der Gang zum Arbeitsamt nicht erspart, ihr Vertrag war ausgelaufen. Gleichzeitig wurden landauf, landab Gleichstellungsstellen gegründet. Doris Freer bewarb sich in zehn Städten. „Morgens saß ich beim Amt, mir war das Geld gekürzt worden, weil ich noch immer keinen Job hatte und nachmittags bekam ich einen Anruf, dass ich die Stelle in Duisburg habe. Das war Wahnsinn.“ Duisburg kannte sie bereits, weil ihr heutiger Ex-Mann über die Geschichte der Arbeiterklasse in Hamborn forschte. Dennoch musste sie sich umstellen. Anders als an der Uni in Bochum oder Dortmund waren Frauenthemen in Duisburg nicht akademisch, sondern eng verwoben mit den Gewerkschaften und Parteien. Das war erst einmal eine fremde Welt. „Alle meine Verwandten haben bei Krupp gearbeitet. Das war mein Glück, so kannte ich auch die Sprache der Arbeiter.“ Immerhin konnte sie in ihrer neuen Position an alte Netzwerke anknüpfen. Eine alte Kollegin von der Uni hatte eine Stelle im Wirtschaftsministerium bekommen. So war das erste Projekt, das Doris Freer initiierte, etwas zu Frauen im Beruf. „Im ganzen Land lag die Frauenerwerbsquote bei rund 35 Prozent. In Duisburg war sie unter 30 Prozent.“

Mit Planerinnen im Gespräch

Auch im Ruhestand will sich Doris Freer weiter mit dem Thema beschäftigen.
Auch im Ruhestand will sich Doris Freer weiter mit dem Thema beschäftigen. © Stephan Eickershoff

Die Frau mit den hennaroten Haaren – „das war damals das Erkennungszeichen der Frauenbewegung“ – musste aber auch dazu lernen. Wie sie vor Publikum spricht zum Beispiel. „Ich hab’ zwar eine große Klappe. 30 Leute waren kein Problem, aber vor 100 habe ich kein Wort herausbekommen.“ Oder wie sie Männer von ihren Vorhaben überzeugt. „Freundlich, aber durchsetzungsstark“, beschreibt sie ihre Strategie. Sie klinkte sich in Bereiche der Stadtplanung ein, diskutierte etwa mit Planerinnen aus dem Büro von Sir Norman Foster über die Gestaltung der City, „damit keine dunklen Ecken und Angsträume entstehen.“ Sie brachte Frauen von Vereinen, Beratungsstellen und Hilfsorganisationen an einen Tisch, damit sie sich kennen lernen und austauschen. Außerdem war ihr wichtig, dass die Damen immer ins Rathaus kommen konnten, um ihr Anliegen vorzutragen. Sie engagiert sich für die Agenda 21 und mehr Nachhaltigkeit, da Frauen anders vom Klimawandel betroffen sind als Männer. „Nehmen wir mal das Thema Krankheiten. Es ist erwiesen, dass Frauen da anders reagieren.“ Doris Freer und ihr Team scannen jede Ratsvorlage auf Frauenbelange und brachten selbst Vorschläge mit ein. „Ich habe schnell gelernt, dass man sich mit der Politik abstimmen sollte.“ In der Verwaltung seien mittlerweile mehr Frauen in Führungspositionen, die Riege der Bezirksamtsleiter ist allerdings noch immer ein „Jungsclub“.

Viel zu tun

Auch das Thema Altersarmut müsse angegangen werden, da viele Frauen in Teilzeit arbeiten. Die Finanzierung der Frauenhäuser bleibt ein Dauerbrenner und sich um geflüchtete Frauen zu kümmern werde wichtiger. „Viele Mädchen und Frauen, die herkommen, sind beschnitten. Da müssen wir Ärzte und Schulen aufklären, welche Probleme das mit sich bringt.“ Zudem wurde bereits eine Broschüre aufgelegt, in der sämtliche Beratungsstellen für geflüchtete Frauen verzeichnet sind.

So richtig glauben kann Doris Freer noch nicht, dass sie ab Oktober nicht mehr ins Büro muss. „Das ist wie eine Nebelwand.“ Ein paar Vorträge hält sie noch. Ansonsten hat sie sich nun einen Computer angeschafft. Sie will wieder an alte Forschungsfragen zur Frauengeschichte anknüpfen. Ein „Bärenticket“ besitzt sie schon. Vielleicht wird sie sich künftig den einen oder anderen Vortrag anhören. Die roten Haare wird sie behalten.